So langsam wächst der Unmut insbesondere in Sachsens Großstädten auch über ein mal gerade nicht mit Polizei verbundenes Arbeitsfeld des sächsischen Innenministers: den - nicht mehr existierenden - sozialen Wohnungsbau. Zwar bekommt Sachsen jedes Jahr zweistellige Millionensummen dafür vom Bund - gibt sie aber nicht für den Bau von Sozialwohnungen aus.
Dabei liegt die Weichenstellung nun schon 13 Jahre zurück. 2002 – da dachte in Sachsen tatsächlich niemand an sozialen Wohnungsbau. Auch in Leipzig nicht. Die Wohnungsleerstände waren riesig, die Mieten niedrig und auch die Wohnungsgesellschaften riefen dringend nach Geld, um ihre nicht mehr vermarktbaren Bestände abzureißen.
Wer kann schon in die Zukunft schauen?
Wie schwer sich selbst gestandene Statistiker tun, zeigen die diversen Bevölkerungsprognosen, mit denen die Landesregierung bis heute arbeitet, auch wenn es schon 2009 heftige Zweifel an ihrer Belastbarkeit gab. Und dass in Dresden und Leipzig die Bevölkerungszahl steil anstieg, das war auch ohne Prognosen erkennbar. Und dass Dresden als erstes richtige Probleme mit preiswertem Wohnraum bekommen würde, war auch absehbar. Immerhin hatte man ja die stadteigene WOBA verkauft und damit die eigenen Handlungsmöglichkeiten radikal verringert.
Im OB-Wahlkampf 2015 war es ein Mega-Thema, auf das auch Markus Ulbig als OB-Kandidat der CDU flugs aufsprang. Mit bekanntem Ergebnis.
Aber so langsam merken auch Leipzigs Stadträte, wie sich die Lage in Leipzig verdichtet. In bestimmten Segmenten sind die Wohnungsangebote rar geworden. Deswegen freut sich nun der Stadtrat der SPD, Christopher Zenker, dass Bundesbauministerin Barbara Hendricks noch in diesem Jahr ein Förderprogramm für den Bau von Kleinwohnungen auflegen möchte, um insbesondere den Bau von Wohnungen für Einpersonenhaushalte zu fördern. Davon würden nicht nur Studenten und Auszubildende profitieren, sondern auch alleinstehende Geringverdiener bzw. Bezieher von Wohnhilfen.
Für den sozialpolitischen Sprecher der Leipziger SPD-Fraktion, Christopher Zenker, ist das zwar ein erster richtiger Schritt, um auch künftig in Großstädten und Ballungszentren bezahlbaren Wohnraum sicherzustellen. Aber es reicht nicht.
„Gerade kleine Wohnungen mit bezahlbaren Mieten sind in vielen größeren Städten, wie eben inzwischen auch bei uns, Mangelware. Schließlich sind solche Wohnungen nicht nur für Studenten oder Azubis mit einem schmalen Budget interessant, sondern eben beispielsweise auch für Rentner, alleinstehende Empfänger von Arbeitslosengeld II oder gar Flüchtlinge. Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag der Bundesbauministerin sehr begrüßenswert, weil damit Anreize geschaffen werden, dass entsprechende Kleinwohnungen neu gebaut werden können”, freut sich Zenker über den Vorstoß.
Dennoch könne das nur ein erster Schritt sein, denn auch größere Wohnungen mit vier und mehr Zimmern seien in Leipzig inzwischen knapp. In einem ersten Schritt sollte der Bund jene 518 Millionen Euro, die er jährlich für den sozialen Wohnungsbau an die Länder ausreicht, mit einer Zweckbindung versehen, damit diese auch tatsächlich für Wohnungsbau verwendet werden. Denn kein einziger Cent von den Millionen, die Sachsen aus diesem Programm bekommt, fließt in den sozialen Wohnungsbau. Das hatte zuletzt der Linke-Landtagsabgeordnete André Schollbach abgefragt. Tatsächlich unterstützt Sachsen mit dem Geld die Bildung von Wohneigentum für Leute, die mit der auf Sozialwohnungen angewiesenen Bevölkerung nun gar nichts zu tun haben.
Trotzdem bezeichnet der Freistaat dieses Programm als Förderung für sozialen Wohnraum.
Von den 46,3 Millionen Euro, die 2014 dafür ausgereicht wurden, gingen satte 25,3 Millionen Euro in die Förderung von Wohneigentum, 18,9 Millionen in die energetische Sanierung von Wohnungen und 2,1 Millionen Euro in die Förderung von Mehrgenerationenwohnugen. Und nicht nur die Bundesgelder sollten – so Zenker – endlich wieder dahin fließen, wofür sie eigentlich gedacht seien. Das Land selber sei gefordert, ein eigenes Programm für sozialen Wohnungsbau aufzulegen.
“Durch das starke Bevölkerungswachstum wird es auch in sächsischen Großstädten wichtig, wieder in den sozialen Wohnungsbau zu investieren. Dazu muss das Land die entsprechenden Mittel dafür auch an die Kommunen weiterreichen und spätestens mit dem nächsten Doppelhaushalt ein Förderprogramm auflegen”, fordert der SPD-Stadtrat. “Die Stadtverwaltung und die Leipziger Wohnungsbaugesellschaft sind gefordert, zügig die notwenigen Rahmenbedingungen und Planungen zu schaffen, um die Gelder abrufen zu können. Die Zeit drängt, denn das Förderprogramm für kleine Wohnungen gilt zunächst für Bauvorhaben, die bis 2018 abgeschlossen sind.“
Was er nur andeutet, könnte für den sozialen Frieden in Sachsen sogar eine enorme Rolle spielen. Denn mit solchen Förderprogrammen könnte auch auf nachhaltige Weise das Thema eines steigenden Bedarfs an Asylunterkünften angepackt werden. Denn natürlich werden für die Flüchtlinge, die nach Leipzig kommen, vor allem bestehende Wohnungen im allgemeinen Leipziger Wohnungsmarkt genutzt oder reaktiviert. Demselben Markt also, auf dem auch Singles und Einkommensschwache eine Wohnung suchen. So ein Programm würde endlich Struktur in die chaotische Asylpolitik des sächsischen Innenministers bringen – und es würde helfen, gerade in den Großstädten die Wohnungsmarktlage für die nächsten Jahre zu entspannen.
Denn was derzeit in Leipzig gebaut wird, kann schon allein aufgrund der bundesdeutschen Bauvorschriften nicht unter 6, 7 oder 8 Euro pro Quadratmeter angeboten werden. Wer gut genug verdient, findet attraktive Angebote in der ganzen Stadt. Doch ein Großteil der Leipziger kann sich Wohnungen dieser Preisklasse nicht leisten. Was nicht neu ist – deshalb war das Thema sozialer Wohnungsbau auch schon in den 1920er Jahren ein Mega-Thema der Stadtpolitik.
Keine Kommentare bisher
Nicht ein Euro ging in den sozialen Wohnungsbau. Nicht ein einziger Euro!
Wer trägt hierfür die Verantwortung und gibt es wirklich keine Möglichkeit sie/ihn rechtlich zur Verantwortung zu ziehen?
Es wurde offensichtlich Geld im großen Maße (46,3 Millionen) veruntreut!
Wohin verschwand das Geld?
Was heißt 25,3 Millionen in die Förderung von Wohneigentum – wessen Wohneigentum und was daran ist sozialer Wohnungsbau?
Wessen Häuser wurden für 18,9 Millionen Euro energetische saniert und was daran ist sozialer Wohnungsbau?
Und wo sind sie, die für 2,1 Millionen Euro geförderten Mehrgenerationenwohnungen. Und was machen mehrere Generationen in einer Wohnung?
In Häusern, das ist bekannt und sollte gefördert weren, aber in einer Wohnung?