Das war dann auch dem Gutachterausschuss der Stadt Leipzig zu heftig, was da 2015 abging am Leipziger Immobilienmarkt. In einigen Segmenten des Marktes gingen die Preise regelrecht durch die Decke. Kurzerhand entschloss sich der Gutachterausschuss, den Rhythmus für die neue Bodenrichtwertkarte der Stadt zu ändern von zwei Jahren auf ein Jahr. Denn jetzt ist Musik im Leipziger Immobilienmarkt.

Jahrelang war es sehr ruhig auf diesem Markt. Das letzte Feuerwerk gab es 1997/1998, als das Auslaufen der Sonderabschreibung für Baudenkmale regelrechte Rekorde beim Kaufen und Verkaufen von Leipziger Immobilien auslöste. Was der Stadt übrigens gut tat, so seltsam das klingt, denn erst diese Sonderabschreibungen haben dafür gesorgt, dass endlich der Leipziger Gründerzeitbestand flächenmäßig durchsaniert wurde und die Flucht aus der Stadt in den neu gebauten Speckgürtel endete.

Danach wurde im Grunde abgearbeitet, so ab 2005, 2006 nahmen die Verkäufe erstmals wieder leicht zu. Dann haute die Finanzkrise dazwischen und ließ die Preise wieder in den Keller purzeln. „Aber so seit drei, vier Jahren“, sagt Gernot Weiß, Leiter der Geschäftsstelle des Gutachter-Ausschusses, „ziehen die Preise und die Kauffälle spürbar an.“

Was natürlich mit der wachsenden Stadt zu tun hat. Mehr Bewohner erzeugen logischerweise mehr Nachfrage. Damit wird das Angebot knapper – die Preise ziehen an. Und wenn die Preise anziehen, lohnt es sich wieder für mehr Immobilienentwickler, neue Sanierungsobjekte oder Grundstücke zu kaufen. Und dasselbe gilt für Käufer von Eigentumswohnungen, denn damit werden auch Eigentumswohnungen in Leipzig wieder zu einer lukrativen Geldanlage.

Das wird dann schon in den generellen Zahlen sichtbar: „Die Anzahl der erfassten Kaufverträge stieg von 6.642 auf 7.568, also um etwa 14 Prozent, und liegt damit rund 31 Prozent über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Das Umsatzvolumen erhöhte sich um rund 57 Prozent. Insbesondere bei bebauten und unbebauten Grundstücken sind deutliche Umsatzsteigerungen zu verzeichnen“, fasst die Stadt das Thema zusammen.

Im gesteigerten Umsatzvolumen stecken natürlich auch die rasant gestiegenen Preise, die den Gutachterausschuss 2015 aufgeschreckt haben.

Die Kaufpreise für bebaute Grundstücke zogen um 72 Prozent an, für unbebaute Grundstücke um 77 Prozent. Und auch für Sondereigentum (worin vor allem die Eigentumswohnungen stecken) wurde binnen eines Jahres 27 Prozent mehr bezahlt. Mit Betonung auf bezahlt.

„Es gibt augenscheinlich Leute, die tatsächlich bereit sind, diese Summen zu zahlen“, sagt Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau. Und es gibt auch Leipziger, die sich diese Preise leisten können. Oder leisten wollen. Denn beim Kauf sanierter Altbauwohnungen dominieren zwar mit 98 % eindeutig die Geldanleger von außerhalb, die in der Wohnung in Leipzig einfach ein gutes Renditeobjekt sehen. Aber beim Weiterverkauf dieser Wohnungen ist dann schon jeder dritte Käufer ein Leipziger. Und auch bei Neubauwohnungen kommt jeder dritte Käufer aus Leipzig, wird die Wohnung augenscheinlich als Wertanlage und gleichzeitig Wohneigentum, das man auch selbst bezieht, gekauft.

7.568 Kauffälle sind aber für Leipzig eindeutig ein Langzeitrekord. Selbst Städte wie Dresden oder Nürnberg kommen nur auf 5.000 Kauffälle im Schnitt. Dass die Zahl 2015 in Leipzig so in die Höhe schnellte, interpretiert Dorothee Dubrau als Nachholeffekt. „Leipzig holt jetzt in kürzester Zeit nach, wozu andere Städte Jahrzehnte gebraucht haben“, sagt sie.

Denn auch mit den 2015 erreichten Preisen liegt Leipzig immer noch eher am unteren Ende der Preisskala, was Immobilienpreise in deutschen Großstädten betrifft. „Da ist noch Luft nach oben“, sagt Dubrau.

Andererseits befände sich Leipzig damit auf einem Preisniveau, das Bauen für Investoren wieder attraktiv macht. „Und wir brauchen dringend Neubau“, sagt die Bürgermeisterin. „Darauf sind wir als wachsende Stadt dringend angewiesen. Alles andere wäre eine verheerende Nachricht.“

Und da ist natürlich auch wichtig zu sehen, was eigentlich gekauft wird. Denn wenn der Kaufboom, bei dem 2015 mit 2,8 Milliarden Euro doppelt so viel umgesetzt wurde wie noch 2012, sich auf Einfamilienhäuser am Stadtrand beschränkt, macht das ja nicht viel Sinn. Sinn macht es nur, wenn unbebaute Grundstücke und unsanierte Mehrfamilienhäuser im inneren Stadtgebiet gekauft werden und wieder Geschosswohnungsbau passiert und leerstehende Häuser wieder an den Markt kommen.

Und genau das passiert. Die Zahl der Kauffälle für unbebaute Grundstücke war in den vergangenen Jahren sowieso konstant hoch, steigerte sich 2015 aber noch einmal von 776 auf 844. Gleichzeitig zogen die Quadratmeterpreise deutlich an. Und die Zahl der Kauffälle für Grundstücke im Geschosswohnungsbau kennt seit 2006 eigentlich nur eine Richtung: nach oben. Damals wurden 43 solcher Grundstücke verkauft, 2014 wurde mit 114 die 100 überschritten, 2015 waren es 165.

„Wir werden sehen, wie sich in den nächsten Jahren die Baulücken füllen werden und auch die letzten noch unsanierten Häuser aus dem Stadtbild verschwinden“, sagt Dubrau.

Auch die unsanierten Altbauten finden immer öfter neue Besitzer und landen – nachdem sie oft über Jahre als „Wertanlage“ in gesichtslosen Fonds feststeckten – immer öfter bei neuen Besitzern, die dann oft genug Immobilienentwickler in der Region Leipzig sind, die jetzt die Gelegenheit sehen, das Haus wieder marktfähig zu machen. Was wieder Dorothee Dubrau freut, weil damit in Erfüllung geht, was sie vor drei Jahren schon verkündet hat: Jetzt wird der Leipziger Osten immer mehr zum Tummelplatz der Investoren und Sanierer. Bei Verkäufen von Mehrfamilienhäusern hat er 2015 alle anderen Stadtteile abgehängt mit 145 Kauffällen und 74 Millionen Euro Umsatz. Der Umsatz ist zwar deutlich geringer als etwa in Leipzig-Mitte. Aber das zeigt im Grunde auch, warum im Osten jetzt so viel Bewegung ist, denn noch können hier auch Investoren ein Schnäppchen machen, wie es im Süden, in Mitte, in Gohlis oder Waldstraßenviertel nicht mehr möglich ist.

Fast im gesamten Stadtgebiet sind 2015 die Kaufpreise angezogen. Besonders stark natürlich in der Mitte der Stadt und den Wohngebieten direkt an Wasser und Auwald. Hier sind die Bodenrichtwerte denn auch doppelt und drei Mal so hoch wie im übrigen Stadtgebiet.

Und das schlägt dann wieder auf die Preise für Eigentumswohnungen durch, die 2015 ebenfalls einen deutlichen Sprung machten: Der durchschnittliche Kaufpreis sanierter Eigentumswohnungen im Erstverkauf stieg auch 2015 noch einmal deutlich um rund 12 Prozent auf 3.088 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, wobei sich die Preise zwischen 1.978 und 4.177 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche bewegen und sich nur auf Objekte ohne Stellplätze beziehen. Beim Wiederverkauf sanierter Eigentumswohnungen (ebenfalls ohne Stellplatzanteil) reicht die Preisspanne von 311 bis 2.936 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Das Mittel liegt drei Prozent über dem Vorjahresniveau bei 1.152 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche.

Alles – auch mit detaillierten Zahlen zu den Ortsteilen – findet man im neuen Grundstücksmarktbericht für 2015. Den kann man kostenpflichtig direkt beim Gutachterausschuss der Stadt bestellen.

Aber fest steht nach diesem Feuerwerk im Jahr 2015: Jetzt wird Leipzigs Wohnungsmarkt dem anderer deutscher Großstädte ähnlicher, auch wenn das Preisniveau noch „moderat“ ist, wie Gernot Weiß betont.

Aber während die fast 3 Milliarden Euro Umsatz Ende der 1990er Jahre von einem Sondereffekt erzählen, erzählen die 2,8 Milliarden Euro Umsatz von 2015 von einer wachsenden Stadt mit steigender Nachfrage und dem Gefühl bei den Käufern, dass sich hier das Investieren in Immobilien lohnt. Eine Art Normalisierung also, die aber auch eine Bremse hat: das nach wie vor niedrige Einkommensniveau der Leipziger.

Ob das die Mietpreisentwicklung dämpfen wird, wird man erst mittelfristig sehen.

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