Journalisten wollen es immer ganz genau wissen. Wie ist das nun? Ist Leipzigs Wohnungsmarkt nun angespannt oder nicht? Werden genug neue Wohnungen gebaut, um den Zuwachs aufzufangen? Oder ist es an der Zeit, Alarm zu schlagen? Der neue „Monitoringbericht Wohnen“ der Stadt ist tatsächlich etwas anders als alle seine Vorgänger seit 2001.

Was nicht nur daran liegt, dass damals, in mittlerweile unvordenklichen Zeiten, noch über die schrumpfende Stadt geredet wurde, ganze Häuser abgerissen wurden und Brachflächennutzung ein Mega-Thema war. Leipzig hat sich verändert. Deutlich.

Und was den Monitoringbericht diesmal auszeichnet, den Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau am Mittwoch, 22. März, vorstellte, ist der sichtbare Zeitenwechsel. Es wird tatsächlich wieder gebaut wie für eine wachsende Stadt. 1.837 Wohnungen wurden 2015 fertiggestellt, 1.550 weitere wieder saniert und für den Wohnungsmarkt aktiviert. Womit eine magische Zahl erreicht wurde: 3.400 zusätzliche Wohnungen braucht Leipzig jedes Jahr, damit der Wohnungsmarkt mit der Bevölkerungsentwicklung mithält.

Mindestens. Denn auf diese Zahl kommen Leipzigs Planer in der Mindestvariante, die die Leipziger Statistiker zur Bevölkerungsentwicklung ausgerechnet haben. Danach werden bis 2030 rund 674.000 Einwohner errechnet, was ungefähr 33.000 neu zu bauenden Wohnungen entspricht. Dazu kommen noch 7.100 leerstehende Wohnungen, die reaktiviert werden können. Was dann 3.400 neu gebaute Wohnungen pro Jahr bedeutet.

Stefan Heinig, Abteilungsleiter Stadtentwicklung im Stadtplanungsamt, stellte die Zahlen vor. Und zumindest die Bevölkerungsentwicklung von 2016 entspräche der untersten Prognose der Leipziger Statistiker.

Aber planen muss die Stadt auch für den Fall, dass das Wachstum doch so weitergeht wie 2014 und 2015. Dann landet Leipzig bei 720.000 Einwohnern. Und dafür müssen 59.000 Wohnungen neu gebaut werden.

Beide Zahlen stehen jetzt im Monitoringbericht – flankiert durch Tabellen, Karten und Grafiken, die sich auch mit den Einkommen, dem Umzugsverhalten, der Altersstruktur, Baugenehmigungen und Mietentwicklung beschäftigen.

Denn der Wohnungsmarkt ist komplex. Menschen ziehen aus tausend verschiedenen Gründen um. Nicht alle suchen preiswerte Wohnungen. Manche gründen Familien und brauchen große, aber bezahlbare Wohnungen. Andere wollen unbedingt in die Innenstadt. Und Investoren und Bauherren hören schon gar nicht auf die Stadt. Da reicht keine Anweisung der Baubürgermeisterin: „Nun bauen Sie doch mal.“

Monitoringbericht Wohnen 2016/2017. Foto: Ralf Julke
Monitoringbericht Wohnen 2016/2017. Foto: Ralf Julke

Sie schauen sich noch viel kritischer als die Leipziger selbst die Entwicklung an, warten ab, beobachten die Mietentwicklung, aber auch die Einkommensentwicklung. Denn die Einkommen bestimmen, was man in Leipzig vermieten kann und zu welchem Preis. Seit 2013 wird wieder in nennenswerten Größenordnungen neu gebaut. Und auch die 11.000 Wohnungen, die laut Stadtplanungsamt derzeit im Bau bzw. in Planung sind, befinden sich fast alle im inneren Stadtgebiet.

Als hätten die Bauherren die Wünsche der Stadt aufgegriffen. Was sie aber nicht tun. Sie lauschen und hören auf die Wünsche der Leipziger. Denn die bestimmen auch, wo sie gern wohnen möchten. Das haben sie schon getan, bevor die Stadt am Wohnungspolitischen Konzept gebastelt hat. Jeder Quartalsbericht seit 2001 zeigt es. Denn die jungen Leute, egal ob in Ausbildung, bei Familiengründung oder Arbeitsaufnahme, bevorzugen die kompakte Innenstadt. Dort verzeichnen die Ortsteile seit 2011 ein durchschnittliches Wachstum um 15 Prozent.

Was die Stadtplaner dann auch zur Einsicht brachte: Leipzigs Zukunft liegt in der Verdichtung. Denn die Leute ziehen ja in den kompakten Kern, weil sie hier nicht nur alle Angebote vor der Nase und in Laufweite haben, sondern auch moderne Mobilität leben können. „Öffentlicher Nahverkehr ist ganz wichtig“, sagt Baubürgermeisterin Dubrau. Und malt aus, wie teuer Bauen am Stadtrand ist, wo alles erst noch extra dazugebaut werden muss: soziale Infrastrukturen, Versorgungsleitungen, Straßen, ÖPNV.

Das benennt zwar Leipzigs Verwaltung nicht so, weil sie so noch nicht wirklich denkt: Aber kompakte europäische Städte sparen Infrastrukturkosten, weil sie auf engstem Raum das komplette Angebot verdichten. Je weiter man in die dünner besiedelten Landschaften kommt, umso höher wird der finanzielle Aufwand.

Die kompakte Stadt kommt also allen entgegen. 2018 will das Baudezernat auch einen Stadtentwicklungsplan (STEP) Wohnbauflächen vorlegen. Das Thema ist auch im Rahmen der Diskussion um das Wohnungspolitische Konzept in den Fokus der Aufmerksamkeit gerutscht: Jahrelang hat Leipzig fleißig Baugrundstücke verkauft und so getan, als wäre in der fragmentierten Stadt überall jede Menge Platz, um alles zu bauen, was man braucht. Aber gerade die letzten drei Jahre haben gezeigt, dass das nicht mehr der Fall ist. Auch für Wohnungsbau ist der Platz knapp geworden. Die Stadt muss also ein Konzept entwickeln, wie sie trotzdem den Bau von 33.000 bis 59.000 neuen Wohnungen bis 2030 absichert. Da werden noch viele Brachen und Baulücken verschwinden. Auch manches Grün, das den Anwohnern lieb geworden ist.

Zunehmende Anspannung auf Leipzigs Wohnungsmarkt. Grafik: Stadt Leipzig / Timourou
Zunehmende Anspannung auf Leipzigs Wohnungsmarkt. Grafik: Stadt Leipzig/Timourou

Was die Frage noch nicht klärt: Ist Leipzigs Wohnungsmarkt nun angespannt oder nicht?

Da ist selbst Stefan Heinig sehr vorsichtig: „Man kann eigentlich sagen, dass er beginnt, angespannt zu werden.“

Mit einer eigens neu entwickelten Grafik wird das dargestellt. Darin verschmelzen Miet- und Einkommensindex einerseits mit der ermittelten Leerstandsquote andererseits. Denn Fachleute gehen zwar davon aus, dass eine Stadt eine Mindestleerstandsquote von 2 bis 3 Prozent braucht, damit die Leute überhaupt noch umziehen können. Aber die Quote von 3 Prozent hat Leipzig 2015 schon erreicht. Der Markt hat also 2015 begonnen, angespannt zu sein.

Gleichzeitig kamen über 3.400 Wohnungen neu auf den Markt. Es könnte also sein, dass sich die Lage stabilisiert hat. Andererseits können sich nicht alle Wohnungssuchenden die gestiegenen Angebotsmieten von durchschnittlich 6,15 Euro leisten (im Bestand liegt der Durchschnitt bei 5,24 Euro je Quadratmeter), die 9, 10, 11 Euro im Neubau oft erst recht nicht. Das heißt: Selbst wenn es viele hochpreisige Wohnungen im Angebot gibt, ist für sie der Wohnungsmarkt trotzdem angespannt.

Und das ist nur die vage Einschätzung für 2015. Für 2016 liegen noch keine Zahlen vor.

Und dazu bekommen auch die neugierigen Journalisten, die doch nur zu gern gewusst hätten, wie es um den Wohnungsmarkt in Leipzig jetzt steht, jetzt im Augenblick, nur eine vorsichtig ausweichende Antwort von Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau: „Das wäre ein Blick in die Glaskugel.“

Und Stefan Heinig: „Wissen werden wir es erst, wenn wir die Zahlen haben.“

In der Regel also im nächsten Jahr. Erst hinterher weiß man, wie es „wirklich“ war. Da ahnt man schon, warum viele Bauherren lieber zögern und zaudern und lieber erst losbauen, wenn sie ganz sicher sein können, dass sie für ihre neuen Wohnungen auch Mieter (oder gar Käufer) bekommen.

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Es gibt 2 Kommentare

Man sollte Dach- und Fassadenbegrünung grundsätzlich zur Pflicht machen bei Neubauten. Das löst eine Menge Probleme.

Bei aller Verdichtung sollte aber auch bedacht werden, dass die Innenstadt unattraktiver wird, wenn Grünflächen verschwinden, Häuser immer höher werden usw. Dann lieber doch auch etwas in die Breite investieren, auch wenn es Geld kostet.

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