Eine breite Mehrheit im Stadtrat hat einem Antrag der CDU-Fraktion zur Klärung der rechtlichen Situation vieler Wagenplätze zugestimmt. Linke und Grüne zeigten sich verwundert, dass ausgerechnet die CDU das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat. Die Stadtverwaltung wurde nun damit beauftragt, mit bestimmten Wagenplätzen auf städtischen Grundstücken Mietverträge abzuschließen.
Noch vor einigen Jahren waren Nutzungsverträge für Wagenplätze auf städtischen Grundstücken etwas weitgehend Unbekanntes. Mittlerweile hat sich das geändert. In vielen Fällen ist der Status der Wagenplätze rechtlich abgesichert. Wo dies noch nicht der Fall ist, möchte die CDU entsprechende Lösungen finden. Deshalb hat die Fraktion im Stadtrat einen Antrag eingereicht, mit dem der Oberbürgermeister damit beauftragt werden soll, Mietverträge abzuschließen. Voraussetzung: Es gibt noch keine Mietverträge, die Stadt benötigt die Fläche nicht selbst und die Nutzungsform ist „städtebaulich vertretbar“.
Die Verträge sollen neben dem Nutzungsentgelt auch Belange wie Energie- und Wasserversorgung, Müllentsorgung und Brandschutz beinhalten sowie ein Sonderkündigungsrecht beispielsweise bei ruhestörendem Lärm. Linke-Stadträtin Juliane Nagel kritisierte das Vorhaben bereits im Vorfeld als „Scheingefecht“, da bereits alle betroffenen Wagenplätze Mietverträge hätten. Das eigentliche Problem sei hingegen das Baurecht, welche solche Wohnformen nicht vorsähe. „Statt direkt oder indirekt weiter Stimmung gegen das Wohnen in Wagen zu machen, könnten sich CDU und SPD auf Bundesebene für entsprechende Änderungen der rechtlichen Grundlagen einsetzen“, so Nagel.
Die Linksfraktion hat deshalb einen Änderungsantrag mit anderer Stoßrichtung eingebracht. Danach soll sich der Stadtrat zur „Vielfalt von Wohnformen in Leipzig“ bekennen, wozu auch Wagenplätze zählten. Zudem solle in der Verwaltung ein Ansprechpartner geschaffen werden, der für sämtliche Belange wie die Suche nach geeigneten Flächen sowie Vertrags- und Konfliktmanagement zuständig sei.
Auch die Stadtverwaltung betont in einer Stellungnahme, dass sie die Inhalte des Antrags bereits umsetze – lediglich für die Fockestraße 80 liege noch kein schriftlicher Vertrag vor – und es auch künftig nur Einzelfalllösungen geben könne. Die CDU nahm den Teil des Linken-Antrags, wonach ein Ansprechpartner zu schaffen sei, in ihren Antrag mit auf. Laut Stadtverwaltung gibt es bereits jetzt einen Ansprechpartner: den Ordnungsbürgermeister.
In der Stadtratsdiskussion selbst meldete sich zunächst Achim Haas aus der CDU-Fraktion zu Wort: „Wir wollen Wahrheit und Klarheit für alle Beteiligten“, sagte er. Regeln würden auch für alternative Wohnformen gelten. „Diese und konventionelle Wohnformen ungleich zu behandeln, entspricht nicht unserer Auffassung von Toleranz.“
Auf diese angebliche Ungleichbehandlung kam auch SPD-Stadträtin Nicole Wohlfahrt zurück, die ausdrücklich nicht für die gesamte Fraktion sprach. Bauherren und Eigenheimbesitzer hätten bestimmte Pflichten, zum Beispiel bezüglich Energieeffizienz und Wasserversorgung, nachzukommen – für Wagenplatzbenutzer gelte vieles davon nicht. Zudem verwies Wohlfahrt auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin aus dem Jahr 2004, wonach Wagenplätze nicht mit geltendem Recht vereinbar seien. „Ich habe kein Problem mit Wagenplätzen, erwarte von der Stadtverwaltung aber die Legalisierung der aufgezählten Missstände.“
Juliane Nagel betonte nochmals ihre Bedenken bezüglich des Antragstellers: „Die CDU-Fraktion hat in den vergangenen Jahren immer wieder Stimmung gegen Wagenplätze gemacht. Das Interesse, nun ordnend in die Szenerie einzugreifen, kommt nicht sehr glaubwürdig daher.“ Bislang hätte die CDU stets gegen die Anliegen der Wagenplätze gestimmt.
AfD-Stadtrat Tobias Keller nannte den CDU-Antrag einen „löblichen Versuch, Ordnung herzustellen“. Gleichzeitig kritisierte er den angeblich niedrigen Pachtpreis, der eine Ungleichbehandlung mit Kleingärtnern darstelle, und den Ablauf der Verfahren: Eine illegale Besetzung städtischer Grundstücke würde belohnt werden, was einen Dominoeffekt auslösen könne. „Der Antrag akzeptiert unrechtmäßige Inbesitznahme“, so Keller. „Wir lehnen ihn deshalb ab.“
Während Christopher Zenker (SPD) ironisch darauf hinwies, dass sich Kleingärtner häufig ebenfalls nicht an Regeln halten würden und Wagenplätze „Teil der Leipziger Freiheit“ seien, bekräftigte Norman Volger (Grüne) die von Nagel geäußerten Bedenken bezüglich der Absichten der CDU. René Hobusch (FDP) sprach sich schließlich dafür aus, dass der Oberbürgermeister sich beim Städte- und Gemeindetag für die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Legalisierung einsetzen solle. Diesem Anliegen stimmte der Stadtrat nahezu einstimmig zu. Zuvor hatte OBM Jung erklärt: „Das tue ich bereits.“
Video der Debatte. Quelle Livestream der Ratsversammlung.
Der eigentliche Antrag erhielt von Linken, SPD und CDU überwiegend Ja-Stimmen. Die Grünen enthielten sich mehrheitlich, die AfD stimmte dagegen. Am Ende stand eine große Mehrheit dafür.
Am Rande der Sitzung sagte ein Stadtrat der L-IZ zu den Bedenken bezüglich der CDU-Urheberschaft, dass durch den Antrag die Landesdirektion als Rechtsaufsicht der Stadt eventuell die Möglichkeit erhalten könnte, den Antrag mit Verweis auf die nicht vorhandene Rechtslage zu kassieren und dadurch auch eine Handhabe bezüglich der bestehenden Verträge der Stadt mit den Wagenplätzen zu erhalten. Da dies nicht ausgeschlossen sei, habe er sich enthalten.
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