Wenn Frauen in Leipzig richtig wütend werden, dann haben sie allen Grund dazu. Es sind nicht nur die Patriarchen und Machos weltweit, die dafür sorgen, dass Frauen immer wieder zurückgesetzt, benachteiligt und degradiert werden. Dieselbe Ignoranz gibt es auch in der Leipziger Stadtpolitik. Zuletzt ablesbar in einer mehr als dubiosen Vorlage des Kulturdezernats aus dem Januar. Was von den Stadträtinnen eigentlich so keine erwartet hätte.

Da ging es um die Großveranstaltungen und Jubiläen der Stadt. Ähnliche Vorlagen gab es aus dem Kulturdezernat in den vergangenen Jahren immer wieder. Manchmal fragte sich selbst der Laie, welch schräge Auswahl das Dezernat da getroffen hatte. 2016 war zum Beispiel Mahler- und Leibnizjahr. Dass Gustav Mahler gewürdigt wurde, bekamen fast nur Eingeweihte mit. Und mit Gottfried Wilhelm Leibniz konnte der damalige Kulturbürgermeister augenscheinlich gar nichts anfangen. Eine geplante Kunstinstallation auf dem Johannisplatz platze schon deshalb, weil nicht mal klar war, wer sie eigentlich umsetzen sollte. Eigene, wirklich wirkungsvolle Veranstaltungen zum berühmtesten Sohn der Stadt bekam die Verwaltung gar nicht hin. Es blieb also eine Angelegenheit der Leibniz-Gesellschaften, der Autoren und Fotografen. Das war’s. Eine gigantisch verpasste Chance, die Wissenschaftsstadt Leipzig ins Gespräch zu bringen.

Aber die Schwerpunkte, die sich das Kulturdezernat für die nächsten Jahre ausgeguckt hat, sind ähnlich belämmert.

2018 will man irgendwie „275 Jahre Gewandhausorchester“ feiern, als wenn es das Gewandhaus nicht allein hinbekäme, so ein krummes Jubiläum zu zelebrieren. Und 2019 will man dann irgendwie „500 Jahre Leipziger Disputation“ feiern, was zwei Jahre nach dem großen Reformationsfest ganz bestimmt kein Ereignis sein wird, das die Touristen nach Leipzig lockt.

Umso mehr fällt auf, dass eine Jubilarin einfach fehlt.

Obwohl die Vorlage prahlerisch verheißt: „Es muss gelingen, den Bürgern und ihren Gästen die Attraktivität und die weltoffene Ausstrahlung Leipzigs aus ganz verschiedenen Blickwinkeln zu präsentieren.“

Ist das amtliche Ignoranz?

Clara Schumann, die am 13. September 1819 in Leipzig geboren wurde, wird jedenfalls mit keinem Wort erwähnt. Was jetzt gleich Stadträtinnen aus mehreren Fraktionen dazu bringt, die Stadt aufzufordern, eine Feier dieses 200. Geburtstages in Leipzig ganz groß zu organisieren.

Getragen wird der Antrag von den Stadträtinnen Annette Körner (Grüne), Andrea Niermann (CDU), Katharina Schenk (SPD), Mandy Gehrt (Linke) und Dr. Gesine Märtens (Grüne).

Er lautet: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, für das Jahr 2019 als Stadt aktiv das Jubiläum des 200. Geburtstag von Clara Schumann mitzugestalten und zu fördern. Dafür werden ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt.“

Seit 2010 der 200. Geburtstag ihres Ehemanns Robert Schumann groß gefeiert wurde, haben Frauen in Leipzig nur zu berechtigt darauf gewartet, dass Claras Geburtstag 2019 genauso groß gefeiert wird. Vielleicht noch größer, denn mit Clara wird ja tatsächlich einmal die weibliche Seite der Stadt gefeiert.

Die Unterlassung kommt bei den Stadträtinnen ganz schlecht an.

„Gerade auch als Kulturpolitikerinnen fordern wir die Stadt auf, sich aktiv am Jubiläumsjahr 2019 zum 200. Geburtstag der Musikerin Clara Schumann zu beteiligen und dies z. B. aus den vorgesehenen Mitteln zur Jubiläumsförderung mit zu fördern“, schreiben sie in ihrem Antrag. „Initiativen gibt es dazu bereits wie z. B. am Schumannhaus oder auch bei der Leipziger Notenspur. Dieses überaus runde Jubiläum ist zudem auch international ein ausgezeichnet bewerbbarer Anlass für Leipzig als Geburtsstadt und Wirkungsstätte, um das im historischen Kontext Außergewöhnliche Ihrer Person, ihrer Fähigkeiten und ihres musikalischen Wirkens bekannt zu machen und an der geschichtlichen Aufarbeitung weiter zu arbeiten. Darüber hinaus stärkt der Beschluss die öffentliche Aufmerksamkeit überhaupt für Künstlerinnen gestern und heute, denn diese stehen immer noch weitaus weniger im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Trotz dem zeitlichen Abstand kann die Befassung mit Clara Schumann zudem auch heute noch Künstlerinnen und Frauen insgesamt angesichts manch hemmender Rollenmuster in ihrer Entfaltung stärken oder dazu ermuntern.“

Und dann verweisen sie darauf, dass von den männlichen Komponisten bislang keiner „vergessen“ wurde.

„Bisher war die Stadt bereits bewusst sehr aktiv zu den Jubiläen anderer großer Leipziger Musiker des 19. Jahrhunderts wie zu Mendelssohn 2009, Schumann 2010, Mahler 2011, Wagner 2013, Reger 2016. Nun ergibt sich die Chance, endlich auch einmal eine international berühmte Leipziger Musikerin zu ehren“, heißt es im Antrag. „ Wichtig ist es, bereits heute die Ausrichtung zu ihrem Jubiläumsjahr zu beschließen, denn bei den o. g. Musikern gab es zwei Jahre vor den Jubiläen schon Haushaltstitel und künstlerische Beiräte. Fragt man nach, zeigt sich, Einzelvorhaben sind bei anderen Trägern bereits angedacht: Das Schumann-Haus plant ein Clara-Zimmer und eine Festwoche im September, die Leipziger Notenspur einen Notenspur-Salon, Radtouren und angedacht sind auch Veranstaltungen in der Gedächtniskirche, dem Ort ihrer Eheschließung mit Robert Schumann. Eine Beschäftigung mit Clara Schumann auch durch Kulturinstitutionen unserer Stadt, den Frauennetzwerken, den soziokulturellen Zentren und den Schulen sind Potenziale ebenso wie Angebote für Kinder, junge Leute und Familien, die mit diesem Jubiläum ebenso einhergehen können und längerfristiger Planung bedürfen. Für eine internationale Bewerbung und zur Anregung für Angebote im gesamten Jahr ist eine aktive Beteiligung der Stadt unerlässlich.“

Und eigentlich fast naheliegend wäre im Grunde ein großes Festival der Pianistinnen.

Wenn man will, fällt einem erstaunlich viel ein zu dieser hochbegabten Musikertochter.

Die Vorlage des Kulturdezernats zu den Leipziger Großveranstaltungen.

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Es ist gut, dass wir uns fraktionsübergreifend als Kulturpolitikerinnen zum Antrag verständigen konnten. Noch kann die Stadt aktiv werden, sollte dies tun und wird es hoffentlich! Dies haben wir sachlich und aufmunternd formuliert. Annette Körner, Stadträtin Bündnis 90/Die Grünen

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