Ist das nun tröstlich, dass die Sächsische Landesregierung die Gefährdung von Journalisten im Umfeld von Pegida- und Legida-Demonstrationen endlich thematisiert hat? Tatsache ist ja, dass Regierung und Polizei über das Thema am 25. Februar zum ersten Mal ernsthaft mit dem sächsischen Landesverband des DJV gesprochen haben. Die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel hatte parallel eine eigene Anfrage an die Staatsregierung gestellt.
Innenminister Markus Ulbig hat sie auch ausführlich beantwortet. Man liest die Antwort mit Verblüffung. Denn wenn alles so stattfindet wie beschrieben, dann hätte es zu der ganzen Reihe von gewalttätigen Übergriffen auf Journalisten am Rande der Demonstrationen gar nicht kommen dürfen. Und auch nicht zur Ignoranz einiger Beamter, die die Aktionen aus dem Demonstrationsgeschehen heraus einfach laufen ließen.
Die L-IZ hat ihre Berichterstattung direkt aus dem Umfeld von Legida ja nicht eingestellt, weil es mal zu einem Vorfall gekommen wäre, sondern weil die Angriffe aus dem Demonstrationszug immer wieder und immer häufiger vorkamen.
Da wird sich auch die Landtagsabgeordnete der Linken, Juliane Nagel, eher verwundert die Augen reiben, wenn sie liest, wie gut sich die Polizei jedes Mal auf die Demonstrationen vorbereitet hat.
Markus Ulbig: „Auf der Grundlage der im Einsatzbefehl verankerten Prämissen wird in den Einsatzbesprechungen mit den Abschnittsführern vor Demonstrationen auch auf die Belange von Journalisten, deren Schutz und die Gewährleistung von deren Arbeitsbedingungen hingewiesen. Dies betrifft insbesondere die Raumschutzabschnitte, in denen die Einsatzbeamten diesbezüglich sensibilisiert werden. Gegen Personen, die bereits zur Gewalt gegen Journalisten aufrufen oder diese bedrohen, werden unverzüglich entsprechende Maßnahmen getroffen.“
Das war im vergangenen Jahr nicht immer so. Vielleicht ändert sich das jetzt tatsächlich.
Wobei zu betonen ist: Es geht nicht nur um die berichtenden Journalisten. Es geht auch um das, was bei den Demonstrationen selbst passiert. Denn das Grundgesetz garantiert den Deutschen zwar, sich jederzeit friedlich versammeln zu dürfen. Aber die Betonung liegt auf friedlich. Waffen, Gewalt und Vermummung sind bei Demonstrationen prinzipiell untersagt. Und zwar nicht nur bei Linken, sondern auch bei Mittleren und Rechten.
Übrigens eine Frage, die jüngst erst den AfD-Landtagsabgeordneten Sebastian Wippel interessierte. Er bekam auch eine Antwort vom Innenminister, die zumindest aufhorchen lässt: 2015 gab es insgesamt 490 Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot oder das Verbot, Waffen und Schutzwaffen mit sich zu führen, bei Demonstrationen in Sachsen.
Wippel hatte auch noch nach der Zahl der Demonstrationen gefragt, wo dies der Fall war. Aber diese Zahl bekam er nicht, sodass man weder erfährt, ob es nun Demonstranten von rechts, links oder aus der Mitte waren, die unbedingt mit Waffe und Vermummung zur Demo gehen mussten. Man bekommt auch keinen Überblick darüber, inwiefern die Polizei das alles überhaupt systematisch erfasst hat. Denn wenn derlei Verstöße in einer Demonstration gar nicht erfasst werden, kommen sie natürlich auch nicht zur Anzeige. Allein mit dem, was bei etlichen Leipziger Demonstrationen beobachtet werden konnte, erscheint die Zahl von 490 Anzeigen viel zu gering.
Angezeigt wurde übrigens 246 Mal ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot, 191 Mal einer gegen das Verbot, Waffen mitzuführen, und 53 Mal ein Verstoß gegen das Schutzwaffenverbot.
Und wenn dergleichen nicht geahndet wird, bekommen natürlich Journalisten ein Problem, wenn dann auch noch der zuständige Einsatzleiter im Bereich nicht ansprechbar ist. Der MDR hat sich dann ja 2015 entschieden, seine Kamerateams nur noch mit Security zu den Pegida-Demonstrationen zu schicken. Das hätte eigentlich im Innenministerium schon alle Glocken läuten lassen müssen. Hat es aber nicht.
Da musste erst die kleine L-IZ Alarm schlagen – und bekam dabei eine Menge Unterstützung von Kollegen verschiedener Medien und vom DJV. In Sachsen muss man augenscheinlich immer erst sehr laut werden, bis das Problem überhaupt erst als solches akzeptiert wird.
Und wie will die Polizei das Thema jetzt zumindest bei Leipziger Demonstrationen lösen?
„Im Weiteren ist die einsatzbegleitende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Einsätzen entsprechender Dimensionierung ein Mittel zur Gefahrenminimierung, um Journalistinnen und Journalisten eine zusätzliche Informationsmöglichkeit zu bieten und eskalierende Situationen zu vermeiden“, berichtet Ulbig. „So sind künftig zwei Pressesprecher der Polizeidirektion Leipzig am Veranstaltungsort als unmittelbare Ansprechpartner für die Medienvertreter anwesend. Ein weiterer Pressesprecher ist während des Einsatzes im Führungs-Stab fernmündlich über die den Vertretern der Presse bekannte Rufnummer für deren Belange erreichbar. In besonders dringenden Fällen ist es auch möglich, den polizeilichen Notruf zu kontaktieren. Die Mitarbeiter des Führungs- und Lagezentrums sind dahingehend sensibilisiert. Auch werden künftig wieder Kommunikationsteams der Polizei als sofortige Ansprechpartner vor Ort eingesetzt.“
Das könnte man schon als Entwicklung feiern.
Würde Innenminister Markus Ulbig nicht gleich wieder abwiegeln, als traue er den Maßnahmen der eigenen Leute nicht.
„Durch die Schaffung eines Raumschutzes um die Veranstaltung herum, die möglichen Angriffen aus der und auf die Veranstaltung entgegenwirken soll, wird zusätzlich der Schutz der Akteure der Presse gewährleistet. Die Mitwirkung der Medienvertreter an den von der Polizeidirektion Leipzig getroffenen Maßnahmen zu ihrem Schutz ist dabei unentbehrlich. Gleichwohl ist ein flächendeckender und lückenloser individueller Schutz von Medienvertretern nicht leistbar.“
Den hat aber auch niemand verlangt, denn flächendeckend können Journalisten ja gar nicht vor Ort sein. Sie sind in der Regel da, wo sie das Geschehen gut beobachten können. Und das ist in der Regel nicht so weit weg von den polizeilichen Verantwortlichen vor Ort. Nur wenn die Demonstration sich in Bewegung setzt, wird die Sache etwas unüberschaubarer. Aber nicht so unüberschaubar, dass die Einsatzleiter vor Ort nicht mitkriegen, wenn es zu Übergriffen aus dem Versammlungsgeschehen heraus kommt. Denn der von Ulbig erwähnte Raumschutz ist meistens groß und offen genug, dass die Polizei sehr wohl ein Auge auf alles hat, was rund um die Demonstration passiert.
Die komplette Antwort von Markus Ulbig auf die Anfrage von Juliane Nagel (Die Linke). Drs. 4323
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