Als Kurt Masur am 19. Dezember 2015 mit 88 Jahren in Greenwich (Connecticut, USA) verstarb, ging ohne Zweifel eine Ära zu Ende. Über 27 Jahre lang hatte er als Leipziger Gewandhauskapellmeister die lokale Kulturlandschaft geprägt und auch politisch während der Friedlichen Revolution einige Berühmtheit erlangt. Nun drückte die Leipziger CDU aufs Tempo – nach ihrem Willen sollte bis zu seinem ersten Todestag die Umbenennung einer Straße oder eines Platzes unter Dach und Fach kommen. Bevorzugt wurde das Areal zwischen Gewandhaus, Moritzbastei und Universität.
Kurt Masur habe sich um Leipzig verdient gemacht und Leipzig verdanke ihm das Gewandhaus, das ohne sein beharrliches Engagement nicht vorstellbar gewesen wäre, so CDU-Stadträtin Andrea Niermann am 24. August im Stadtrat. Ein Verwaltungsstandpunkt vom Juni 2016 reichte ihr nicht aus. Demnach sollte eine Umbenennung zum 18. Juli 2017 erfolgen – an diesem Tag würde Kurt Masur 90 Jahre alt. Dass bei der Erarbeitung eines Vorschlags externe Kulturexperten mitwirken, könne sie nicht nachvollziehen: „Warum wissen die das besser als wir Leipziger? Hat der Kulturausschuss nicht auch noch ein Wörtchen mitzureden?“ Masur sei eine prominente Künstlerpersönlichkeit, die eine Würdigung an entsprechender Stelle verdient habe, und man solle nicht zu lange warten.
Jörg Kühne (AfD) schlug in eine ähnliche Kerbe. „Eine Umbenennung ist mehr als geboten“, sagte er und erinnerte an Masurs Beteiligung am Aufruf der „Leipziger Sechs“ zur Gewaltfreiheit am 9. Oktober 1989. Eine Nähe Masurs zum SED-Staat, wie von Kritikern zuweilen moniert, wiegelte er ab: „Wie hätte er den Bau des Gewandhauses ohne Nähe zur SED durchsetzen sollen?“ Die ablehnende Position der Stadtverwaltung zur Straßen- oder Platzbenennung nach Masur nannte Kühne „nicht nachvollziehbar“.
Seltsam nur, dass es die offenbar nie gegeben hat. Entsprechend konterte OBM Burkhard Jung (SPD): „Nur dass keine Legenden entstehen: Wir sind nicht dagegen, wir sind nur dagegen, darüber im Stadtrat zu befinden.“ Schließlich sei man ohnehin auf dem Weg zu einer Umbenennung. „Ich sehe, unsere Texte werden nicht gelesen“, sagte das Stadtoberhaupt in Richtung AfD.
Am Schluss schaltete sich auch Siegfried Schlegel (Linke) in die Debatte ein. „Natürlich hat sich Kurt Masur für den Neubau eingesetzt“, stellte er klar. Unter hörbaren Protestrufen rückte er den Bau des Gewandhauses jedoch in einen größeren Kontext, sei doch der Wiederaufbau der Semperoper in Dresden und der Umbau des Berliner Schauspielhauses etwa zeitgleich beschlossen worden. „Da müssen Sie sich exakt mit der Geschichte auseinandersetzen“, hielt Schlegel seinen Kollegen vor.
„Es gibt keinen Grund, dass wir uns in der Sache streiten“, versuchte Jung zu beschwichtigen.
Am Ende beschloss der Stadtrat mit deutlicher Mehrheit, am Verwaltungsstandpunkt festzuhalten. Damit bleibt es beim 18. Juli 2017 als Stichtermin für eine Ehrung Masurs.
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