Nicht nur im Sächsischen Landtag, auch im Leipziger Stadtrat geht der Kampf um den Doppelhaushalt 2017/2018 nun in die heiße Phase. Der Finanzbürgermeister hat vorgelegt und für 2017/2018 „Rekordhaushalte“ von 1,7 Milliarden Euro pro Jahr vorgestellt. Rekord heißt aber nicht, dass es wirklich mehr zum Ausgeben gibt. Eine harte Nuss für die Ratsfraktionen, da noch Spielräume für eigene Ideen zu finden.

Die Grünen-Fraktion hat am Donnerstag, 3. November, das vorgestellt, was aus ihrer Sicht unbedingt noch Platz finden muss in den beiden 1.300 Seiten dicken Haushaltsplänen. Ein kleines Lob gab es dabei auch für Finanzbürgermeister Torsten Bonew. „Das ist ein grundsolider Haushalt“, sagt Norman Volger, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Genau das, was man von einer ordentlichen Verwaltung erwarten konnte. Das Aber folgt sogleich: „Aber er gestaltet nicht.“

Was eigentlich nicht an den Finanzbürgermeister gerichtet sein kann, sondern eigentlich dem OBM gilt. Denn auch wenn Leipzig so wunderbar wächst, dass es die Herzen aller Akteure höher schlagen lässt: Eine wirklich nachvollziehbare städtische Strategie steckt nicht dahinter. Kann auch nicht dahinter stecken. Seit Jahren kämpft sich die Stadt mit knappest bemessenen Haushalten durch etwas, was man in vernünftigeren Zeiten eine Dauerkrise nennen würde. Jahr um Jahr verhängt der Finanzbürgermeister eine Haushaltssperre, um ein Überschreiten des Finanzlimits am Jahresende möglichst zu verhindern. Da bleiben beschlossene Projekte auf der Strecke, werden in Folgejahre verschoben.

Man hat sich an die Lage in den vergangenen zehn Jahren so gewöhnt, dass selbst die meisten Stadträte vergessen haben, woran es liegt, dass Leipzig auf keinem einzigen Handlungsfeld wirklich einmal seine Ziele erreicht. Bei Kindertagesstätten ist es allen offenkundig, beim Straßenbau ist der Milliardenstau allen bekannt, beim Schulbau bekommen jetzt auch die naivsten Träumer mit, dass es immer am nötigen Investitionsgeld hängt, dass man Schulen nicht rechtzeitig ans Netz bekommt.

Ob Leipzig überhaupt die Mittel findet, das 300-Millionen-Schulbauprogramm bis 2020 umzusetzen, steht völlig in den Sternen. Aber eindeutig hat OBM Burkhard Jung hier einen Schwerpunkt gesetzt.

Mehr zukunftsfähige Stadt

Dafür bleiben andere Themen wieder liegen, Themen, die die Grünen alle unter der großen Klammer einer zukunftsfähigen Stadt fassen.

60 Einzelanträge haben sie dazu zum Doppelhaushalt 2017/2018 geschrieben. Sauber unterlegt mit Finanzierungsvorschlägen. „Einsparvorschläge“ haben sie drüber geschrieben, obwohl es keine sind. Denn wenn die Stadt weiter wächst und auch die Wirtschaft weiter wächst und die Zahl der Arbeitsplätze, dann steigen ziemlich zwangsläufig auch die Steuereinnahmen der Stadt. Ein paar hat Finanzbürgermeister Torsten Bonew berücksichtigt, ein paar aber lieber ganz konservativ heruntergerechnet. Vielleicht, vermutet Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft, weil er lieber ein paar Puffer hat, wenn unterjährig wieder völlig unerwartete Kostensteigerungen aufploppen. Sie versteht ihn ja. Jeder Finanzbürgermeister geht auf Nummer sicher, wenn er kann.

Spielräume von über 10 Millionen Euro

Trotzdem sehen die Grünen allein bei den Gewerbesteuern Spielräume von 5 Millionen Euro im Jahr 2017 und 8 Millionen im Folgejahr. Bei der Grundsteuer gibt es auch noch Spielräume von vielleicht 3 Millionen Euro. Die Kosten der Unterkunft werden wohl sinken, wenn die Zahl der Bedarfsgemeinschaften weiter sinkt. Derzeit liegt sie bei etwas über 39.000. Geplant hat Bonew mit 40.000. Das Jobcenter rechnet mit 38.500. Das entlastet die Stadt vor allem bei den Kosten der Unterkunft, wo die Grünen ein Abschmelzen von 3,6 bzw. 7,1 Millionen Euro sehen.

Am Ende beantragen sie mehr „Einsparungen“, als sie für ihre eigenen Projektanträge brauchen.

Und zukunftsfähige Stadt: Das ist unter anderem eine Stadt mit umweltfreundlicher Mobilität. Für 2018 beantragen die Grünen deshalb 3 Millionen Euro mehr für die LVB. Das Investitionsprogramm für Radwege soll in beiden Haushaltsjahren um 400.000 Euro auf jeweils 1,2 Millionen Euro aufgestockt werden.

Warum nicht mehr? Mit dieser Flickschusterei bekommt Leipzig erst in 100 Jahren ein belastbar gutes Radwegenetz. „Wir haben mit unseren Anträgen auch darauf Acht gegeben, dass wir die Verwaltung nicht überlasten“, sagt Volger. „Es nutzt nichts, lauter Anträge durchzubringen, die dann vom Planungsamt gar nicht umgesetzt werden können.“

Altes, lautes Pflaster: die Riebeckbrücke. Foto: Ralf Julke
Altes, lautes Pflaster: die Riebeckbrücke. Foto: Ralf Julke

Ein Pflasterstraßenprogramm für Leipzig

Aber man kann ja an vielen Stellen das Umdenken beantragen. Mit 1 Million Euro wollen die Grünen in Leipzig endlich ein Pflasterstraßenprogramm auf den Weg bringen. In fast allen Stadtteilen gibt es noch diese uralten, völlig schief gefahrenen Pflasterstraßen. Aktuelles Beispiel ist die Riebeckstraße im Verlauf der Riebeckbrücke – ein lautes Pflaster, für Radfahrer aber auch ein halsbrecherisches Pflaster. Da könnte man anfangen, sagt Volger.

Und wenn man schon mit Verkehr anfängt, landet man schnell beim nächsten großen Thema, das Leipzig einfach nicht gebacken kriegt: das Klimaschutzprogramm. Noch immer reißt Leipzig Jahr für Jahr die Grenzwerte für SO2. Die Umweltzone bleibt ein heißes Eisen. „Und es liegt ganz bestimmt auch nicht in unserem Interesse, dass es hier Fahrverbote gibt“, so Volger.

Also beantragen die Grünen wieder 1 Million Euro pro Jahr, damit die von der Stadt versprochenen 1.000 neuen Straßenbäume auch gepflanzt werden können. Für das ganze Thema Luftreinhaltung beantragen sie eine zusätzliche Vollzeitstelle. „Das ist eine Pflichtaufgabe“, sagt Volger. „Da kann die Stadt nicht riskieren, dass diese Stelle nicht besetzt ist.“

Und auch die Innenstadt taucht wieder im Fokus auf. „Eigentlich ein uraltes Thema“, sagt Katharina Krefft. Diesmal steht das Salzgässchen im Mittelpunkt, das nach dem 2. Weltkrieg so aufgeweitet wurde, dass es heute eine große kahle Platzfläche am Alten Rathaus ist. Hier beantragen die Grünen nun für 30.000 Euro einen Projektentwurf mit Sitzgelegenheiten und Bäumen wie in der Reichsstraße. 100.000 Euro mehr soll es für mehr Sitzgelegenheiten in der Innenstadt geben. Mehr Geld soll es auch für Spielplätze geben. „Eigentlich etwas Selbstverständliches in einer wachsenden Stadt“, sagt Nicole Lakowa, die finanzpolitische Sprecherin der Fraktion. Die Sozialarbeit soll mit 100.000 Euro genauso gestärkt werden wie die Arbeit der Vereine, wo die Stadt gern vergisst, dass es so etwas wie Inflation gibt.

Das Thema Bürgerstadt rückt ebenso immer stärker in den Fokus. Denn wie organisiert man eine Stadtgesellschaft, damit die Bürger wirklich Anlaufpunkte haben? Für Dölitz, Lößnig und Dösen machen die Grünen den Vorschlag, hier gemeinwohlorientierte Stadtteilzentren zu schaffen, wo Ortsvereine, Senioren, Jugendliche und alle anderen, die im Ortsteil aktiv sind, Büros und Anlaufstellen bekommen können. 100.000 Euro könnten für die Einrichtung dieser Stadtteilzentren ein Anfang sein.

Die insgesamt 60 Anträge der Grünen beziffern sich auf 9 bzw. 10 Millionen Euro. Da würden sogar noch 1 und 5 Millionen Euro übrig bleiben, verglichen mit den „Einsparungen“, betont Lakowa. Aber Leipzig würde ein kleines Stück nachhaltiger werden. Nicht genug, um wirklich die Weichen zu einer nachhaltigen Stadt zu stellen, das schafft man mit derart knapp bemessenen Haushalten nicht.

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