Der Wahlkampf fรผr die Bundestagswahl im kommenden Jahr hat begonnen โ zumindest in Leipzig. Den Anfang machte am 8. Oktober die FDP, die auf einer Wahlkreisversammlung ihre beiden Direktkandidaten aufstellte. Am heutigen 22. Oktober zieht nun die CDU nach. Die Vorzeichen sind dabei im Vergleich zum letzten Wahlkampf 2013 deutlich verรคndert.
Bei den Leipziger Liberalen ist bei den Kandidaten zur Bundestagswahl 2017 bereits alles geklรคrt. Im Norden Leipzigs wird erneut Marcus Viefeld an den Start gehen. Der freiberufliche Webentwickler ist seit anderthalb Jahren Kreisvorsitzender in Leipzig und war bereits bei vergangenen Bundestagswahlen angetreten. Sein Ergebnis orientierte sich dabei stark am Gesamtabschneiden der Liberalen im Bund: Konnte Viefeld im Jahr 2009 noch fast zehn Prozent der Stimmen fรผr sich verbuchen, waren es vier Jahre spรคter nur noch 1,7 Prozent. Selbst die Kandidaten von NPD und Piraten holten damals fast doppelt so viele Stimmen.
Im sรผdlichen Wahlkreis mรถchte erstmals der Rechtsanwalt Friedrich Vosberg sein Glรผck versuchen. 2013 war dort Holger Krahmer angetreten, ein langjรคhriges Mitglied des Europaparlaments und Viefelds Vorgรคnger als Vorsitzender des Leipziger Kreisverbandes. Im Anschluss an die Wahlkreisversammlung gab Viefeld bereits ein erstes kรคmpferisches Statement ab: โFriedrich und ich werden die Leipziger im Bundestag vertreten, wie sie sind. Als selbstbewusste, solidarische, engagierte und unternehmerische Menschen.โ Zuvor hatte er sich gegen einen Mitbewerber durchsetzen mรผssen: den 21-jรคhrigen Maximilian Kรถnig von den Jungen Liberalen.
In den anderen Parteien stehen noch vor dem Jahreswechsel ebenfalls einige Entscheidungen an: CDU und AfD wollen ihre Direktkandidaten Ende Oktober aufstellen, wobei die Christdemokraten am heutigen 22. vorlegen und die AfD am 30. Oktober nachziehen wird. Die SPD wird Mitte November folgen, nur Linke und Grรผne wollen sich bis Anfang 2017 dafรผr Zeit lassen.
Spannung bei den Christdemokraten
Mit besonderer Spannung wird die Mitgliederversammlung der Leipziger CDU erwartet. Wรคhrend im Sรผden die erneute Nominierung des Bundestagsabgeordneten Thomas Feist als sicher gilt, droht seiner Parlamentskollegin Bettina Kudla im Norden das Ende der politischen Karriere innerhalb ihrer Partei. Beide waren 2009 in den Bundestag eingezogen und konnten ihr Mandat vier Jahre spรคter verteidigen. Kudla erreichte dabei 40 Prozent, allerdings mit einer gesamtdeutschen CDU im Aufwind gestรคrkt.
Doch die jรผngsten รuรerungen auf Twitter kรถnnten ihr nun zum Verhรคngnis werden. Erst beleidigte sie den tรผrkischen Journalisten Can Dรผndar, anschlieรend warnte sie vor einer โUmvolkungโ Deutschlands โ und verwendete somit einen Begriff der Nationalsozialisten. Zahlreiche Parteikollegen, darunter Thomas Feist, gingen anschlieรend auf Distanz. Mittlerweile soll sich Kudla zwar bei Dรผndar entschuldigt haben, doch auf Presseanfragen antwortet die gebรผrtige Mรผnchnerin lieber gar nicht mehr. Die Twitterbeitrรคge hat sie stillschweigend gelรถscht.
Die Gunst der Stunde wollen nun zwei Mitglieder der Stadtratsfraktion nutzen: der 26-jรคhrige Student Michael Weickert und der 48-jรคhrige Erzieher Jens Lehmann. Letzterer hatte sich bereits 2005 um ein Bundestagsmandat beworben. Die Mitglieder der Leipziger CDU stehen nun vor der Entscheidung, ob sie eine Kandidatin, die 2013 mit mehr als 16 Prozent Vorsprung das Direktmandat gewonnen hat, sich gleichzeitig aber rhetorisch schon lรคnger der AfD annรคhert, erneut ins Rennen schicken wollen.
Denn Kudla hatte schon vor ihren Eintrรคgen auf Twitter fรผr Schlagzeilen gesorgt, etwa als sie als einzige Bundestagsabgeordnete gegen die Anerkennung des Vรถlkermordes in Armenien stimmte. Anfang des Jahres distanzierte sich Kudla zudem von einer Lichterkette gegen Legida, da deren Ziele nicht mit jenen der Bundesregierung in Einklang stรคnden. Zudem erklรคrte sie, weder von parteiรผbergreifenden Aufrufen noch von der Beteiligung von Politikern an Demonstrationen etwas zu halten.
Bei den vergangenen beiden Bundestagswahlen profitierte die CDU in Leipzig stets davon, dass sich insbesondere Linke und SPD, aber auch die Grรผnen gegenseitig die Stimmen wegnahmen โ so vor allem Wolfgang Tiefensee und Mike Nagler im Sรผden sowie Daniela Kolbe und Barbara Hรถll im Norden. Die Parteien des Mitte-Links-Lagers kamen stets auf 50 bis teils 60 Prozent der Stimmen, verteilten diese jedoch auf mindestens drei Kandidaten. Die CDU wiederum griff fast alle Stimmen des Mitte-Rechts-Lagers ab und profitierte insbesondere 2013 von der Schwรคche der FDP.
Die AfD wird die Arithmetik verschieben
Dies dรผrfte sich jedoch bei der kommenden Bundestagswahl รคndern, da nun auch die AfD eigene Kandidaten ins Rennen schicken mรถchte. Bei der Wahl 2013 hatte sie fรผnf, beziehungsweise sechs Prozent der Zweitstimmen geholt. Betrachtet man die Entwicklung der Partei, dรผrfte das Wรคhlerpotential mittlerweile noch hรถher liegen. Ein Direktkandidat der AfD kรถnnte nach derzeitigem Stand wohl auf fรผnf bis zehn Prozent der Stimmen hoffen. Sollten diese am Ende vor allem der CDU fehlen, wรคre in beiden Wahlkreisen mehr Spannung zu erwarten, zumal auch die FDP mit einem stรคrkeren Ergebnis als vor drei Jahren rechnen darf.
Auch dass Linke und SPD sich gegenseitig neutralisieren, ist kein Naturgesetz. Gut mรถglich, dass der Kandidat einer der beiden Parteien diesmal deutlich mehr Wรคhler einsammelt als der andere. Zur Erinnerung: Von 1998 bis 2005 konnten mit Gunter Weiรgerber und Rainer Fornahl zwei SPD-Kandidaten dreimal das Direktmandat erringen. Und die Linke gab bei den letzten Wahlen vermehrt Wรคhler auch an die AfD ab.
Auf Bundesebene kรผndigt sich ein interessanter Wahlkampf an
2013 war die FDP erstmals aus dem Parlament geflogen und die AfD nur knapp am Einzug gescheitert. Zusammen mit den sonstigen Parteien waren somit fast 15 Prozent der abgegebenen Stimmen nicht in einer im Parlament vertretenen Partei manifestiert. Dort wiederum bilden Union und SPD seitdem eine Koalition, die etwa 80 Prozent der Sitze einnimmt โ รผbrig bleibt eine Miniopposition aus Linken und Grรผnen mit stark eingeschrรคnkten Mรถglichkeiten.
Wรคhrend sich FDP und AfD also um den erstmaligen, beziehungsweise erneuten Einzug in den Bundestag bemรผhen, haben die sogenannten Volksparteien mit erheblichen Verlusten zu kรคmpfen. Laut aktueller Umfragen kรคme die SPD nicht einmal auf 25 Prozent und die Union nur auf etwas mehr als 30. Grรผne, Linke und AfD streiten sich mit jeweils etwas mehr als zehn Prozent um den dritten Rang.
Insbesondere die kรผnftige Regierungsbildung dรผrfte jetzt schon Kopfzerbrechen bereiten. Die AfD ist trotz vereinzelter Stimmen aus der CDU Sachsen fรผr keine der รผbrigen Parteien eine Alternative fรผr eine Koalition. Die FDP mรถchte sich โ so erwarten es zumindest politische Beobachter โ nach vier Jahren Abwesenheit erst einmal in der Opposition konsolidieren. Die Linkspartei kรคme nur fรผr eine rot-rot-grรผne Regierung in Betracht. Dass eine solche bereits 2017 denkbar wรคre, erschien lange Zeit fragwรผrdig. Mittlerweile mehren sich jedoch die Stimmen, die fรผr ein solches Bรผndnis plรคdieren. Allerdings wรผrde es Rot-Rot-Grรผn derzeit an einer rechnerischen Mehrheit fehlen.
Auch eine schwarz-grรผne Regierung kรคme wegen der Schwรคche der Union, die im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 etwa zehn Prozent verlieren kรถnnte, im Moment nicht infrage. Sollten AfD und FDP in den Bundestag einziehen, scheint es derzeit erneut auf eine Groรe Koalition hinauszulaufen โ eine Lรถsung, auf die in Deutschland viele eigentlich gerne verzichten wรผrden.
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Erklรคrung hin, Beispiel her โ aber drei (3!) CDU Plakate, das muss nicht sein!!!