Nicht nur die CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat beschäftigt sich zunehmend mit der Frage, wie man als durchaus überschaubare Fraktion im Ehrenamt dem Informationsvorsprung der Stadtverwaltung mit ihren über 5.000 Mitarbeitern Paroli bieten kann. Auch die Linksfraktion hat sich Gedanken gemacht. Im Oktober hat sie mal angefragt: Dürfen auch die Fraktionen Prüfaufträge und Gutachten in Auftrag geben? - Die Antwort gab's postwendend.

Das Problem, das dahinter steckt: Die Verwaltung arbeitet bei vielen Entscheidungen mit Gutachten und Prüfaufträgen. Die werden in der Regel für eine erkleckliche Summe Geldes an externe oder stadteigene Berater vergeben. Manchmal muten sie reineweg wie Gefälligkeitsgutachten an, mit denen die Verwaltung dann Anträge und Anfragen aus den Stadtratsfraktionen einfach abschmettert. Und die sitzen dann in der Regel recht kleinlaut da, haben auch nicht die Kraft und die Zeit, die Gutachten zu hinterfragen.

Denn natürlich können Gutachten immer nur das abbilden, was abgefragt wurde. Alles andere steht einfach nicht drin. Um ein Gegengewicht zur geballten Kompetenz der Verwaltung herzustellen, müssten eigentlich die Fraktionen selber Gutachten in Auftrag geben können.

Dürfen wir denn das, war also die implizite Frage der Linksfraktion: “Bei insgesamt zunehmend komplizierten Vorgängen in der Stadtverwaltung, in den Beteiligungsunternehmen (BU) und Eigenbetrieben (EB) sind für verschiedene inhaltliche Prüfungen (z. B.: langfristige finanzielle Auswirkungen von Bauinvestitionen in Kitas und Schulen durch Stadt/BU/EB oder durch private Investoren auf den kommunalen Haushalt, Aktienkauf VNG) die Auskünfte der Verwaltung nicht immer ausreichend. Für die Arbeit des Stadtrates wird daher die Meinung eines sachverständigen Dritten immer wichtiger. Die Fraktion Die LINKE wollte zur Strategie Leipzigs und den langfristigen Folgekosten bei den Kitabauinvestitionen die bbvl als kommunale Beratungsgesellschaft einbinden. Dies wurde allerdings von der Stadtverwaltung untersagt.”

Logisch, dass den gewählten Stadträten da Fragen kommen, denn mit den Gutachten, die dann oft in vielen 100 Seiten die Vorlagen der Verwaltung aufblähen, verschafft sich die Verwaltung nicht nur einen zusätzlichen Wissensvorsprung – sie packt im Grunde auch gleich noch die “Expertenmeinung” mit in ihre Vorlagen, die mögliche Änderunganträge der Fraktionen oft genug aushebeln.

Also: Dürfen Stadtratsfraktionen nun externen Sachverstand dazuholen oder nicht?

Als Fraktionen dürfen sie es nicht, teilt nun das Verwaltungsdezernat mit.

Denn laut Sächsischer Gemeindeordnung sind sie nur ein “unselbstständiger Teil des Stadtrates”. Die Antwort des Verwaltungsdezernats verweist zwar auf § 44 der Sächsischen Gemeindeordnung. Aber vorher muss man § 35 wahrnehmen, wo das so festgelegt ist: “Gemeinderäte können sich zu Fraktionen zusammenschließen. Diese sind Organteile des Gemeinderats.”

Erst die Gesamtheit der gewählten Gemeinderäte bzw. Stadträte sind dann ein gesetzmäßiges “Organ”, das auch als solches so handeln kann.

Heißt im Klartext: Nicht die Linksfraktion könnte Sachverständige bestellen oder Prüfaufträge in Auftrag geben – aber der gesamte Stadtrat könnte es. Und nicht nur der. Auch die Fachausschüsse des Stadtrates (die ja in der Regel von allen Fraktionen mit besetzt sind)  könnten es, wenn ihnen in Beratungen manche Vorgänge einfach nicht greifbar werden. Dann kann der Ausschuss einen oder mehrere Sachverständige von außen in seine Sitzungen einladen.

Und wenn das nicht reicht, kann die Stadtratsmehrheit auch beschließen, dass ein eigenes Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben wird. Was wohl auch bedeutet, dass die Fraktionen, die Bauchschmerzen mit bestimmten Zahlen und Beschlüssen haben, die anderen Fraktionen mit einbinden und für einen gemeinsamen Beschluss gewinnen müssen.

Aber Leipzigs Verwaltung wäre nicht, was sie ist, wenn sie nicht noch eine kleine Pointe nachgeschoben hätte: “Im übrigen steht vielfältiger Sachverstand innerhalb der Verwaltung zur Verfügung, auf den die Stadträte und Fraktionen als Teil dieser Verwaltung nicht nur zurückgreifen können, sondern dies auch sollen.”

Und wenn man die Antwort richtig liest, müssen die Fraktionen so eine Beauftragung nicht mal aus ihrem eigenen Sachkostenbudget von 300.000 Euro im Jahr bezahlen (da wäre das Budget ziemlich schnell verbraten), es wäre die Stadt, die die Kosten übernehmen müsste, denn es wäre dann ein eindeutiger Stadtratsauftrag.

Die Anfrage der Linksfraktion.

Die Antwort der Verwaltung.

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