Dass Leipzigs Haushalt klamm ist, ist ja nichts Neues. Seit zehn Jahren wird er mit allen möglichen Sparmaßnahmen konsolidiert, gibt es Ausgabestopps und das Geld, das Leipzig von Bund und Land bekommt, reicht nicht mal für die dringendsten Aufgaben. Neu ist freilich, dass Haushaltsanträge der Fraktionen gleich in einem Abwasch abgelehnt werden. Auch so werden gewählte Parlamente entmachtet, kritisieren die Grünen.

Sie hatten sich extra hingesetzt und 36 Anträge zum geplanten Doppelhaushalt geschrieben, die eben nicht nur „grüne“ Themen aufgegriffen haben. Denn wenn es um Bildung, umweltgerechten Verkehr, Lärm- und Umweltschutz geht, sind alle Leipziger betroffen. Aber es sind auch alles Themen, die in den letzten Jahren völlig unterfinanziert waren, weil sie aus Sicht der Verwaltung immer als „weiche“ Themen galten. Mit den entsprechenden Stauproblemen, die mittlerweile das Leben in der Stadt belasten.

Die Grünen hatten – genauso wie SPD und Linke – entsprechende Finanzpuffer im Haushalt gesucht und auch gefunden. Sie haben aber wohl auch zu Recht vermutet, dass sie der Finanzbürgermeister ganz bewusst im Plan gelassen hatte, denn mittlerweile ploppen immer öfter völlig ungeplante Mehrausgaben während des Haushaltsjahres auf, die immer mehr zum Risiko werden. Mal sind es drastisch steigende Hilfen zur Erziehung, mal Unterbringungskosten für Asylsuchende, mal Baukosten von Schulen.

Da kommt sowieso noch eine heftige Diskussion auf den Stadtrat zu. Im Sommer war schon bekannt geworden, dass Leipzig das Jahr 2017 wohl mit ungeplanten 60 Millionen Euro im Minus abschließen werde. Die Kosten für die Unterbringung von Asylsuchenden steckten noch mit 32 Millionen Euro drin – und noch hofft auch OBM Burkhard Jung, dass er das Geld vom Freistaat erstattet bekommt, auch wenn sich die Landesregierung auf deutlich niedrigere Vergütungen für die Kommunen verständigt hat. Es ist die alte Schönrechnerei der Landesregierung, die die Kommunen immer nur knappest möglich ausfinanziert. Wenn aber schon aufgrund fehlender Leerstandspuffer, hoher Grundstückspreise und ausgelasteter Baukapazitäten die Unterbringungskosten in den Großstädten deutlich höher ausfallen, wird das eher ignoriert.

In Leipzig kam noch hinzu, dass die Stadt die Flüchtlinge lieber mit einem dichteren Betreuernetz versorgte, um den erwartbaren Konflikten in den zum Teil sehr großen Einrichtungen wenigstens ein wenig regulierend zuvorzukommen.

Aber die kleinen Einnahmepuffer in den Haushalten 2017/2018 will der OBM nicht einfach für Gestaltungsspielräume der Fraktionen hergeben.

So jedenfalls lesen sich die Verwaltungsmeinungen zu den Anträgen der Fraktionen, wie sie die Grünen seit dem 6. Dezember 2016 in der Hand haben. Die meisten Haushaltsanträge wurden mit dem geradezu ungnädigen Passus versehen:

„Der Änderungsantrag wurde inhaltlich intensiv geprüft und sorgfältig abgewogen. Dabei sah sich die Verwaltung der Herausforderung gegenüber, die Bedeutung der inhaltlichen Zielstellungen und die Leistungsfähigkeit des städtischen Haushaltes miteinander in Einklang zu bringen. Vor dem Hintergrund der unabdingbaren gemeinderechtlichen Erfordernisse muss es gemeinsames Ziel von Stadtrat und Verwaltung sein, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen. Aus diesem Grund kann dem Änderungsantrag nicht zugestimmt werden. Die benannte Deckungsquelle steht nicht zur Verfügung.“

Der Hinweis war deutlich: Der Puffer wird gebraucht. Denn schon im Jahr 2016 wird sichtbar, dass die Stadt Leipzig im laufenden Haushalt kaum noch Möglichkeiten hat, auf unvorhergesehene Ausgaben zu reagieren. Das Minus im laufenden Haushalt liegt mittlerweile bei 70 Millionen Euro.

Was aber ein Problem nicht löst: Wenn Haushalte nicht mehr von den Ratsfraktionen beeinflusst werden können, wird den gewählten Parlamenten ein wichtiges Gestaltungselement einfach entzogen.

Eigentlich ist die Verwaltungsmitteilung das offizielle Eingeständnis, dass Leipzig mit seinen Finanzen nicht mehr ausreicht.

Aus Sicht der Grünen zeugen diese Stellungnahmen von Missachtung nicht nur gegenüber den antragstellenden Stadtratsfraktionen, sondern auch gegenüber den Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, die fachlich-inhaltliche Stellungnahmen zu den Anträgen erarbeitet hatten. Die aber wurden nicht mitgeliefert, sondern augenscheinlich entfernt, so die Grünen.

Damit erreiche das Haushaltsverfahren eine völlig neue Qualität in der Zusammenarbeit zwischen dem Oberbürgermeister und dem Stadtrat, ziehen die Grünen ihr Fazit. „Das bisher praktizierte Verfahren wurde nicht nur verlassen – der Oberbürgermeister verabschiedet sich damit auch von den Prämissen seines eigenen Arbeitsprogramms. Er spricht damit dem Stadtrat faktisch das Hoheitsrecht der Haushaltsfassung ab.“

„Uns kommen Zweifel am Amtsverständnis des Oberbürgermeisters. Wie er sich hier der Haushaltsdiskussion verweigert, kommt einer Missachtung des Stadtrates gleich und dem Oberbürgermeister, als dem demokratisch gewählten Vertreter der Bürgerschaft, unwürdig!“, schätzt Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, ein. „Leipzig steht vor sehr großen Herausforderungen. Die Haushaltsanträge tragen dem starken Wachstum und der Zukunft einer lebens- und liebenswerten Stadt Rechnung – im Gegensatz zu dem verwaltungstechnischen Haushaltsentwurf, der uns vorgelegt wurde. Ganz offenkundig hat der Oberbürgermeister keine Vorstellung, wie die wachsende Stadt gestaltet werden soll. Er will sich dabei nicht einmal auf eine Diskussion mit dem Stadtrat einlassen.“

Und Norman Volger, die zweite Fraktionsspitze: „Für die bevorstehenden Abstimmungsgespräche zwischen den Fraktionen erwarten wir die Freigabe der inhaltlichen Stellungnahmen der Fachämter zu den Anträgen, die offenkundig aus den Verwaltungsstandpunkten entfernt wurden. Die Zuarbeit der Mitarbeitenden der Stadtverwaltung darf nicht für die Schublade gewesen sein. Für uns ehrenamtlich Tätige sind diese meist fundierten fachlichen Einschätzungen und Ergänzungen enorm wichtig!“

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