Man lernt ja immer was dazu. Man muss nur Fragen stellen. Was dann Ute Elisabeth Gabelmann, Stadträtin für die Piraten, im Februar auch tat, als die neuen Ideen von Oberbürgermeister Burkhard Jung zu einem Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal publik wurden. Sie hat jetzt Antwort vom Kulturdezernat bekommen. Das hat die etwas ironischen Fragen der Stadträtin durchaus ernst genommen.

Denn nicht nur dem gewöhnlichen Leipziger, der die Leipziger Innenstadt besucht, fällt natürlich auf, dass es eigentlich jede Menge Denkmäler und Erinnerungsorte für die Friedliche Revolution gibt. Das Gefühl, dass da etwas fehlen könnte, kommt nicht unbedingt auf. Eher so eine Frage, wie sie Ute Elisabeth Gabelmann umtrieb: „Welche Mindestanzahl an Denkmälern und Einrichtungen des Gedenkens (z. B. Infotafel-Rundgang, Freiheitsglocke, Nikolaisäule, Installation auf dem Nikolaikirchhof, Buslinie 89, Museum in der Runden Ecke, Lichterfest etc.) hält die Stadt Leipzig für notwendig?“

Insofern ist die Antwort schon erhellend. Leipzigs Verwaltung sieht das differenzierter.

„Bei den genannten Denkmalen, dem Stelenprojekt zur Friedlichen Revolution und der Säule auf dem Nikolaikirchhof handelt es sich um Objekte, die die Ereignisse im Herbst 1989 in Leipzig zum Inhalt haben. Das Zeitgeschichtliche Forum setzt sich mit deutscher Geschichte auseinander und widmet sich dem Thema Herbst 1989 teilweise. Die Frage nach einer Mindestzahl stellt sich nicht“, betont das Kulturdezernat.

Aber irgendwie findet Leipzigs Verwaltung es wichtig, dass Leipzig auch noch ein Denkmal von ganz großer Bedeutung bekommt. Bislang war immer von einem „Denkmal von nationaler Bedeutung“ die Rede. Jetzt heißt es: „Ein Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal hat den Anspruch europäischer Bedeutung. Ein solches Denkmal im Kontext der Friedlichen Revolution von 1989 ist in Leipzig noch nicht vorhanden.“

Aber der Widerspruch wird schon deutlich, wenn die Piraten-Stadträtin fragt: „Welche ergebnisoffene Standortdiskussion ist zu erwarten, wenn sich die Stadtverwaltung bereits mit einem Vorschlag positioniert hat?“

Aus der Antwort des Kulturdezernats: „Nach Beauftragung durch die Ratsversammlung lobte die Stadt Leipzig am 9. Oktober 2011 einen weltweiten internationalen Kunstwettbewerb für ein ‚Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal‘ aus. Als Standort wurde der Wilhelm-Leuschner-Platz bestimmt. Nachdem sich keiner der drei in dem Wettbewerb durch die Jury ausgewählten Preisträgerentwürfe im weiteren Verlauf durchsetzen konnte, wurde das Verfahren im Juli 2014 durch den Stadtrat ergebnislos beendet. Gleichzeitig beschloss die Ratsversammlung, dass die Stadt Leipzig an dem Ziel festhält, langfristig ein Zeichen für die deutschlandweite und internationale Bedeutung der Friedlichen Revolution in Leipzig im öffentlichen Raum zu setzen und zu gegebener Zeit einen neuen Verfahrensvorschlag unterbreitet, der in einem umfassenden Beteiligungsprozess erarbeitet wird.“

Alle oben aufgelisteten Denkmale beschäftigen sich mit der Friedlichen Revolution – nun soll also noch ein Denkmal dazukommen, das auch noch die „europäische Bedeutung“ der Friedlichen Revolution betont.

Genau so hat es die Ratsversammlung im Juli 2014 nach den Änderungsanträgen von CDU, SPD und Grünen beschlossen. Im Ursprungsantrag der Linken, mit dem der Wettbewerb beendet werden sollte, stand dieser Schmalz noch nicht.

Also geht es jetzt darum: „Die Stadt Leipzig hält an dem Ziel fest, langfristig ein Zeichen für die deutschlandweite und internationale Bedeutung der Friedlichen Revolution in Leipzig im öffentlichen Raum zu setzen.“

Man hat eigentlich allein bei dieser Vorgabe schon das dumme Gefühl, dass die Sache wieder schiefgeht, weil sich ein paar Leute wieder etwas ungemein Bedeutungsschwangeres wünschen. Dass das auch den OBM wieder auf die falsche Spur geschickt hat, war ja dann lesbar, als Burkhard Jung vorpreschte und gar den Matthäikirchhof als neuen Standort vorschlug.

Das nimmt das Kulturdezernat nur ganz vorsichtig zurück: „Der durch den Oberbürgermeister unterbreitete Vorschlag wird in die Diskussion einfließen. Es handelt sich nicht um eine Vorentscheidung.“

Und während eine Stadtratsmehrheit 2014 noch von einem Neustart des Denkmalwettbewerbs träumte, hatten die meisten Leipziger ihre Euphorie längst abgelegt.

Nach dieser Zustimmungsquote hat Ute Elisabeth Gabelmann ja auch noch einmal dezidiert gefragt.

Das Kulturdezernat kann sich dabei natürlich auf die Zahlen aus der Bürgerumfrage 2015 beziehen: „Im Rahmen der Kommunalen Bürgerumfrage 2015 erhielten die Leipzigerinnen und Leipziger die Möglichkeit, ihre Meinung auf die Frage ‚Wie wichtig wäre Ihnen ein Gedenkort/ein Denkmal im öffentlichen Raum zur Erinnerung an die Ereignisse der Friedlichen Revolution von 1989 in Leipzig?‘ zu äußern. Die Mittelwerte auf einer Skala von 1 = ‚sehr wichtig‘ bis 5 = ‚sehr unwichtig‘ bewegen sich über alle dargestellten Teilgruppen hinweg, mit leichten Abweichungen, im mittleren Bereich zwischen 2,8 und 3,3. Detaillierteren Aussagen zum Antwortverhalten kann man entnehmen, dass das Thema polarisiert. Demnach sehen 36 Prozent der Leipzigerinnen und Leipziger die Schaffung eines Gedenkortes für die Friedliche Revolution als ‚sehr wichtig‘ und ‚eher wichtig‘ an, 40 Prozent als ‚sehr unwichtig‘ und ‚eher unwichtig‘ und 22 Prozent antworten unentschieden. Eine leichte Mehrheit der Leipziger Bürgerschaft tendiert also dazu, einen Gedenkort oder ein Denkmal im öffentlichen Raum als eher nicht so wichtig zu erachten.“

Wobei zu betonen ist: Die Leipziger wurden NICHT gefragt, ob sie ein Freiheits- und Einheitsdenkmal wollen. Eine Frage, die die Leipziger Verwaltung meidet wie der Teufel das Weihwasser. Und sie wurden auch nicht gefragt, ob ihnen die Denkmale zur Friedlichen Revolution im jetzigen Bestand vielleicht schon genügen.

Und dann überzieht das Kulturdezernat, weil es etwas in die Frage hinein legt, was nicht drin stand: „Unterschiede im Antwortverhalten lassen sich jedoch hinsichtlich der einzelnen Teilgruppen unter- und miteinander ausmachen. So plädieren höher Verdienende, höher Gebildete und Erwerbstätige deutlicher als andere für die Schaffung/Errichtung eines nationalen Gedenkortes im öffentlichen Raum. Skeptischer sind Rentner/Pensionäre sowie Schüler/Studenten. Die Älteren möglicherweise, weil sie diese Zeit des Umbruchs als Teil der persönlichen Biografie erlebt haben und einen direkten Bezug herstellen. Die Schüler/ Studenten, eine Generation, die in der Regel zum Zeitpunkt des demokratischen Umbruchs noch nicht geboren oder erst später nach Leipzig zugezogen ist, argumentiert dadurch relativ unvoreingenommen. Von den Arbeitslosen schätzt etwa jeder Vierte einen Denkmalsort für wichtig ein. Allerdings ist der Anteil der Unentschiedenen unter ihnen vergleichsweise am höchsten.“

Es wurde nämlich nur nach der Wichtigkeit für die Befragten gefragt, nicht danach, ob sie für oder gegen die „Schaffung/Errichtung eines nationalen Gedenkortes im öffentlichen Raum“ sind.

Hätte das Amt für Statistik und Wahlen nämlich danach gefragt, dann hätte die Linke das bekommen, was sie 2014 beantragt hatte – und was die Stadtratsmehrheit abgelehnt hat: Eine richtige Bürgerbefragung, ob die Leipziger das Freiheits- und Einheitsdenkmal wollen oder nicht. Eigentlich das Allermindeste, was eine Stadt braucht, wenn sie guten Gewissens so ein Denkmal haben will.

Aber man traut sich nicht mal zu fragen. Und wo keiner fragt, muss auch keiner überzeugende Argumente vorbringen oder gar kämpfen für so ein Denkmal. Was das Mindeste ist, was man von allen Befürwortern dieser Idee verlangen kann.

Aber genau weil das so ist, beginnt die Sache wieder auf ein großes Debakel zuzulaufen.

Die Ratsfraktionen, die 2014 ihre Änderungsanträge eingebracht hatten, haben dann wieder auf das beliebte Instrument der Bürgerbeteiligung gesetzt. Irgendwie hoffen sie, dass sich die Begeisterung der Leipziger für so ein Denkmal vielleicht noch einstellt, wenn sie am Entstehungsprozess beteiligt werden.

Aber wie der aussehen soll, das weiß noch niemand.

Nur ganz vorsichtig verspricht das Kulturdezernat: „Das gemäß Ratsbeschluss vorzulegende Konzept für ein neues Verfahren für ein Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal wird den gewünschten breiten Beteiligungsprozess beinhalten. Es ist in Arbeit. Wann der Prozess startet kann noch nicht mitgeteilt werden.“

Immerhin hatte Burkhard Jung schon davon gesprochen, den 30. Jahrestag der Friedlichen Revolution als Ziel anzuvisieren. Das wäre 2019. Also praktisch gleich. Das passt alles nicht zusammen.

Die Antworten des Kulturdezernats auf die Fragen von Ute Elisabeth Gabelmann.

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