Bereits am gestrigen Abend hagelte es, wenig überraschend, von einigen CDU-Stadträten, eine gehörige Portion Häme im Netz. Zielrichtung der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, welcher als Leiter der Abstimmung eine korrekte Wahl der neuen Kulturdezernentin Dr. Skadi Jennicke erst bestätigt, dann in Zweifel ziehen musste. Und seit heute Nachmittag steht nun endgültig fest: Alle müssen noch mal ran, die Wahl des oder vielleicht besser der neuen Kulturdezernentin am 18. Mai 2016 war nicht rechtsgültig. Die mit 41 Stimmen siegreiche Linken-Rätin Dr. Skadi Jennicke hätte nicht an die Wahlurne treten dürfen.
Was dann wohl 40 Ja-Stimmen für ihre Kandidatur gemacht hätte, wenn man davon ausgeht, dass Skadi Jennicke sich selbst gewählt hat. Ein Ergebnis, welches sie bereits im ersten Wahlgang mit großem Abstand zu den 23 Stimmen für Mitbewerber Dr. Matthias Theodor Vogt (CDU) auf den Kulturdezernentenposten hob und wohl auch heben wird. Blumen, Dankesrede und mündliche Bestätigung der Wahl in der Sitzung durch den Oberbürgermeister inklusive.
Doch schon in der Sitzungspause raschelten Papiere, es wurde eifrig getwittert, stand man länger zusammen und debattierte. Die CDU-Fraktion hatte darauf aufmerksam gemacht, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Der OBM räumte anschließend ein, dass er nun die Rechtslage nochmals in Rücksprache mit der Landesdirektion Leipzig prüfen werde. Die Linksfraktion argumentierte, dass man auf Nachfrage beim Büro für Ratsangelegenheiten (BfR) die Auskunft erhalten hätte, dass die Stadträtin Skadi Jennicke mitwählen dürfe.
Offenkundig eine falsche Auskunft, glaubt man den Ausführungen von Linken-Fraktionschef Sören Pellmann. Noch am Abend listete CDU-Rat Ansbert Maciejewski im Netz auf, was aus seiner Sicht alles gegen die Wahlberechtigung der Linken-Rätin gesprochen hatte. Und traf eine weitere bemerkenswerte Aussage: „Der Oberbürgermeister wurde schriftlich im Vorfeld auf den Befangenheitstatbestand hingewiesen.“, so Maciejewski auf seinem Blog.
Weiterhin machte er auf die bislang gelebte Praxis aufmerksam: „Herr Stadtrat Bonew hat an seiner Wahl zum Finanzbürgermeister nicht teilgenommen mit Verweis auf §20 SächsGemO.“ Und auch „Herr Stadtrat Fabian hat an seiner ersten Wahl zum Sozialbürgermeister nicht teilgenommen mit Verweis auf §20 SächsGemO.“ Seine Schlussfolgerung am Abend des 18. Mai: „Der Beschluss des Stadtrates ist offensichtlich rechtswidrig.“
Heute, am 19. Mai nun ist die Wahl endgültig zur Posse verkommen, denn sie muss tatsächlich wiederholt werden. Natürlich inklusive aller drei Kandidaten, ganz gleich, ob dies etwas Grundlegendes am Ergebnis ändert oder nicht.
So heißt es nun seitens der Stadt Leipzig in einer Pressemitteilung: „In der gestrigen Ratsversammlung ist unter dem Tagesordnungspunkt 8 die neue Kulturbürgermeisterin, Dr. Skadi Jennicke, gewählt worden. Da der Beschluss wegen eines Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist (§ 52 Abs. 2 Satz 1 SächsGemO), hat Oberbürgermeister Burkhard Jung diesem heute widersprechen müssen. Ausschlaggebend für die Entscheidung sind insbesondere die Vorschriften zur Befangenheit.“
Und da taucht er auf, der Paragraph 20, Absatz 1 der sächsischen Gemeindeordnung, aus welchem hervorgeht, dass „derjenige nicht an der Wahl teilnehmen (darf), dem die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil bringen kann. Eine Ausnahme ist nur dann zugelassen, wenn es um Wahlen zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit geht (§20 Abs. 2 SächsGemO).“, so die Stadtverwaltung.
Und ehrenamtlich ist ein Leipziger Dezernent nun mal nicht tätig, er oder sie erhalten laut Besoldungstabelle des Landes Sachsen mit rund 8.100 bis 8.500 Euro monatlichem Bruttoeinkommen eine Besoldung nach Besoldungsgruppe B7 bis B8 in seinen sieben Amtsjahren, welche für Städte oberhalb von 500.000 Einwohnern vorgeschrieben ist. Fraglich bleibt jedoch, wie es zu einer solchen Fehleinschätzung im Vorfeld kommen konnte? Und auch, warum es die Linksfraktion überhaupt riskiert hat, sich nun einer solchen Debatte gegenüberzusehen? Eine, welche nun auch die erneut in den Kandidatenstatus zurückgerutschte Fast-Kulturbürgermeisterin aus ihren Reihen zu beschädigen droht. Offenbar war im Vorfeld doch eine gewise Angst vorhanden, gegen den CDU-Kandidaten Dr. Matthias Theodor Vogt bestehen zu können.
Ungewöhnlich angesichts der klaren Vorzeichen und der breiten Unterstützung für Dr. Skadi Jennicke vor allem in der Leipziger Kulturszenerie und im Rat. Ungewöhnlich auch, dass die Auskunft, welche es laut Pellmann noch vor der Wahl zum Thema Befangenheit seitens der Stadt gegeben haben soll, nun so rasch ins Gegenteil umschlägt.
Die Folge allen Durcheinanders: „Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben ist ein erneuter Beschluss spätestens vier Wochen nach der ersten Sitzung zu fassen. Als neuer Termin für die Wahl des Amtes ist deshalb der 9. Juni geplant.“ Eine Sondersitzung also, welche zusätzlich durchgeführt werden muss, da die turnusmäßige Ratsversammlung erst am 22. Juni geplant ist und nicht in diese Frist gepasst hätte.
Hoffentlich ist sich dieses Mal das Büro für Ratsangelegenheiten wirklich ganz sicher.
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Die Begründung, dass „derjenige nicht an der Wahl teilnehmen (darf), dem die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil bringen kann”, scheint mir doch undemokratisch zu sein, da ein Teil der Bürger von der Wahl ausgeschlossen wird. Falls diese Klausel gilt, dürfte ja kein Bürger eine Partei wählen, die Steuersenkungen verspricht…