Leipzig tut sich schwer mit seinem Wohnungspolitischen Konzept. Eigentlich hat die Stadt noch ein bezahlbares Mietniveau. Aber nicht mehr überall und nicht mehr für Jeden. Die alten Träume einer Stadt, in der alle sozialen Schichten sich auch überall im Stadtgebiet in schöner Mischung wiederfinden, gehen gerade den Bach runter.

Im jüngsten Sozialreport der Stadt, dem “Sozialreport 2014”, gibt es eine sehr einprägsame Grafik auf Seite 32, die zeigt, wie sich die Einkommen in den Leipziger Stadtbezirken langsam, aber stetig auseinander entwickeln. Die Ursache ist weniger das, was man so landläufig Verdrängung nennt. Ursache ist die Entstehung von attraktivem Wohnraum in bevorzugten innerstädtischen Lagen, der nicht nur ein höheres Mietniveau aufweist, sondern auch besser betuchte Mieter anzieht. Was dann dafür sorgt, dass das durchschnittliche Einkommensniveau etwa in Leipzig-Mitte und in Nord um 200 Euro pro Monat und Einwohner über dem Leipziger Median liegt. Median heißt: Die Hälfte aller ermittelten Einkommen liegen drunter, die Hälfte liegt drüber.

Andere Stadtteile – wie der Leipiger Osten oder der Westen liegen dann aufgrund der Bewohnerstruktur um 200 Euro unter diesem Stadt-Median.

Aktuell setzt die Leipziger Stadtverwaltung vor allem darauf, dass der Leipziger Wohnungsmarkt entspannt bleibt, weil dutzende Investoren derzeit auch wieder in den Geschosswohnungsbau investieren. Die Mieten, die dort aufgrund der modernen Bauweise entstehen, werden zwar um zwei, drei oder mehr Euro je Quadratmeter überm Leipziger Durchschnittsmietpreis von 5,38 Euro/m2 liegen. Aber noch werden solche Wohnungen von gut verdienenden Leipzigern nachgefragt. Für Einwohner mit kleinerem Geldbeutel gibt es dadurch noch Ausweichmöglichkeiten.

Aber wie lange geht das gut, wenn in Sachsen überhaupt keine Sozialwohnungen mehr gebaut werden?

Nach einer öffentlichen Veranstaltung am 29. Juni im Neuen Rathaus lag der Entwurf des Wohnungspoltischen Konzeptes öffentlich aus. Die Leipziger Linksfraktion empfiehlt nun allen Stadtbezirksbeiräten und Ortschaftsräten, diesen auf die Tagesordnung ihrer nächsten Sitzungen unmittelbar nach der Sommerpause setzen zu lassen, weil dies bisher nicht vorgesehen ist.

Die wichtigsten Themen liegen eigentlich auf dem Tisch, stellt der Sprecher für Stadtentwicklung der Linksfraktion, Siegfried Schlegel, fest: “Für Die Linke ist es ein wichtiges Anliegen, sozialer Ausdifferenzierung entgegenzuwirken und Gentrifizierung zu verhindern. Dies ist auch bei einem kapitalistischen Wohnungsmarkt möglich, wenn sich gemeinnützig agierende Wohnungsgenossenschaften und die LWB in allen Stadtbezirken engagieren, ihre Wohnungsbestände ausbauen und auf Verkäufe von Wohnanlagen verzichten. Neubau sowie Sanierung und Modernisierung müssen auf die Bedarfsdeckung von preiswerten, für alle langfristig bezahlbaren Wohnungen in Leipzig angelegt sein. Statt kurzzeitig billiger Wohnungen sollen diese langfristig sowohl für Mieter und Genossenschaftsmitglieder erschwinglich und für Vermieter wirtschaftlich sein.”

Nettoäquivalenzeinkommen nach Leipziger Stadtbezirken. Grafik: Stadt Leipzig, Sozialreport 2014
Nettoäquivalenzeinkommen nach Leipziger Stadtbezirken. Grafik: Stadt Leipzig, Sozialreport 2014

Was aber in der Breite nur geht, wenn die sächsische Staatsregierung das Geld, das der Bund für sozialen Wohnungsbau bereit stellt, auch wieder für diesen in Sachsen einsetzt. Das tut sie nämlich nicht. Sie finanziert davon vor allem Abriss und Wohneigentumsbildung. Mit dem Ergebnis, dass Sachsen das Bundesland ist, in dem die meisten Sozialwohnungen vom Markt verschwunden sind. Ein Fakt, den das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) nach Recherchen in allen Bundesländern belegen kann. Am Montag, 27. Juli, berichtete unter anderem “Die Zeit” darüber.

Doch die Mahnungen aus den Kommunen verhallen in Dresden ungehört. Im Dresdner OB-Wahlkampf schwatzte der zuständige Innenminister und OB-Kandidat Markus Ulbig kurzzeitig mal von mehr Sozialwohnungen in Dresden. Aber der Wahlkampf ist verhallt. Geändert hat sich nichts, obwohl Genossenschaften und kommunale Wohnungsgesellschaften mit den Füßen trappeln, um endlich wieder Sozialwohnungen bauen zu können.

Siegfried Schlegel appelliert an die anderen Fraktionen im Leipziger Stadtrat: “Parteien müssen sich im Landtag gemeinsam dafür stark machen, dass auch für Sachsen ein Maßnahmeplan zum sozialen Wohnungsneubau erstellt wird. Echten sozialen Mietwohnungsbau gab es in Sachsen lediglich zwischen 1991 und 1995. Trotz Bevölkerungswachstum wird gegenwärtig in Leipzig nur die Hälfte des Bedarfs an Wohnungen neu gebaut.”

Und noch mehr Druck gäbe es, wenn die Parteien auch Klarheit darüber hätten, was in der Leipziger Wohnungspolitik jetzt auf der Tagesordnung steht: “Um den Parteien die Möglichkeit zur gründlichen Diskussion nach der Sommerpause einzuräumen, sollte die Neufassung des Wohnungspoltischen Konzeptes im Oktober beschlossen werden. Im Herbst gibt es durch den städtischen Doppelhaushalt keine Haushaltsdebatte. Durch bereits beschlossene Haushaltsanträge – auch aus der Linksfraktion –  können bereits 2016 verschiedene finanziell untersetzte Maßnahmen auf den Weg gebracht werden. Dazu gehören die Bildung von Ankaufträgern, der Ankauf von Wohnbauflächen, ein Flächenmanagement zwischen Stadt und Wohnungsunternehmen, ein Beratungsmanagement zur Eigentumsbildung, Mietermodernisierung und Kleingenossenschaften, aber ebenso ein revolvierender Stadtentwicklungsfonds zur Vorfinanzierung von Projekten. Wenn vereinzelt kritisiert wird, dass Ziele des Konzeptes nicht weit genug gehen, so ist uns wichtig, dass es von der Wohnungswirtschaft in Gänze mitgetragen wird.”

Denn wenn der Leerstandspuffer aufgebraucht ist, erhöht sich der Druck auf den Leipziger Wohnungsmarkt fast zwangsläufig. Dass ganze sechs Jahre ausgereicht haben, dass sich der Wind auf dem Leipziger Wohnungsmarkt um 180 Grad gedreht hat, lässt Schlegel eher kalt. Mittlerweile hat man sich auch bei den Linken an das Leipziger Tempo gewöhnt. Und was 2008/2009 noch für Hitzewallungen sorgte, ist 2015 tatsächlich Schnee von gestern. Aus der mächtig schrumpfenden Stadt ist eine mächtig wachsende Stadt geworden.

Siegfried Schlegel: “Waren es 2009 Bevölkerungsrückgang und Wohnungsleerstand, die einen solchen Antrag erforderten, so drängen aktuell der dynamische Bevölkerungszuwachs sowie soziodemografische Veränderungen auf eine Aktualisierung der städtischen Wohnungspolitik. Auch der Fachplan Wohnen des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes und des Wohnraumversorgungskonzeptes sollten fortgeschrieben werden. Der Stadtrat beschloss für die Erarbeitung und die Diskussion des Entwurfs eine breite Akteurs- und Bevölkerungsbeteiligung.”

Der Herbst könnte also von der Diskussion über das Wohnungspolitische Konzept dominiert sein. Ob freilich im Oktober schon die endgültige Beschlussfassung vorliegt, ist bei der Komplexität des Themas wohl eher sehr ehrgeizig gedacht.

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