Mit einem erstaunlichen Vorstoß preschte am 16. Juni ausgerechnet die LVZ vor: „Sommer ohne Spontanpartys? Stadt Leipzig hält Grillplätze für ungeeignet“ titelte sie in ihrer Online-Ausgabe und brach tatsächlich eine Lanze für die sonst von ihr sehr misstrauisch beäugten Spontanpartys im Leipziger Grün. Man bezog sich auf eine skeptische Stellungnahme der Verwaltung, ob die fünf neuen Grillplätze für Open-Air-Partys geeignet wären.
„Entsprechend dem Ratsbeschluss haben wir fünf zusätzliche Standorte ausgewählt“, betonte damals Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. „Die zusätzlichen Möglichkeiten zum Brutzeln in den Grünanlagen Rosental, Lene-Voigt-Park, Rabet, Erholungspark Lößnig-Dölitz und im Friedenspark werden vom Amt für Stadtgrün und Gewässer zunächst getestet. Ende des Jahres wird eine Einschätzung getroffen, die Aussagen über eventuelle Veränderungen der Standorte und deren Ausstattung beinhaltet.“
Beantragt hatte es 2015 die SPD-Fraktion. Im Antrag, der genau so im Dezember 2015 beschlossen wurde, stand auch: „Die Stadt prüft weiter, ob die öffentlichen Grillplätze auch für sogenannte Spontanpartys geeignet sind. Hierzu soll dem Stadtrat eine Empfehlung der Verwaltung bis zum I. Quartal 2016 vorgelegt werden, worin auf geeignete Standorte, vereinfachte Reglungen zur Anmeldung der Partys und Erfahrungen aus anderen Kommunen, wie Halle/Saale, dargestellt werden. (…) Spontanpartys sind vor allem unter jüngeren Leipzigern beliebt. Meist nehmen an den Partys zwischen 50 – 300 Personen teil. Um die Spontanpartys aus der Illegalität herauszuholen, soll die Stadtverwaltung prüfen, ob wie in Halle/Saale, auch die Nutzung von öffentlichen Grillplätzen für die Partys geeignet sind.“
Die Stellungnahme der Verwaltung dazu hatte es schon im November gegeben. Das ist also nicht neu. Damals hieß es: „Die ausgewiesenen öffentlichen Grillplätze wurden aufgrund der Vorschriften des SächsWaldG festgelegt. Flächen für Spontan-Partys unterliegen weitergehenden Rahmenbedingungen. – Bereits im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Antrages Nr. V/F 119/14 zum Thema „Freiflächen für Kultur- und Partyveranstaltungen“ der Fraktion Die Linke vom 27.03.2014 wurden Standortvorschläge überprüft. Im Ergebnis dessen war keiner für Spontan-Partys geeignet. Dies hatte insbesondere immissionsschutz- sowie naturschutzrechtliche Gründe. Daher ist auch eine Verknüpfung mit der Einrichtung zusätzlicher Grillplätze nicht zielführend.“
Daran hat sich nichts geändert. Das Problem sind schlicht die Lautstärken solcher Partys, die eben nicht mehr – „wie früher“ – mit einer Kofferheule auskommen, sondern mit ziemlich leistungsstarken Verstärkeranlagen beschallt werden. Auch wenn sie spontan sind, erreichen sie problemlos die Lautstärke normaler Open-Air-Konzerte.
Entsprechend sauer reagierte Stadträtin Juliane Nagel, die sich unter anderem mit der Initiative Global Space Odyssey über Jahre für die Ermöglichung solcher Open-Air-Veranstaltungen eingesetzt hat: „Leipzig kommt nicht aus den Puschen und verweigert sich weiter der Realität vor allem junger Menschen in dieser Stadt. Nichtkommerziell orientierte Open-Air-Veranstaltungen gibt es in jedem Jahr, wenn die Temperaturen steigen. Sie finden mit oder vielmehr ohne die aufwendige und zum Teil kostenintensive Anmeldeprozedur statt. Allein die Suche nach offiziell als geeignet klassifizierten Plätzen ist aufwendig und fast hoffnungslos“, benennt sie das eigentliche Grundproblem.
Denn Grundbedingung des verfügbaren Ortes ist nun einmal, dass damit weder gegen die Lärmschutzauflagen in bewohnten Stadtgebieten verstoßen wird, noch gegen Naturschutzauflagen. Schöne Plätze, wo man auf die Art im Freien feiern könnte, gibt es genug. Aber fast alle haben mit den genannten Einschränkungen zu tun. Die fünf neuen Grillplätze übrigens auch.
„Mir ist nicht verständlich, warum die Stadtverwaltung nicht über ihren bürokratischen Schatten springen und ein zweckgebundenes vereinfachtes Verfahren zulassen kann“, meint Juliane Nagel. „In der Stadt Halle sind laut städtischer Verordnung acht Plätze für Spontanpartys für bis zu 500 TeilnehmerInnen zugelassen. An allen Orten darf die Lautstärke nicht 103 dB überschreiten. Dies einzuhalten, dafür müssen die VeranstalterInnen selbst Sorge tragen. Zudem darf es keine Gewinnabsicht und Getränkestände geben. Eine Anmeldung für die Spontanpartys ist nicht nötig, sie müssen jedoch mindestens 24 Stunden vorher angezeigt werden.“
Im Grunde ist es die schon 2014 von ihr selbst im Stadtrat vorgebrachte Frage: „Welche Entwicklungen gab es auf dem Weg zur Einrichtung von Freiflächen für Kulturveranstaltungen? Welche Flächen wurden mit welchem Ergebnis geprüft? Welche Verwaltungs- und Nutzungsbedingungen wurden erörtert? Gab es Gespräche mit der Initiative Global Space Odyssey, die bereits vor mehreren Jahren ein Konzept für diesen Zweck vorgelegt hat?“
Die Antwort seinerzeit war entsprechend niederschmetternd. Von 15 vorgeschlagenen Standorten hielt die Verwaltung nur einen bedingt als machbar – das war ausgerechnet das Gelände am Lindenauer Hafen, vorgeschlagen wurde auch noch der ziemlich abgelegene Park-und-Ride-Platz Neue Messe. Von einem eigenen städtischen Versuch – wie in Halle – entsprechende Flächen von sich aus vorzuschlagen, die nicht unbedingt am Ende der Welt liegen, ist aus der Antwort nichts zu erkennen.
Logisch, dass Juliane Nagel das alles ziemlich unersprießlich findet: „Die Stadt Leipzig rühmt sich mit kultureller Vielfalt, Selbstinitiative und Lebendigkeit. Ein liberaler Umgang mit solchen, bei jüngeren Leuten beliebten, Veranstaltungen wäre mehr als angebracht und würde das proklamierte Image untermauern. Stattdessen werden diese unkonventionellen kulturellen Begegnungen nun weiter reglementiert und in die Grauzone gedrängt. Das steht der Stadt nicht gut zu Gesicht.“
Eigentlich gibt es nicht mehr Reglementierungen. Aber unübersehbar ist, dass der Wille, akzeptierte Lösungen zu finden, nicht allzu ausgeprägt ist.
Aber zumindest hat sich die Zahl der offiziellen Grillstandorte seit Mai erhöht, nachdem Leipzigs Grünflächenbewahrer akzeptiert haben, dass es eigentlich kein Mittel gibt gegen das zuweilen sehr chaotische Grillen auf Wiesen und in Parks. Es ist nun einmal nicht verboten. Und wird wohl auch künftig nicht aus dem Leipziger Sommerleben verschwinden.
In eigener Sache
Jetzt bis 8. Juli für 49,50 Euro im Jahr die L-IZ.de & die LEIPZIGER ZEITUNG zusammen abonnieren, Prämien, wie zB. T-Shirts von den „Hooligans Gegen Satzbau“, Schwarwels neues Karikaturenbuch & den Film „Leipzig von oben“ oder den Krimi „Trauma“ aus dem fhl Verlag abstauben. Einige Argumente, um Unterstützer von lokalem Journalismus zu werden, gibt es hier.
Keine Kommentare bisher