Wie macht man ein Rathaus wirklich barrierefrei? Das war ja ursprünglich die Frage hinter einer Sammlung von Forderungen, die die Leipziger Behindertenverbände am 7. Mai an die Leipziger Verwaltungsspitze übergaben. Darin ging es um Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden im Allgemeinen und im Neuen Rathaus im Besonderen. Der CDU-Stadtrat Konrad Riedel machte daraus einen Antrag, den die Verwaltung kurzerhand ablehnte.
Weil es schon Verwaltungshandeln sei, erklärte das Dezernat Stadtentwicklung und Bau. Im Text erfuhr man dann, dass mit Handeln derzeit nicht allzu viel sei. Es fehle an Geld, um alle vorgeschlagenen Maßnahmen auch nur irgendwie zeitnah umsetzen zu können. Aber das wusste Konrad Riedel ja schon vorher. Seine Fraktion hatte ja schon angefragt und als Antwort bekommen, dass vor allem Geldmangel und Denkmalschutz an der Umsetzung hindern.
„Ob jedoch gesetzliche Denkmalschutzbestimmungen ein verbrieftes Menschenrecht wie die Barrierefreiheit aushebeln können, ist fraglich“, stellte Riedel fest. „Im Übrigen beinhaltet Barrierefreiheit nicht nur die baulichen Anliegen, sondern auch Kommunikation und Information: Internet-Auftritt (sollte durch die Deutsche Blindenbücherei schon längst zertifiziert sein), Leichte Sprache, Gebärdensprache, Blindenleitsysteme (Fahrstuhl, Zimmerbeschriftung, Brailleschrift). Es ist für mich unverständlich, dass in Leipzig Jahre nach Unterzeichnung der UN-Menschenrechtskonvention zur Barrierefreiheit und der Unterzeichnung des Abkommens von Barcelona zur barrierefreien Stadt (Ratsbeschluss bereits in den 1990er Jahren) immer wieder Betroffene auf diese Probleme aufmerksam machen müssen und die Baubürgermeisterin dann mit Hinhalteargumenten antwortet. Es gibt im Übrigen genügend Beispiele, dass selbst in den letzten Jahren entstandene Neubauten nicht den gesetzlichen Regelungen der Barrierefreiheit entsprechen.“
Umso mehr ärgerte er sich nun wahrscheinlich über die neuerliche Antwort der Stadtverwaltung.
Stellung nahmen am Montag dann auch lieber zwei ruhige Kollegen aus der Seniorenunion, deren Vorsitzender Riedel ist: Dr. Johannes Hähle und Dr. Karl Placht, die sich freilich beide entsetzt zeigen „über die sture Haltung der Stadtverwaltung zur Umsetzung des Menschenrechts Barrierefreiheit in der Stadt Leipzig.“
Dass der Antrag mit dem Verweis, dies sei bereits „Verwaltungshandeln“, abgelehnt wurde, finden sie schon ein bisschen frech. Denn es stehen ja nicht einmal Umsetzungs- und Zeitpläne in der Antwort, nur ein vager Hinweis, die Homepage der Stadt solle irgendwann in nächster Zeit barrierefrei werden.
Für Dr. Johannes Hähle, selbst lange Jahre Stadtrat für die CDU und Mitglied des Seniorenbeirats, besteht bezüglich dieses gesetzlichen Anspruchs dringender Handlungsbedarf.
„Die Verwaltung jedoch führt die üblichen Ablehnungsgründe Denkmalschutz und finanziellen Aufwand an – ein Hohn für alle Betroffenen, obwohl auch gesetzlich im Denkmalschutz die Barrierefreiheit Vorrang hat“, sagt er.
Pflichtaufgaben seien nicht mit Geldmangel abzutun, wenn gleichzeitig für freiwillige Aufgaben Millionen eingesetzt werden, mahnt Dr. Karl Placht.
„Die Stadtverwaltung nimmt ihre gesetzliche Verantwortung bezüglich der Barrierefreiheit nicht ernst”, sagt er, verweist in diesem Zusammenhang aber nur auf die Genehmigungen für nicht barrierefreie Haltestellen wie zum Beispiel Leutzscher Rathaus, Georg-Schumann-Straße, Springerstraße. Was eher in die Irre führt, denn alles sind provisorische Haltestellen, die zusätzlich und ohne zusätzlichen Bauaufwand im Netz der LVB eingerichtet wurden – für den Bau wirklich barrierefreier neuer Haltestellen fehle das Geld, hatten auch die LVB betont. Dafür hängen sie zwingendermaßen an den Fördertröpfen des Freistaats. Und wie üppig gefüllt diese sind, müsste man auch bei der Senioren-Union wissen. Irgendwann, wenn Fördergelder dafür da seien, werde man die Haltestellen auch barrierefrei machen, betonen die LVB und verweisen immer wieder auf die neue Haltestelle am Diakonissenhaus, wo gleich mehrere Anlieger mitgeholfen haben, die barrierefreie Haltestelle zu finanzieren.
War also wirklich das falsche Beispiel, das Karl Placht hier genannt hat. Oder der falsche Adressat.
Anders sieht es mit der Reaktion der Stadt auf Anfrage an den OBM im Juni zur Barrierefreiheit aus. Sie zeige, so Placht, dass man sich in der Stadtverwaltung nicht ernsthaft mit diesem Thema beschäftige. „Diese Ablehnung des Antrags unseres Vorsitzenden ist nicht hinnehmbar!“
Klüger wäre wirklich eine klare Auflistung gewesen, welche Maßnahmen wann für welches Geld umsetzbar sind. Die allgemeine Ablehnung zeigt tatsächlich eher, dass man das Thema längst wieder in die Ablage gesteckt hatte. Das hätte auch dem Stadtrat eine Handhabung gegeben, welche Gelder zur Verfügung gestellt werden müssen, damit das Neue Rathaus für alle Besucher barrierefrei wird.
Die Antwort des Planungsdezernats auf den Antrag von Konrad Riedel.
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Da bleibt nur die Hoffnung auf einen langen Winter, irre viel Schnee, beißende Kälte, vereiste Gehwege und zahlreiche Stürze unter den zahlreichen Stadträtinnen- und -Räten.
“Nur persönliche Erleben ermöglicht persönliches Verstehen” – sagte Immanuel Kant.
Dieser Gleichgültigkeit des Leipziger Stadtrates hilft wahrlich nur schmerzliche Realität auf die Sprünge.