Wenn Leipzig in den nächsten Jahren um 100.000, 150.000 Einwohner wächst, dann hat das Folgen. Denn dann muss in der Stadt all das gebaut werden, was heute schon knapp ist. Am Mittwoch, 20. April, gab Oberbürgermeister Burkhard Jung einen kleinen Einblick, was das an Investitionen für Leipzig bedeuten wird.

Das erste Feld, auf dem es jetzt schon gigantischen Handlungsbedarf gibt, ist natürlich der Wohnungsbau. Wenn Leipzig bis 2030 um 154.000 zusätzliche Bewohner wächst, bedeutet das: Es werden mindestens 67.000 neue Wohnungen gebraucht.

Pro Jahr gerechnet, müssten in Leipzig 4.500 neue Wohnungen gebaut werden.

„Davon sind wir meilenweit entfernt“, sagte Burkhard Jung am Mittwoch. „Im vergangenen Jahr kamen wir gerade mal auf 1.800. Das reicht natürlich nicht.“

Potenzial hat die Stadt. Allein die großen Bauareale am Bayerischen Bahnhof, am Lindenauer Hafen, auf der Westseite des Hauptbahnhofs oder am Freiladebahnhof bieten Platz für Wohnungen für mehrere 10.000 Menschen. Die Brache am Bayerischen Bahnhof ist ja nun seit Jahren ein Thema, bei dem die Verhandlungen der Stadt sich ziehen. Die Stadt muss hier unbedingt Bauplatz für eine Schule bekommen. Und mehrfach wurde schon gefragt, warum Leipzig dieses große Areal nicht selbst gekauft hat von der Bahn.

„Wir hätten dieses Stadtgebiet schon gern selbst entwickelt“, sagt Jung. Die Stadt habe auch mitgeboten, als die Bahn das Grundstück verkaufte. „Aber dann packte der private Bieter noch eine Schippe drauf und wir waren raus.“ Auch bei solchen Erwerben müsse eine Stadt wie Leipzig darauf achten, mit den verfügbaren Geldern verantwortlich umzugehen. Da müsse man in solchen Fällen zurückstecken.

Andererseits könne man den Wohnungsbau auch guten Gewissens privaten Investoren überlassen. Die wüssten ja, wie so was geht.

Das Hauptproblem im Wohnungsbau sieht Jung auch eher im fehlenden sozialen Wohnungsbau. Da sei zwar endlich in Dresden was in Bewegung gekommen. Verhandelt werde darüber, die vom Bund zur Verfügung gestellten 40 Millionen Euro tatsächlich komplett für den sozial geförderten Wohnungsbau in sächsischen Kommunen bereitzustellen. Dresden und Leipzig sollten davon jeweils 15 Millionen Euro per anno bekommen.

Jung: „Aber das reicht trotzdem nicht.“

Davon könne man bestenfalls 200 geförderte Wohnungen bauen.

Gefördert heißt: Der Bauträger wird mit dem Zuschuss dazu verpflichtet, einen Teil der Wohnungen (in der Regel 30 bis 50 Prozent) zu deutlich niedrigeren und sozial verträglichen Mieten mit einer Bindungsfrist von bis zu 20 Jahren zur Verfügung zu stellen. Was auch der Entmischung der Stadt und wichtiger Wohnviertel vorbeugt. Ein Negativbeispiel ist für Jung die Stadt München, wo sich Normalverdiener in der Stadtmitte schon lange keine Wohnung mehr leisten können.

Für Leipzig würde das bedeuten, dass Wohnungen, die heute nicht mehr unter 8,50 Euro je Quadratmeter Mietzins gebaut werden können, dann für 6 Euro je Quadratmeter als geförderte Wohnungen angeboten werden könnten.

Von den 4.500 neuen Wohnungen, die in Leipzig gebaut werden müssen, müssten aber mindestens 2.000 zum sozialen Wohnungsbau gehören. Heißt: Die Fördersumme muss sich eigentlich verzehnfachen. Da sei man nicht nur mit dem Land im Gespräch, sagt Jung, sondern auch mit dem Bund, der wohl Signale sende, dass man die Fördersumme noch einmal aufstocken wolle. Denn das Problem fehlender Sozialwohnungen haben mittlerweile alle Großstädte, nicht nur Leipzig.

Aber Fördergelder braucht man auch, um die benötigten Schulen zu bauen, um die steigenden Schülerzahlen aufzufangen – 20 Schulen allein bis 2020. „Ich weiß, dass die neue Schulnetzplanung schon wieder veraltet ist“, so Jung. „Deswegen erarbeiten wir ja gleich im Anschluss, wenn die jetzt beschlossen ist, eine neue.“

Aber dass die 35 Millionen Euro, mit denen Leipzig im Doppelhaushalt 2015/2016 in Schulneubau investiert hat, nicht reichen, sei längst klar. „Wir müssen die Summe schon ab 2017 verdoppeln auf 60 bis 70 Millionen Euro“, sagt Jung. Was der Freistaat im Sonderprogramm für die großen Städte und im Programm „Brücken für die Zukunft“ bereitgestellt habe, sei längst verplant. „Wir brauchen deutlich mehr Fördergeld“, stellt Jung fest. „Ohne das werden wir es nicht schaffen.“

Auch beim Kita-Ausbau muss weiter investiert werden.

Aber es gibt auch kein Bevölkerungswachstum ohne ein wachsendes Angebot an Arbeitsplätzen. Also müssen auch innerstädtische Gewerbeflächen gesichert werden, damit die Leipziger nicht erst 50 Kilometer zur Arbeit fahren müssen. Gar mit dem Auto.

Und obwohl sich der OBM als begeisterter Autofahrer outet, weiß er genau, dass Leipzig noch viel mehr Autoverkehr gar nicht verkraftet. Was nicht unbedingt am Straßennetz liegt, das ja ebenfalls noch dreistellige Millioneninvestitionen braucht, wo Straßen und Brücken desolat sind, sondern am fehlenden Platz zum Parken.

„Die Gründerzeit ist einfach nicht für Parkplätze gebaut“, bringt es der OBM auf den Punkt, gibt aber auch zu, dass er für das Parkplatzproblem in Leipzig noch keine Lösung hat. Um den Druck aus dem Straßensystem zu nehmen, bleibt nur der Weg, die Bedingungen für ÖPNV, Radfahrer und Fußgänger deutlich zu verbessern. Was da zu investieren wäre, hat er am Mittwoch noch nicht beziffert. Der neue Nahverkehrsplan der Stadt ist noch in der Diskussion. Aber ohne wirklich zukunftsfähige Investitionen in Fahrzeuge und neue Trassen wird es nicht gehen.

Dass es funktioniert, beweist mittlerweile das S-Bahn-Netz, denn all jene Städte, die mit S-Bahn an Leipzig angebunden sind, haben mittlerweile Teil an der hiesigen Bevölkerungsentwicklung. Und auch in Leipzig gibt es noch einige potenzielle Baugebiete in Nähe von S-Bahn-Stationen, wo man neue Wohnungen für tausende neuer Leipziger bauen könnte.

Was Burkhard Jung freilich besorgt, das ist das Auseinanderklaffen der Entwicklung: Während die Bevölkerungszahl deutlich steigt, stagniert der Haushalt der Stadt bei 1,4 Milliarden Euro. Der größte Teil davon ist für Sozialausgaben gebunden. Die Steuereinnahmen sind zwar gestiegen von 291 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 519 Millionen im Jahr 2015. Aber das ist trotzdem noch zu wenig, um Leipzig größere Investitionsspielräume zu verschaffen.

Zwar steigt die Zahl der Arbeitsplätze seit Jahren. Aber was in Leipzig fehle, so Jung, sei ein richtig starker Mittelstand, der auch beim Steuereinkommen mal einen größeren Schub gibt. Ohne deutlich mehr Fördermittel von Bund und Land werde Leipzig all die Aufgaben, die jetzt allein mit dem Bevölkerungswachstum auf die Stadt zukommen, nicht stemmen können.

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