LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug aus Ausgabe 37Am 6. November fand eine kleine Premiere in der Galerie KUB statt. Eingeladen hatte Die Linke Leipzig, um mit interessierten Bürgern auch über die eigenen Mitglieder hinaus über das so entstehende Programm für die Bundestagswahl 2017 zu diskutieren. Mit dabei war auch Bernd Riexinger, Bundesvorsitzender der Partei Die Linke, welchen die LZ im Anschluss an das Beteiligungsformat nach seinen Erkenntnissen aus der Veranstaltung befragte.
LZ: Herr Riexinger, wir haben hier gerade ein neues Beteiligungsformat der Linken namens „Du hast was zu sagen“ für Ihr kommendes „Programm der Hoffnung“ zur Bundestagswahl 2017 erlebt. Sie haben hier den ganzen Tag Ideen mit Leipzigern debattiert, gab es für Sie wirklich Neues und welche Anregungen nehmen Sie mit?
Riexinger: Die Hauptthemen, die die Leute hier berichtet haben, waren immer gekoppelt mit ganz interessanten Geschichten aus ihrem Alltag. Zuerst einmal das ganze Thema Mieten und Wohnen. Die Mieterhöhungen sind für viele hier in Leipzig ein echtes Problem, auch für junge Leute. Gerade Studenten und Studentinnen haben ein Riesenproblem mit dem derzeitigen Wohnungsangebot.
Dabei wurde aber auch positiv hervorgehoben, dass es noch besser ist, wo städtisch, also öffentlich kontrolliertes Wohneigentum da ist. Da wird also durchaus mit den Mietern noch besser umgegangen.
Das zweite große Problem ist wohl die Gesundheitsversorgung. Menschen, die bereits so schon zu kämpfen haben, bekommen es mit viel zu langen Wartzeiten in den Facharztpraxen zu tun. Daneben fressen die Zuzahlungen gerade denen hier das Einkommen doch spürbar weg, die einfach so schon ein geringes Einkommen haben.
LZ: Ein großes Thema war hier auch das Thema Arbeit und alles, was damit zu tun hat. Also Rente, Lohn, Krankenkasse. Was ist Ihnen da besonders aufgefallen?
Riexinger: Es wird einfach immer offensichtlicher, dass gerade hier in Leipzig viele Leute darunter leiden, dass sie nicht unter Tarifverträge fallen und häufig unfreiwillig Teilzeit arbeiten müssen. Und dass der Bereich Leiharbeit immer weiter zunimmt. Nicht grundlos wurde hier auch ein Entsolidarisierungsprozess im Arbeitsprozess beschrieben und beklagt. Und dass es durch all das eben schwieriger ist, seine Rechte als Arbeitnehmer zu bekommen, also beispielsweise Betriebsräte zu gründen, wurde hier durch Berichte eindrucksvoll geschildert.
LZ: Auch über die Gesamtsituation wurde geredet – also die Lage der öffentlichen Kassen und Kommunen?
Ja und hier in Leipzig vor allem eben, womit die Stadt echt zu kämpfen hat. Dabei hat vor allem der öffentliche Nahverkehr eine große Rolle gespielt. Also ich habe wirklich viel mitbekommen aus dem Alltagsleben der Menschen hier in dieser Stadt, was eben Arbeit, Leben, Gesundheit, Rente und Löhne betrifft.
LZ: Unterscheiden sich die Leipziger Geschichten wirklich maßgeblich von den Themen, die Sie auf der jetzigen Programmtour für die Bundestagswahl 2017 woanders hören?
Riexinger: Es ist in vielen Bereichen, die ich genannt habe, ähnlich. Aber es gibt im Osten ein paar Probleme, die dazukommen. So herrscht einfach zum Teil größere Armut. Die Löhne sind oft noch niedriger als im Westen und die Tarifbindung ist einfach geringer. Aber wir haben leider auch im Westen immer mehr Regionen, die sich kaum noch vom Osten unterscheiden. Die haben sich in den letzten Jahren einfach ähnlich zu dem entwickelt, wie wir das hier im Osten erleben.
LZ: Ein Hauptthema war in der Veranstaltung immer wieder die Rente, also auch Armut im Alter heute und in Zukunft. Was schwebt der Linken auf Bundesebene für ein Konzept vor bei diesem nicht erst seit kurzem zum Megathema gewordenen Bereich?
Riexinger: Genau das ist es – ein Megathema. Was hier nun noch hinzugekommen ist, dass wir auch viele Soloselbstständige haben, auch heute hier in der Veranstaltung, die ein sehr geringes Einkommen haben. Da steht die Frage im Raum, wie die überhaupt vorsorgen und zu einer Altersrente kommen sollen, von der sie irgendwie vernünftig leben können? Sie können einfach nichts einzahlen, da sie so wenig verdienen. Das ist aber ein spezielles Problem, an dem wir arbeiten müssen.
Zum Konzept. Wir haben 1.050 Euro Mindestrente bislang im Programm, das ist die sogenannte Armutsgrenze aktuell, unter die kein Mensch fallen soll. Dann sagen wir, dass die Rentenabsenkungen nicht nur gestoppt, sondern wieder zurück auf 53 % geführt werden müssen. Das ist aber nur die Rentengrundsicherung. Dazu wollen wir das Renteneintrittsalter wieder auf 65 Jahre und die Erwerbsminderungsrenten müssen wieder erhöht und stark verbessert werden.
Das Problem, über welches wir bei unserem Konzept, welches von allen Parteien das Weitestgehende ist, noch nachdenken müssen, dass man mit 55 % bei Einkommen von 1.500 bis 2.500 Euro Bruttoverdienst auch noch nicht auf der sicheren Seite ist.
LZ: Damit wären wir wohlmeinend in etwa beim durchschnittlichen Lohnniveau in Leipzig.
Riexinger: Genau. Und diese würden selbst bei 45 Jahren Arbeit nicht auf ein Niveau kommen, was über die 1.050 Euro Mindestrente hinausgeht. Deshalb haben wir uns jetzt das österreichische Modell angesehen, welches ein Rentengrundsicherungsniveau von 70 bis 80 Prozent hat. Und wo die durchschnittlichen Renten für Frauen, die bei uns durchschnittlich gerade einmal auf 560 Euro kommen, in Österreich doppelt so hoch sind.
LZ: Die Österreicher scheinen es besser zu können und das Land steht noch?
Riexinger: Ja, Österreich steht noch. Die haben einfach zwei Dinge gemacht, die wir auch dringend umsetzen müssen. Die haben bei der Parität darauf geachtet, dass die Kapitalseite mehr zahlt als die lohnabhängige Seite. Und sie haben eine Erwerbstätigenversicherung, in die auch die Beamten, Selbstständigen usw. einzahlen. Und das führt ja ganz offensichtlich dazu, dass es geht, vernünftige Renten zu erwirtschaften.
LZ: Letzte Frage, ein Blick nach 2017, Bundespolitik. Mit wem glauben Sie ernsthaft solche Ideen und Ziele, die Sie auch heute hier gehört haben, umsetzen zu können? Und wo sind die thematisch roten Linien für Die Linke beim derzeit so oft diskutierten Rot-Rot-Grün?
Riexinger: Das werden wir genau so machen wie immer. Dass wir sagen, was wir wollen und was für uns maßgebliche Politikwechsel sind. Das sind armutsfeste Renten, Löhne, von denen man leben kann und ein Programm gegen unsichere Lebensverhältnisse.
Und Themen, die auch hier auf der Veranstaltung Themen waren: Mehr Personal in der Pflege, Gesundheitsbetreuung, Erziehung. Und mehr Investitionen in die Kommunen und in die öffentliche Infrastruktur.
Um all das finanzieren zu können, muss man umverteilen und an die Einkommen der Reichen und Superreichen dieser Gesellschaft heran. Und nicht zuletzt wollen wir eine aktive Friedenspolitik erreichen. All das sind unsere Angebote an die anderen Parteien und dafür sind wir sozusagen zu haben. Drunter geben wir uns nicht her.
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