LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug aus der Ausgabe 36In den vergangenen Jahren machte die Leipziger SPD immer wieder mit internen Auseinandersetzungen Schlagzeilen. Auch im Anschluss an den jüngsten Stadtparteitag im September gab es öffentlich geäußerte Kritik. Im Fokus stand unter anderem der mit gut 60 Prozent Zustimmung erneut zum Vorsitzenden des Stadtverbandes gewählte Hassan Soilihi Mzé. Im Gespräch mit der Leipziger Zeitung äußert sich der gebürtige Zwickauer zu den Auseinandersetzungen, den Zielen des Stadtverbandes und dem kommenden Bundestagswahlkampf.
LZ: Der jüngste Stadtparteitag liegt nur wenige Wochen zurück. Mit welchen Themen und Problemen muss sich die Leipziger SPD in den kommenden Jahren befassen?
H. S. Mzé: Wir hatten bereits im Juni einen Themenparteitag zu dem Komplex Integration, Flucht und Zuwanderung, um hierfür praktische Konzepte zu finden. Dieses Thema ist nicht abgeschlossen, spielte aber auf dem Stadtparteitag keine große Rolle. Leipzig ist eine wachsende Stadt. Wir werden uns mit Kita-, Schul- und Wohnraummangel befassen müssen.
Damit verbunden ist die Entwicklung des öffentlichen Verkehrs. Hier gibt es gerade eine spannende Diskussion darüber, welche Rolle die Innenstadt für Individualverkehr, Transport und Logistik spielt.
LZ: Vor zwei Jahren fand der Parteitag vor dem Hintergrund des Streits um die Gülenbewegung und tiefsitzender Konflikte zwischen den Flügeln statt. Lief es in diesem Jahr etwas harmonischer ab?
H. S. Mzé: Parteitage müssen keine Harmonieveranstaltungen sein. Fester Bestandteil ist immer eine Aussprache. Wie scharf diese geführt werden muss, ist eine Frage des persönlichen Stils. Wer sich für eine Partei engagiert, muss nicht am Eingang seine Meinung und seinen Standpunkt abgeben. Man muss aber nicht alle Probleme nach draußen tragen. Für mich und einen großen Teil der Delegierten und Anwesenden war es ein guter Parteitag.
LZ: Als Vorsitzender des Stadtverbandes kommt Ihnen auch eine moderierende Rolle zu. Bei welchen Themen gibt es zwischen den Flügeln der Leipziger SPD derzeit die größten Meinungsverschiedenheiten?
H. S. Mzé: Ich möchte niemanden in irgendeine Schublade einsortieren. Gehört jemand zum „rechten“ Flügel, weil er Wirtschaftsthemen aufgreift, und zum „linken“, weil er sich für Soziales interessiert? Für mich ist entscheidend, dass die Personen konstruktive Kritik vorbringen. Die innerparteilichen Probleme entstehen vor allem durch persönliche Animositäten.
LZ: Direkt im Anschluss an den Parteitag äußerten sich vor allem Vertreter des linken Flügels in den Sozialen Medien zu Beschlüssen und Abläufen. War das aus Ihrer Sicht konstruktiv?
H. S. Mzé: Es ist vielleicht nicht so hilfreich mit Blick auf Menschen außerhalb der SPD, bei denen der Eindruck entstehen könnte, dass die Partei total zerstritten ist. Das Problem hatten wir auch schon bei der Berichterstattung über die angebliche islamistische Unterwanderung und die anschließend wabernden Gerüchte. Da entstand der Eindruck, dass die SPD in Leipzig nicht mehr arbeitsfähig sei. Das ist sie aber.
LZ: Ein Teil der Kritik zielte darauf ab, dass sich die Leipziger SPD nicht mehr ausreichend für die Interessen der Arbeitnehmer interessiere. Warum sollte diese Personengruppe die SPD wählen?
H. S. Mzé: In einer Pressemitteilung der Arbeitnehmervertretung wurde behauptet, dass es im alten wie im neuen Stadtvorstand keine gewerkschaftlich organisierten Menschen gäbe. Diese Aussage ist falsch. Zudem ist die SPD eine Volkspartei und deshalb nicht nur für Arbeitnehmer da, sondern auch für die Menschen, die Arbeitsplätze schaffen. Der Erfolg der Partei liegt in einem ideologiefreien Mix.
Nur weil jemand nicht in einem Betriebsrat oder in einer Gewerkschaft tätig ist, heißt das nicht, dass man nicht zu bestimmten Problemlagen aussagefähig ist. Im aktuellen SPD-Vorstand haben wir keinen Leiharbeiter. Trotzdem können wir etwas zur prekären Situation dieser Menschen sagen.
LZ: Kritisiert wurde von einigen auch, dass Sie sich jetzt noch nicht auf eine Wunschkoalition für die Bundestagswahl festlegen möchten. Warum nicht?
H. S. Mzé: Eine solche Festlegung käme schlicht zur Unzeit. Wir können im Moment nicht vorhersagen, wo die SPD landen wird und ob wir bis dahin unser Verhältnis zur Linkspartei klären können. Wir haben noch nicht einmal einen Spitzenkandidaten oder ein fertiges Wahlprogramm.
Wir wissen auch noch nicht, wie sich Grüne oder Linke dazu positionieren werden. Die SPD Leipzig ist für diese Diskussionen nicht zuständig.
LZ: Die AfD hat sich mittlerweile im deutschen Parteienspektrum etabliert. Inwiefern wird sich der Wahlkampf für die kommende Bundestagswahl von den bisherigen unterscheiden?
H. S. Mzé: Schaut man sich die jüngsten Landtagswahlkämpfe an, dann zeigt sich, dass der Ton rauer wird. Das sieht man auch schon in den anderen Parteien. Die CDU versucht mit einem Rechtsruck zu reagieren. So könnte man womöglich auch die Äußerungen von Bettina Kudla verstehen, auch wenn das nicht typisch für die CDU ist.
Es entstehen Lager auf der linken und rechten Seite. Der dadurch entstehende Platz in der Mitte bleibt unbesetzt. Bei den letzten Landtagswahlen hat es eine höhere Wahlbeteiligung gegeben. Davon profitiert vor allem die AfD.
LZ: Was wollen Sie persönlich als Vorsitzender der Leipziger SPD in den kommenden Jahren erreichen?
H. S. Mzé: Wir haben vor zwei Jahren damit begonnen, die SPD wieder stärker kommunalpolitisch auszurichten. Das heißt nicht, dass wir uns nur noch mit der Absenkung von Bordsteinen in der Innenstadt beschäftigen wollen, sondern vor Ort Lösungen für große Problemlagen anbieten.
Wir müssen uns fragen, was die großen Herausforderungen wie Flüchtlinge oder Freihandelsabkommen für die Stadt bedeuten. Welche Auswirkungen haben beispielsweise CETA und TTIP auf die kommunale Daseinsvorsorge? Wir müssen die großen Themen herunterbrechen und auf lokaler Ebene verständlich machen.
Dieser Artikel erschien am 21.10.16 in der aktuellen Ausgabe 36 der LEIPZIGER ZEITUNG. An dieser Stelle zum Nachlesen auch für L-IZ.de-Leser. Dieses und weitere Themen finden sich in der aktuellen LZ-Ausgabe, welche neben den normalen Leipziger Presseshops hier im Szeneverkauf zu kaufen ist.
Staatsversagen in Sachsen, Armut in Leipzig, pralles Leben in Plagwitz, Reudnitz und Connewitz
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