Wahrscheinlich denkt man sich als Journalist immer etwas Falsches, wenn das Wort Gleichstellung fällt. 2012 hat Oberbürgermeister Burkhard Jung die EU-Charta für Gleichstellung unterzeichnet. Eigentlich sollte Leipzigs Gleichstellungsbeauftragte Genka Lapön damals schon einen Aktionsplan aufstellen, mit dem Geschlechtergerechtigkeit in Leipzig zu bewerten ist.
Das hat dann doch deutlich länger gedauert als gedacht. Auch weil sie verpflichtet war, alle möglichen internen und externen Partner mit einzubeziehen. Das Ergebnis liegt jetzt vor und soll noch einmal im Verwaltungsausschuss beraten und dann in der Ratsversammlung beschlossen werden. Tatsächlich hat sich Genka Lapön nur selbst einen Haufen mehr Arbeit gemacht. Denn sie soll nun jährlich über die Umsetzung des Aktionskatalogs berichten, “über den Umsetzungsstand und die Ergebnisse der fortlaufenden Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern.”
Und: “Nach 3 Jahren wird der Ratsversammlung ein Umsetzungsbericht vorgelegt.” Eigentlich sollten da zwei Jahre stehen, denn genau so schreibt es die Charta vor. Der Plan kommt sowieso schon ein Jahr zu spät.
Und wer jetzt denkt, es sei tatsächlich gelungen, alle möglichen Maßnahmen zu bündeln, die in Leipzigs Verwaltung endlich so etwas wie eine Geschlechtergerechtigkeit herstellen, der sieht sich eines Besseren belehrt. Die Hauptkomplexe heißen Netzwerkbildung (als wenn es das in Leipzig nicht schon längst gebe), “Geschlechterspezifische Anti-Gewaltarbeit”, Gendersensibilisierung (im Hochschulbereich) oder “Kampf gegen Geschlechterstereotype und vielfältige Diskriminierung”. Als wenn das nicht schon seit 25 Jahren Usus wäre – nur mit dem Effekt, das sich nichts ändert, dass Stadtrat, Verwaltungsspitze und die städtischen Managements allesamt von Männern dominiert werden.
Das mit dem Stadtrat möchte man schon gern ändern – durch ein Mentoring-Programm. Als würde eine freundliche Heranführung von Frauen an Stadtratsarbeit etwas daran ändern, dass sich in den meisten Parteien doch immer wieder dieselben Machos durchsetzen und die Agenda bestimmen. (Deswegen empfiehlt die EU-Charta Anleitungen für die Parteien, dass sich genau das ändert.)
Was ja bekanntlich Folgen hat, nämlich eine Verzerrung von Stadtratsdebatten mit stark männerdominierten Entscheidungen und wenig Feingefühl für all das, was nun im Aktionsplan auch wieder als Familienfreundlichkeit auftaucht. In diesem Fall beim Aktionsfeld Wirtschaft, wo es ganz seltsam wird, denn hier will man nun gar die “Vergabeordnungen und -praktiken der Stadt Leipzig hinsichtlich relevanter Gleichstellungsziele” prüfen. Etwas, was man noch nicht mal bei fairen Löhnen oder gar fairer Produktion hinbekommt.
Vor allem verwundert es, dass die Verwaltung jetzt schon wieder versucht, andere zu animieren, wo sie selbst gefragt ist.
Und die Frage ist berechtigt: Wie will Leipzigs Verwaltung es schaffen, wenigstens bei sich eine sichtbare Gendergleichheit herzustellen? Davon findet man wenig. Kein Vorschlag, wie man auf der Ebene von BürgermeisterInnen und AmtsleiterInnen versuchen könnte, so eine Art Gleichgewicht herzustellen. Lieber versucht man irgendwie durch Mentoring und Begeisterungsankurbelung, mehr Frauen und Mädchen in Stadtrat und Jugendparlament zu lotsen. Als wären sie behindert und bräuchten erst einen Grundkurs in Politik.
Und die Verwaltung?
Mit einem mehr als zaghaften Vorschlag prescht die Verwaltung vor: “Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten öffentlicher Unternehmen und Beteiligungsunternehmen der Stadt Leipzig (auch durch externe (Fach-)Frauen). Ein möglicher Ansatzpunkt ist der Leipziger Corporate Governance Kodex (LCGK).”
Und warum keine klare Regelung, dass alle Aufsichtsratsmandate pari-pari zu besetzen sind? Das wäre konsequent und würde einige Parteien wahrscheinlich sogar animieren, mehr Frauen auf aussichtsreiche Listenplätze zu setzen, weil sie sonst nämlich nicht (mehr) in Aufsichtsräten vertreten wären.
Und ein Thema wird nicht mal erwähnt: Die hochdotierten und einflussreichen Jobs der Geschäftsführer in städtischen Unternehmen. Eine echte Männerdomäne. Und ein echtes Wirtschaftsthema, das erstaunlicherweise im Aktionsfeld Wirtschaft nicht auftaucht.
Und an dieser Stelle zitieren wir einfach mal aus der Charta, wo der 3. Grundsatz lautet: “Das Recht auf die Gleichstellung von Frauen und Männern setzt voraus, dass Lokal- und Regionalbehörden alle entsprechenden Maßnahmen treffen und alle geeigneten Strategien anwenden, um die ausgewogene Vertretung und Mitwirkung von Frauen und Männern in allen Bereichen der Entscheidungsfindung zu fördern.”
Da steht nichts von Mentoring, sondern von einer “ausgewogenen Vertretung und Mitwirkung”. Von “Gender Mainstreaming und Gender Budgeting” (Grundsatz Nr. 5) ist ebenfalls nirgendwo etwas zu lesen. Was natürlich die Frage aufwirft: Wurde das “im Konsens” aller beteiligten Dezernate so festgelegt, damit sich ja nichts ändert?
Wo es um die Umsetzung geht, heißt es unter “Politische Rolle” übrigens eindeutig: “Die Unterzeichnerin/der Unterzeichner anerkennt den Grundsatz der ausgewogenen Vertretung in allen gewählten und öffentlichen Entscheidungsgremien.” Das geht noch viel weiter und ist in der Charta viel detaillierter geregelt, als es der Aktionsplan jetzt abbildet.
Tatsächlich ist der Aktionsplan genau das, was man auflisten würde, wenn man eigentlich so weitermachen will wie bisher.
Das Ergebnis werden wieder drei und wieder drei Jahre “Geschlechtersensibilisierung” sein, ohne dass sich am Faktischen etwas ändert.
Der Aktionsplan zum Nachlesen.
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