Je weiter die Monate und Jahre hinschreiten, umso deutlicher wird: Leipzig ist auf das aktuelle Bevölkerungswachstum gar nicht vorbereitet. Nicht finanziell und auch nicht mental. Oberbürgermeister Burkhard Jung zieht zwar gern Vergleiche mit dem rasant wachsenden Leipzig vor 100 Jahren. Aber irgendwie hat sich im Rathaus niemand die damaligen Investitionskosten näher angeschaut.

Und auch damals musste in einem rasanten Tempo gebaut werden: Kirchen, Schulen, Straßen, Brücken, von neuen Infrastrukturen für Wasser, Abwasser, Gas, Elektrizität oder Straßenbahn ganz zu schweigen. Nebenbei wurden Messehäuser und ein neues Messegelände hochgezogen, ein Riesendenkmal gebaut und ein komplettes neues Rathaus, ein neuer Hauptbahnhof, ein neuer Großmarkt und ein riesiger Schlachthof, Stadtbad und Westbad nicht zu vergessen. Und das alles nebeneinander und im Galopp. Nebenbei noch die nächsten sieben Orte eingemeinden und weitere 25.000 Einwohner unterbringen. Zumindest war das der vorletzte Schwung zwischen 1910 und 1914, bevor die Landesväter die Landessöhne erst mal ins Gemetzel schickten.

5.000 Einwohner mehr pro Jahr?

Na hoppla: Das ist weniger als das, was in Leipzig seit 2010 passiert. Da sollten ein paar Leute wirklich langsam ausschlafen. Nicht nur im Leipziger Neuen Rathaus. Auch in einer Landesregierung, die die großen Städte mit allen Kräften auszubremsen versucht. Knappe Fördermittel für Schulen, für sozialen Wohnungsbau gar nichts und für Sport- und Schwimmhallen auch viel zu wenig.

Aber eine wachsende Stadt braucht auch mehr Angebote zum Schwimmen. Das hatten Grüne und SPD deutlich formuliert, entsprechende Anträge gestellt und Stadtratsmehrheit und Verwaltung auch überzeugt.

Aber Leipzigs Verwaltung ist noch immer im alten Modus, anders kann man die Auskunft nicht einordnen, die die Grünen-Fraktion im Rathaus jetzt bekommen hat.

Die Stadtverwaltung hat mitgeteilt, dass in Umsetzung des Stadtratsbeschlusses vom 25. Februar 2015 der Bau einer neuen Schwimmhalle nun im Rahmen des Sportprogrammes 2016-24 geprüft werden soll. Dabei hatte die Ratsversammlung durch den gemeinsamen Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD beschlossen, dass die Verwaltung spätestens bis Ende 2015 aufgrund des rasanten Bevölkerungswachstums in Leipzig den Bau einer neuen Schwimmhalle mit Fertigstellung bis spätestens 2019, vornehmlich im Leipziger Osten, prüfen und die daraus resultierenden Schritte einleiten sollte. Doch die Antwort erinnert an das Zögern und Zaudern, das die Linksfraktion beim Thema Sozialer Wohnungsbau festgestellt hat.

“Es ist schön, dass die Verwaltung die Notwendigkeit nach weiteren Schwimmflächen vor dem Hintergrund der wachsenden Stadt erkennt und das Ansinnen, eine neue Schwimmhalle zu bauen prinzipiell unterstützt. Eine zeitliche Perspektive wird jedoch auf die lange Bank geschoben und soll nun erst bis Mitte des Jahres im Sportprogramm diskutiert werden”, wundert sich Michael Schmidt, Stadtrat und sportpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, über die Antwort, die tatsächlich wieder von einer Verschiebung des Themas um mindestens ein Jahr kündet.

“Der Grund, weshalb sich die Stadtspitze schwer tut, einen Neubau bis 2019 zu realisieren oder zumindest schnellstmöglich zu planen, liegt in erster Linie in der Überforderung der Sportbäder GmbH. Diese ist momentan mit der Planung und Realisierung der wichtigen Erweiterung der Schwimmhalle Mitte beschäftigt und wäre aufgrund des noch nicht abfinanzierten Elsterbades finanziell überfordert”, geht Schmidt auf das Grundthema der Leipziger Bäderfinanzierung ein. Mit der Auslagerung dieses ursprünglich durchs Sport- und Bäderamt selbst betreuten Gebietes an die Sportbäder GmbH als Tochterunternehmen der Leipziger Wasserwerke hat man zwar die Kostenentwicklung in den Griff bekommen und auch den Weg wieder zu Neubau und Sanierung eröffnet. Aber die Sportbäder GmbH kann nur im Rahmen ihrer selbst erwirtschafteten Möglichkeiten kalkulieren. Das ermöglicht nur kleine Schritte, nicht die notwendigen großen Investitionen, die das Bevölkerungswachstum erzwingt.

“Dies jedoch darf kein Hinderungsgrund sein und dazu führen, dass das Image der Sportbäder aufgrund überfüllter Schwimmflächen leidet und die Nutzergruppen aufgrund der überhohen Nachfrage gegeneinander ausgespielt werden. Bereits seit längerer Zeit gibt es immense Wartezeiten von etwa einem Jahr bei der Anmeldung auf einen Schwimmlernkurs”, geht Schmidt auf den Grundbedarf ein, der allein schon mit den steigenden Schülerzahlen wächst. “Unzweifelhaft braucht aber die Sportbäder GmbH eine finanzielle Unterstützung der Stadt bei den zwingend notwendigen Investitionen in die wachsende Stadt und die damit einhergehenden großen Herausforderungen und Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger.”

Jetzt einfach ganze Jahre mit vertrödelten Diskussionen zu verlieren, findet er kontraproduktiv. “Ein Schwimmhallenbau braucht mehrere Jahre für Planung und Bau. Im Jahr 2020 wird unsere Stadt voraussichtlich für mehr als 600.000 Einwohner Heimat sein. Die verfügbaren Schwimmflächen reichen da nicht mehr aus, so dass die Realisierung eines Neubaus bis dahin zumindest weitgehend abgeschlossen sein muss.“

Die Antwort der Verwaltung auf die Nachfrage zu den Leipziger Schwimmhallen.

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