Nicht nur im Schauspiel Leipzig wunderte man sich Ende Oktober über eine mehr als sonderbare Anfrage der AfD-Fraktion im Leipziger Stadtrat. Irgendwie muss der eine oder andere AfD-Stadtrat am Schauspiel Leipzig vorbeispaziert sein und sich von einem Spruch, der da zur aktuellen Spielzeit hängt, geradezu herausgefordert gefühlt haben. Man interpretierte den Goethe-Spruch kurzerhand als politische Werbung und stellte dann die Anfrage.
“Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter”, wird da direkt aus Goethes “West-östlichem Divan” zitiert, eindeutig ein Plädoyer für Gastfreundschaft und den Schutz von Flüchtlingen. Da muss eine Partei schon gewaltig neben der Spur stehen, um das als eine parteipolitische Werbung zu begreifen und dann derart seltsame Fragen zu stellen wie diese: “Ist politische Werbung seitens eines Unternehmens vom Status des Schauspielhauses rechtens und damit zulässig?”
Darüber schüttelte dann auch Kulturbürgermeister Michal Faber nur den Kopf und brachte jetzt in seiner Antwort sein Befremden über die verschwiemelte Anfrage der AfD-Fraktion zum Ausdruck: “Grundsätzlich ist seitens der Eigenbetriebe politische Werbung für oder gegen eine Partei unzulässig. Sie sind – genauso wie die Stadt Leipzig auch – zur Neutralität bei politischen Diskussionen verpflichtet. Der Eigenbetrieb Schauspiel darf keine politische Werbung betreiben, was er bisher auch nicht gemacht hat, so dass die Anfrage der AfD-Fraktion in meinen Augen ein gewisses Befremden ausgelöst hat.”
Und Faber erklärt den grauhaarigen Herren aus der rechtslastigen Fraktion auch, dass für Kunst auch in Leipzig noch immer Freiräume gelten, ohne die sie gar nicht leben kann. Das gilt auch fürs Schauspiel Leipzig, das keine Rolle spielen würde, wenn es sich nicht zu gesellschaftlichen Themen künstlerisch äußern dürfte. Das darf im Haus passieren, aber auch draußen.
Michael Faber: “Die Kultureigenbetriebe dürfen im Rahmen ihrer Aufgaben aber sehr wohl tätig werden. Dazu gehören z. B. auch Ãœberspitzungen, Stellungnahmen zu aktuellen politischen Themen oder eben Literaturzitate, wie im vorliegenden Fall das Goethezitat. Dieses Zitat stellt keine Stellungnahme für oder gegen eine Partei oder politische Richtung dar. Es ist damit schon inhaltlich keine politische Werbung und führt nicht zur Verletzung des Neutralitätsgebotes. Selbst wenn das Zitat, das lediglich davon spricht, dass Menschen durch das Land, in dem sie sich befinden, zu schützen sind, und nicht davon, ob eine bestimmte Politik richtig oder falsch ist, als politische Position betrachtet werden sollte, sind aus meiner Sicht keine Schlussfolgerungen abzuleiten, dass eine bestimmte politische Partei bevorzugt oder benachteiligt wird.”
Zu einer freien Gesellschaft gehört auch ein Theater, das eben nicht von einer vormundschaftlichen Partei gegängelt wird – auch nicht von der AfD.
“Ein Theater, auch ein Stadttheater wie es das Schauspiel ist, kann den Menschen keine Vorgaben machen, wie zu denken und zu handeln ist”, sagt Faber. “Aber es kann anregen, sich Gedanken zu machen. Eine Verletzung des Neutralitätsgebotes liegt beim Goethezitat nicht vor.”
Und die zweite Frage der AfD war ja so ein in Watte gepackter Zensurversuch. Sie lautete: “Wenn NEIN, welche Verpflichtungen ergeben sich für den Oberbürgermeister gegenüber städtischen Unternehmen und Einrichtungen zur Wahrung politischer Neutralität?”
Eine Frage, auf die der Kulturbürgermeister nur ganz ruhig antworten kann: “Selbstverständlich achten der Oberbürgermeister, seine Dezernate, Ämter und Eigenbetriebsleiter – wie bisher – auch weiterhin darauf, dass die Stadt und ihre Eigenbetriebe die politische Neutralität wahren.”
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