Klimakommune wollen viele deutsche Städte werden. Doch die meisten scheitern daran, ihren Treibgasausstoß zu senken. Jahrelang ging das ganz gut. Da wurden Kohleöfen rausgeschmissen, Fernwärme und Gasheizungen ausgebaut. Doch seit ein paar Jahren ist der Wurm drin. Werden keine neuen Erfolge vermeldet. Dresden schickte am Montag, 10. Oktober, eine Warnung in die Welt: Seit 2003 stagniert der Prozess. Trotz aller Anstrengungen.
Am Montag hat die sächsische Landeshauptstadt ihre Treibhausgasbilanz für das Jahr 2014 vorgelegt. Demnach stagnierte von 2003 bis 2014 der CO2-Ausstoß pro Einwohner bei rund 10 Tonnen pro Jahr. 10 Tonnen? Heizen die denn mit Kohle? Selbst Leipzig, das sich mit der Senkung des CO2-Ausstoßes so schwertut, liegt doch bei 6,6 Tonnen? Das ist zumindest der Wert für 2011, jünger sind die Leipziger Daten nicht, sonst würden wohl einige Akteure sogar erschrecken über den Stand der „Klimakommune“ Leipzig. Der Wert lag übrigens auch höher als der 2008 errechnete (5,5 Tonnen).
Leipzigs Umweltdezernat versucht zwar, den Zensus 2011 für diese deutliche Veränderung verantwortlich zu machen. Aber damit hat es am Allerwenigsten zu tun. Einerseits gab es eine methodische Änderung, die vor allem auch den Flugverkehr endlich anteilig mit in die Leipziger Berechnung einbezog. Andererseits schlägt sich zwangsläufig auch das höhere Aufkommen aus wachsender Wirtschaftstätigkeit und damit auch aus höherem Verkehrsaufkommen nieder.
Aber warum liegt Dresden dann bei 10 Tonnen?
Anders als Leipzig rechnen die Dresdner alle Treibhausgasemissionen mit ein. Und dazu gehören neben dem Kohlendioxid auch Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (Lachgas, N2O) und Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW). Gerade die Stickstoffoxide entstehen ebenfalls im Verkehr. Wenn das Verkehrsaufkommen wächst, wächst auch dieser Ausstoß. Diese Treibhausgase werden dann in CO2-Äquivalente umgerechnet und kommen also obendrauf.
Ab 2005 hieß die Zielmarke im Klima-Bündnis und damit auch für Dresden: 10 Prozent Verminderung der emittierten Treibhausgase in einem Zeitraum von jeweils fünf Jahren. (Leipzig tut so, als ob sich das nur aufs CO2 bezieht.)
Aber es gelingt einfach nicht. Und damit ist Dresden nicht die einzige Stadt im Klimabündnis, die bei der Reduktion der Treibhausgase nicht vorankommt. „Die Pro-Kopf-Emissionen lagen im Jahr 2010 bei 9,8 Tonnen, womit es erstmals seit 2005 wieder gelang, diese zu reduzieren.“
Am Montag nun stellte man ziemlich enttäuscht fest, dass die bisherigen Maßnahmen einfach nicht greifen. Oder schlicht ihr Ziel verfehlen. In Leipzig ist man zu diesem Eingeständnis noch lange nicht bereit.
„Dieser ‚Kassensturz‘ im Klimaschutz ist wichtig, um bewerten zu können, wo wir stehen. Die Zahlen von 2014 können nicht zufriedenstellen. Sie sind eine Herausforderung und legen zugleich die Potenziale von Dresden offen“, erklärt Dresdens Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen. „Im Klimaschutzabkommen von Paris haben wir vereinbart, Klimaschutz voranzutreiben, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern. Für uns in Dresden geht es also nicht um die Frage, ob wir unsere Ziele erreichen, sondern wie wir unsere Anstrengungen beschleunigen können. Die Energiewende ist im Kern eine Verkehrswende, eine Stromwende und eine Wärmewende. Klimaschutz ist Aufgabe der gesamten Stadtverwaltung.“
Und sie benennt einen zentralen Arbeitspunkt, der auch in Leipzig immer wieder ignoriert wird: Man schafft keine spürbaren Reduktionen, wenn man nicht tatsächlich die umweltfreundlichen Verkehrsarten stärkt, eine echte „Stadt der kurzen Wege“ schafft und Energie aus erneuerbaren Quellen deutlich bevorzugt. Das Motto kann tatsächlich nur lauten: Raus aus den fossilen Energieträgern. Kohle und Erdöl treiben auch in Dresden die Werte hoch.
Dresdens Umweltamtsleiter Dr. Christian Korndörfer erläutert die Ursachen des stagnierenden CO2-Ausstoßes so: „Bis 2014 gelang keine ausreichende Entkopplung von wirtschaftlicher Leistung der Stadt und CO2-Ausstoß. Zugleich ist der Kohlestromanteil im deutschen Strommix angestiegen und die CO2-Emmissionen sind auch bei privaten Haushalten und öffentlichen Einrichtungen konstant geblieben. Die Entwicklung der Energie- und CO2-Preise erschwert viele Maßnahmen.“
Die Maßnahmen des 2013 vom Dresdner Stadtrat beschlossenen Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzeptes konnten im Jahr 2014 noch nicht wirken, stellt denn das Dresdner Rathaus fest.
„Künftig müssten pro Jahr 3 bis 4 Prozent CO2 eingespart werden, um das Dresdner Ziel von sechs Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr und Einwohner im Jahr 2030 zu erreichen“, rechnet Korndörfer vor. Bisher sei man von einer notwendigen Reduktion von zwei Prozent jährlich ausgegangen.
Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen hat extra einen Klimaschutzstab in ihrem Büro eingerichtet und das Thema zum Schwerpunkt im Geschäftsbereich Umwelt und Kommunalwirtschaft gemacht.
„Dresdens Klimaschutzkonzept nennt über 50 verschiedene Maßnahmen in den Bereichen Wärme, Strom und Verkehr, die sich an die Unternehmen der Stadt, Gebäudeeigentümer, die Wirtschaft, die Einwohnerinnen und Einwohner und die Stadtverwaltung selbst richten. Nur durch aktives und koordiniertes Handeln aller Dresdnerinnen und Dresdner kann die Klimaschutzstrategie umgesetzt werden. Hier müssen alle schalten und umschalten, denn mit unserem Handeln vor Ort beeinflussen wir das Klima weltweit“, erklärt die Leiterin des Klimaschutzstabes Ina Helzig. Helfen können dabei der Ausbau und die Flexibilisierung des Dresdner Fernwärmenetzes, die Förderung von Bus, Bahn, Radverkehr und Elektromobilität sowie die Umstellung auf Erneuerbare Energien.
Wo die deutschen Großstädte eigentlich hin müssen, zeigt der Vergleich: Maximal 2,5 Tonnen CO2-Äquivalent pro Einwohner sind das Maß der Dinge, wenn die Erdatmosphäre nicht immer weiter aufgeheizt werden soll.
Da reicht auch nicht allein der Blick auf die Großstädte, denn die CO2-Bilanz der Kohlekraftwerke vor ihren Stadtgrenzen haben sie beide nicht mit in der Rechnung – Dresden nicht und Leipzig auch nicht.
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