Wenn das Statistische Amt der Stadt Leipzig das melden würde, was die Stadt Dresden meldet, dann würde Sozialbürgermeister Thomas Fabian wahrscheinlich einfach ohnmächtig vom Stuhl kippen: „Die Spatzen pfeifen es seit Monaten von den Dächern der Geburtenkliniken – Rekorde kündigten sich an. Jetzt sind ein Plus von 332 Geburten gegenüber 2015 und der Nachwenderekord mit 8.542 Geburten in Dresden amtlich.“ Tatsächlich sind 8.542 Neugeborene gemeint. Aber trotzdem.

Über 8.000 Geburten? Leipzigs Kita-System würde zusammenbrechen.

6.873 Neugeborene meldete das Amt für Statistik und Wahlen der Stadt Leipzig für 2016, 251 mehr als 2015. Auch das so eine Art Rekord. Zumindest für die jüngere Zeit. Genug, um in der Stadtverwaltung die stille Verzweiflung am Kochen zu halten, die nun schon seit Jahren die Kita-Politik bestimmt. Man baut zwar fleißig immer neue Kindertagesstätten. Aber man holt die steigenden Kinderzahlen nicht ein. Statt einfach mal „fertig“ zu werden, stellt man am Jahresende fest, dass wieder zwei, drei zusätzliche Kindertagesstätten obendrauf kommen müssen.

Und dabei haben die letzten drei Jahre schon gezeigt, dass man nicht nur mit Geld verdammt knapp ist, mit Planungs- und Baukapazitäten. Nun fehlt es auch allerenden an Bauland. Nicht ganz zufällig. Das war schon 2005 absehbar, als bei den ersten Verantwortlichen der Groschen fiel, wie viele Schulen und Kindertagesstätten Leipzig brauchen würde, wenn der Bevölkerungszuwachs so weitergehen würde und die Kinderzahlen weiter so stiegen.

Es ist ja nicht so, dass Leipzigs Verwaltung blind im Nebel stochert. Das Amt für Statistik und Wahlen hat seine Kompetenz bei der Bevölkerungsvorausberechnung längst bewiesen. Man hätte die Prognosen ernst nehmen können und wirklich den prognostizierten Bedarf zur Planungsgrundlage machen können.

Das hat man lieber nicht. Was auch wieder verständlich ist: Eine Stadt, die nun seit über zehn Jahren mit Sparhaushalten arbeitet, hat keine Spielräume für Überkapazitäten (und es sitzen tatsächlich ein paar Leute im Stadtrat, die genau davor schon warnen, obwohl noch nicht einmal der Bedarf gedeckt ist). Das Sozialdezernat hat lieber konservativ geplant und die neuen Kapazitäten auf Grundlage der tatsächlich schon geborenen Kinder planen lassen.

Kann man machen. Wenn man Geld und flotte Baukapazitäten hat und Planungen in Windeseile fertig kriegt. Das alles hat Leipzig nicht.

Viele Bauprojekte verzögerten sich um Jahre oder wurden gar nicht erst angepackt. Das Ergebnis ist: Es reicht nicht ganz. Es wird sich weiter geärgert. Und nun kommt seit 2016 auch noch die Erkenntnis dazu, dass Leipzig nicht nur wächst und sich die Bauträger für den Wohnungsbau mit allem verfügbaren Bauland eingedeckt haben. Auf einmal stellt sich auch heraus, dass die Stadt zur Konsolidierung ihrer Haushalte viel zu viel städtischen Grund verkauft hat in den letzten Jahren. Oder da, wo sie Vorkaufsrecht hatte, einfach nicht gekauft hat. Haushaltskonsolidierung war wichtiger als die Vorsorge. Obwohl einige Fraktionen im Stadtrat nun seit drei Jahren mahnen, Leipzig müsse endlich wieder strategische Grundstückskäufe tätigen.

Im Doppelhaushalt 2017/2018 soll das nun endlich passieren.

Erstmalig hat die Stadtverwaltung im Rahmen des Doppelhaushaltes Mittel für den strategischen Grunderwerb eingestellt, im Jahr 2017 sind das 4 Millionen Euro und 2018 sogar 15 Millionen Euro.

Damit werde eine wichtige Forderung der SPD umgesetzt, kommt das positive Echo aus der SPD-Fraktion. Nur einen Haken hat die Sache: Diese Mittel stehen vorrangig für Schulen und technische Anlagen zur Verfügung, so dass sie für die Bedarfe im Bereich Kita nicht ausreichen werden.

Die SPD-Fraktion hat deshalb die Änderung eines Haushaltsantrags der CDU vorgeschlagen: 3 Millionen Euro sollen für das Jahr 2017 für Grunderwerb zusätzlich im Haushalt veranschlagt werden, mit Fokus auf den Erwerb von Grundstücken für Kindertagesstätten.

„Vor dem Hintergrund des weiterhin starken Zuzugs und der nach wie vor sehr hohen Geburtenraten müssen wir die Kita-Infrastruktur deutlich schneller ausbauen als bisher. Kurzfristig, also in den nächsten zwei Jahren benötigen wir 1.700 zusätzliche Betreuungsplätze zu den bereits geplanten 2.250 Plätzen. Das entspricht etwa zehn zusätzlichen Kindertagesstätten“, benennt SPD-Fraktionschef Christopher Zenker die Dimension dessen, was da ziemlich kurzfristig gebaut werden muss. „Für diese Kitas benötigen wir Grundstücke. Außerdem müssen die Grundstücke schnell überplant und bebaut werden. Unser Ziel ist, dass die zehn Kitas mit 1.700 Plätzen zusätzlich in den nächsten zwei Jahren in Fertigteil- bzw. Systembauweise errichtet werden.“

Gebäude, die in Systembauweise errichtet werden, werden in einem deutlich kürzeren Zeitraum erstellt als konventionell gebaute Häuser, auch bei Haltbarkeit sowie Wärmedämmung stehen sie diesen in der Regel in nichts nach, betont die SPD-Fraktion dazu.

„Gute Erfahrungen mit dem Bau in Systembauweise wurden bei Anbauten für mehrere Leipziger Schulen und auch mit Kitas bei freien Trägern gemacht“, erklärt Zenker. „Zwischen Spatenstich und Eröffnung lagen teilweise nur sechs Monate. Ein klarer Zeitvorteil gegenüber einer konventionellen Bauweise. Wir brauchen die Plätze, also müssen wir auf’s Tempo drücken.“

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