Es wäre ein ganz und gar symbolischer Akt gewesen. Das war Ute Elisabeth Gabelmann, der Piratin im Leipziger Stadtrat, sehr wohl bewusst, als sie ihren Antrag stellte, der Oberbürgermeister möge die Patenschaft über die verbliebenen Muntjaks im Leipziger Zoo übernehmen. Quasi auch als Zeichen der Leipziger Widerständigkeit gegen sinnlose EU-Vorgaben. Aber davon rät das Leipziger Kulturdezernat lieber ab.

Dem ist der Leipziger Zoo als (kultureller) Eigenbetrieb zugeordnet. Und gar zu viel Widerständigkeit will man in die weiblichen Muntjaks nicht hineindeuten. Außerdem ginge es ihnen ganz gut, auch ohne die männlichen Exemplare, die schon geschlachtet und verfüttert wurden.

Also gibt es einen kleinen Sachstandsbericht: „Im Zoo Leipzig werden derzeit drei weibliche Zwergmuntjaks gehalten. Unabhängig von einer möglichen Trächtigkeit sorgt der Zoo Leipzig zum gegenwärtigen Zeitpunkt dafür, dass die Zwergmuntjaks entsprechend artgerecht gehalten und versorgt werden. Eine zusätzliche finanzielle Unterstützung, um die Lebenslage der Tiere zu verbessern, ist daher nicht nötig. Die Zwergmuntjaks befinden sich derzeit in der Eingewöhnungsphase auf der Australienanlage im Leipziger Zoo, im Zuge dieses Umzuges sind keine Problemanzeigen bekannt.“

Zwergmuntjaks sind übrigens keine erst jüngst nach Leipzig eingeflogene Tiergruppe. Sie gehören schon seit Opas Zeiten zum Tierbestand, auch wenn sie in den Plänen zum „Zoo der Zukunft“ nicht mehr vorkommen. Zoodirektor Jörg Junhold wollte sie ja nicht loswerden, um den Paragraphenreitern in Brüssel Genüge zu tun, sondern weil sie im neuen Zoo-Konzept keinen Platz mehr gefunden hatten. Deswegen war ursprünglich auch nicht die Schlachtung vorgesehen, sondern die komplette Abgabe an einen Tierhalter in Belgien.

Doch genau das darf nicht mehr geschehen. Die Muntjaks wurden von der EU-Kommission zur invasiven Art erklärt und dürfen irgendwie nicht mehr transportiert und gezüchtet werden. Wir schreiben hier lieber „irgendwie“, weil die entsprechenden Sachbearbeiter in Brüssel augenscheinlich nicht allzu viel Gedanken daran verschwendet haben, was mit den Tieren passieren soll, die in Zoos und Tierparks gehalten werden. Denn wenn dort invasive Arten gehalten werden, ist eher nicht damit zu rechnen, dass sie in die freie Wildbahn gelangen und sich unkontrolliert ausbreiten.

„Zwergmuntjaks werden schon seit dem November 1967 im Zoo Leipzig gehalten. Ein direkter Bezug der Art zur Friedlichen Revolution kann aber nicht festgestellt werden. Ebenso wenig ist es singulär, dass sich Tiere im Leipziger Zoo entsprechend fortpflanzen und damit ein leipzigtypisches Verhalten nachahmen“, kommentiert das Kulturdezernat nun etwas ironisch den Antrag der Piraten-Stadträtin. „Zu konstatieren ist, dass Zwergmuntjaks nicht mehr zu den bedrohten Arten gehören. Dieser erfreulichen Entwicklung trägt auch der Zoo Leipzig Rechnung, so ist es vorgesehen, dass die Haltung von Zwergmuntjaks nach aktuellen Zeitplanungen bis 2022 beendet werden soll. Bereits jetzt sei der Stadtrat darauf hingewiesen, dass zu dem genannten Zeitpunkt auch die Haltung der auf der Australienanlage lebenden ‚Hauptmieter‘, der Bennettkänguruhs nicht mehr vorgesehen ist.“

In gewisser Weise sorgt die Stadt Leipzig also schon dafür, dass es den verbliebenen Muntjaks nicht schlechtgeht.

Eine Patenschaft mache zumindest inhaltlich keinen Sinn: „Die vom Antragsteller begehrte Finanzierung der Patenschaft aus Mitteln des Leipziger Haushaltes steht im Widerspruch zum Grundanliegen dieses Instrumentes, nämlich durch private finanzielle Unterstützung eine entsprechende Entlastung bzw. Unterstützung des Mittelempfängers zu bewirken. Als Vermittler solcher Patenschaften steht der Förderverein des Zoos in einer typischen Leipziger Tradition des bürgerschaftlichen Engagements. Zudem setzt der Zoo Leipzig ein einmaliges Konzept um, das artgerechte Tierhaltung, Artenschutz, Bildung und Freizeiterlebnis miteinander verbindet. Es ist ein Anliegen der Stadt, dieses Konzept zu unterstützen sowie dafür und damit zu werben. Die vom Antragsteller begehrte Patenschaft würde diesem Anspruch und Ansinnen widersprechen, da damit eine Gattung und deren vermeintlich leipzigtypisches Verhalten in den Vordergrund gestellt würde.“

Was einen beim Lesen ja so auf Gedanken bringt: Welches Tier zeigt eigentlich echtes leipzigtypisches Verhalten?

Denn Gabelmann hatte ja nicht nur auf die Friedliche Revolution verwiesen, sondern auch betont: „Zudem ist das Handeln der Stadtverwaltung auf Familien mit Kindern gerichtet. Die Zwergmuntjak-Gruppe gehört nach ihrer Niederkunft zweifelsohne zu diesem Kreis und sollte daher dieselbe Anerkennung genießen wie auch andere Leipziger Familien.“

Ansonsten, so das Kulturdezernat, könne der Stadtrat den OBM nicht beauftragen, eine Patenschaft zu übernehmen.

„Bei der vom Antragsteller begehrten Patenschaftsübernahme durch den OBM handelt es sich um eine freiwillige Angelegenheit. Dafür ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 5 Hauptsatzung der Stadtrat zuständig. Soll also die Stadt, vertreten durch den OBM, die Patenschaft übernehmen, muss darüber der Stadtrat entscheiden, da im Rahmen der Haushaltsplanung 2017/18 explizit dafür kein Budget zur Verfügung gestellt wurde. Zudem sei darauf hingewiesen, dass aufgrund der Förderung des Zoos Leipzig durch die Stadt es sich mit der angestrebten Patenschaft um eine Beihilfe handeln könnte, d. h. die Zahlung könnte insgesamt mit allen anderen Zuschüssen über den Regelbeträgen liegen. Damit wäre diese Zahlung problematisch und müsste konkret geprüft werden.“

Bleibt nur noch ein Ausweg, wie es scheint: Es finden sich freiwillige Paten.

Die Stellungnahme des Kulturdezernats.

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