Was da am Mittwoch, 26. Oktober, im Leipziger Stadtrat geschah, ist wohl ein typischer Fall für die Art, wie Leipzigs Verwaltung derzeit versucht, Beschlüsse durch die Gremien zu bringen: Die Vorlagen werden möglichst kurzfristig ins Verfahren gegeben. Die Zeit für generelle Abstimmungen in den Fachausschüssen reicht nicht aus. Und dann werden unausgegorene Vorlagen im Stadtrat selbst abgelehnt – so wie die zur geplanten Schwimmhalle im Leipziger Osten.

Eigentlich war sich die Stadtratsmehrheit sogar einig, dass der Standort direkt an der Eisenbahnstraße ideal ist: zentral gelegen, mit Straßenbahn gut erschlossen, gut gelegen für fünf Schulen im Einzugsbereich.

Und dann stimmten die Grünen doch dagegen. Dass man sich in den Fachausschüssen Sport, Stadtentwicklung und Bau und Umwelt und Ordnung eben doch nicht auf die generellen Punkte hatte einigen können, hatte SPD-Stadtrat Sebastian Walther in seiner Rede in der Ratsversammlung schon angesprochen: „Noch kurz zum Änderungsantrag der Grünen: Im Grunde genommen unterscheidet sich die darin vorgeschlagene Variante 1 von unserem Antrag dadurch, dass hier verschiedene Prüfkriterien konkretisiert worden sind. Die Variante 2, eine Tieferlegung der Halle ist aus unserer Sicht nicht zielführend und würde auch unsere Zustimmung nicht bekommen. Auch ein Architekturwettbewerb dürfte bei einem solchen Bau, wenn er denn multifunktional und mehrgeschossig ist, zum Standardprozedere der Verwaltung gehören.“

Da haben SPD und Linke, die sich mit ihrem Antrag eigentlich einig waren, wohl nicht aufgepasst: Die Grünen waren zwar bei der Standortfrage mit ihnen einer Meinung, hatten aber prinzipielle Kritik an der Vorlage. Diesmal ließen sie sich auf einen Kompromiss nicht ein. Wenn in den Fachausschüssen keine Einigung erzielt werden kann, muss die Verwaltung nachsitzen.

Dass man die Chance vergeigt hat, stellt im Nachhinein auch Adam Bednarsky, der sportpolitische Sprecher der Linksfraktion fest: „Ich bin in dieser Angelegenheit äußerst selbstkritisch. Wir haben es gemeinsam verpasst, etwaige Verstimmungen bei der Standortfrage und den baulichen Rahmenbedingungen in einem demokratischen Diskurs vor der Abstimmung in der Ratsversammlung aus dem Wege zu räumen. Was jetzt passiert ist, hätte niemals passieren dürfen. Wir müssen uns bei denen entschuldigen, die jetzt länger auf einen schul- und wohnortnahen Schwimmunterricht und ein verbessertes Angebot des Schwimmens im Verein warten müssen. Das hat der Stadtrat verbockt.“

Sichtlich sauer nach der Abstimmung zur Schwimmhalle Runki-Plaatz. OBM Burkhard Jung. Foto: L-IZ.de
Sichtlich sauer nach der Abstimmung zur Schwimmhalle Runki-Plaatz. OBM Burkhard Jung. Foto: L-IZ.de

Worum es geht, versucht Tim Elschner, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, zu erklären: „Die Stadt Leipzig kann sich keine zweite Causa Gohliser Straße leisten, wo auf einer riesigen und belebten Grünfläche eine eingeschossige Kita errichtet wurde, die den gesamten Platz in Anspruch nimmt, statt sie mehrgeschossig zu bauen. Monofunktionale Eingeschosser auf öffentlichen Grünflächen entsprechen in keinster Weise den Anforderungen an eine zeitgemäße Stadtentwicklung. Wir sind der Auffassung, dass der Schwimmhallenneubau auf der Fläche des Otto-Runki-Platzes kein bloßer Zweck- und Funktionsbau sein darf und haben frühzeitig zum Ausdruck gebracht, unser ‚JA‘ zum Standort davon abhängig zu machen, dass insbesondere die zwei von uns vorgeschlagenen Bau-Varianten ziel- und ergebnisorientiert vertiefend geprüft werden!“

Um eine möglichst effiziente Platznutzung im Sinne eines flächensparenden Bauens zu erreichen, könnten sich die Grünen durchaus die Integration der Schwimmhalle in einen mehrgeschossigen Mehrzweckbau in Kombination mit anderer, insbesondere sozialer Infrastruktur vorstellen.

„Wir wollen, dass die Unterbringung auch anderer Sport- und Wellnessangebote oder auch die Unterbringung sozialer Infrastruktur – wie Kita, Bildungs- und Kultureinrichtungen, Arztpraxen – sowie Wohnen bei einem mehrgeschossigen Bau geprüft wird! Eine extensive Dachbegrünung mit zum Beispiel auch einer Dachterrasse ist für uns bei dieser Variante gesetzt! Andererseits ist für die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen auch der Bau einer tieferliegenden Schwimmhalle mit begehbarem Rasendach vorstellbar“, betont Elschner. „Durch ein begehbares Rasendach könnte so eine vielfältig nutzbare öffentliche Grünfläche mit Aufenthaltsqualität für Spielen, Verweilen und Erholen weitgehend erhalten bleiben!“

Nur hatte die Stadtverwaltung keine Lust – oder wohl eher keine Zeit – die Vorlage noch einmal zu überarbeiten. Erst am 8. September hatte man die Vorlage ins Verfahren gebracht. Es grenzt schon an Blauäugigkeit, dann schon anderthalb Monate später eine Zustimmung des Stadtrates haben zu wollen, ohne wichtige Kritikpunkte überhaupt zu überarbeiten. Das ist nicht der erste Fall dieser Art, wohl aber der erste, bei dem die Grünen nicht mehr mitspielen.

Zog bereits in einer Erklärung im Stadtrat die Reißleine für seine Fraktion: Michael Schmidt (Grüne, vr.). Foto: L-IZ.de
Zog bereits in einer Erklärung im Stadtrat die Reißleine für seine Fraktion: Michael Schmidt (Grüne, vr.). Foto: L-IZ.de

Tim Elschner: „Die gestrige Debatte hat bedauerlicherweise deutlich die Verweigerungshaltung des Oberbürgermeisters gegenüber unseren Forderungen nach einer Suche nach zukunftsgerichteten und innovativen Lösungen zum Ausdruck gebracht, in deren Ergebnis der Verwaltungsvorschlag vom Stadtrat abgelehnt wurde.“

Und Michael Schmidt, sportpolitischer Sprecher der Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Unsere Fraktion war Initiator für den damaligen Stadtratsbeschluss zum Bau einer Schwimmhalle im Leipziger Osten bis 2020. Dazu stehen wir! Im Gegensatz zur CDU-Fraktion, die den gestrigen Verwaltungsvorschlag ebenso ablehnte, steht unsere Fraktion zur Festlegung auf den Otto-Runki-Platz als augenscheinlich einziges verfügbares und geeignetes Grundstück im Leipziger Osten. Der Standort ist gerade sozialräumlich sehr gut geeignet, die Themen Wohnen, Schule, Kita und Sport mit bester Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr miteinander zu verknüpfen. Mit einer reinen Standortentscheidung ist es jedoch nicht getan.“

Er hätte auch sagen können: Das ist echte Platzverschwendung in einer Stadt, die verzweifelt nach Bauflächen für soziale Infrastruktur sucht.

Aber irgendwie versickert diese Erkenntnis bei städtischen Planungen immer wieder. Michael Schmidt: „Wir fordern den Oberbürgermeister gestern wie heute dazu auf, seine Rolle als Gesellschafter wahrzunehmen und mit den kommunalen Unternehmen ein kooperatives Bauprojekt von Schwimmhalle und anderen Nutzungen ergebnisoffen zu prüfen, damit der Schwimmhallenneubau auf der Fläche des Otto-Runki-Platzes nach Möglichkeit kein bloßer Zweck- und Funktionsbau wird.“

Die Debatte im Stadtrat zum Nachhören

 

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