Daniela Kolbe ist seit 2009 Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Sie wurde über die Landesliste der SPD gewählt. Die Diplom-Physikerin studierte in Leipzig. Im Bundestag ist sie stellvertretende Vorsitzende im Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung. In der SPD-Bundestagsfraktion ist sie Sprecherin der Landesgruppe Ost. Am 07.11.2015 soll sie zur Generalsekretärin der SPD Sachsen gewählt werden. Themen des Interviews: Kirche und Staat, Flüchtlingspolitik, Armut und Reichtum sowie Politik und Wahlen.
Armut und Reichtum
Am 18. Juni haben Sie eine Bundestagsrede zum Armuts- und Reichtumsbericht gehalten. Sie haben darauf hingewiesen, dass die Schere zwischen arm und reich zu weit auseinanderklafft und erläutert, dass ungleiche Verteilung auch die Wirtschaftsentwicklung behindert. Was kann die Politik dagegen tun?
Erstmal ist die Verteilungsfrage nicht nur wegen wirtschaftlicher Auswirkungen wichtig, sondern auch aus einer Gerechtigkeitsperspektive. Das ist mir ganz wichtig. Es empfinden auch ganz viele Menschen als schreiend ungerecht. Gerade bei Kindern hängen die Lebenschancen immer stärker davon ab, in welche Familie sie hineingeboren werden. Das ist eine Riesenungerechtigkeit und da muss die Politik handeln. Es gibt die unterschiedlichsten Möglichkeiten, das zu tun. In den Wahlkampf sind wir als SPD mit dem Vorhaben gegangen, die Steuerverteilung zu verändern.
Da hat sich die SPD in den Koalitionsverhandlungen nicht durchgesetzt.
Leider. Ich halte es aber nach wie vor für wichtig, zu sagen, dass sehr breite Schultern auch sehr viel für das Gemeinwohl leisten sollten. Ich habe den Eindruck, dass das in der Bevölkerung oft falsch verstanden wird. Der Spitzensteuersatz, den wir gerne anheben wollen, wird recht selten gezahlt. Die allermeisten Leipzigerinnen und Leipziger sind weit davon entfernt. Aber es gibt in Deutschland sehr viele Menschen, die sehr reich sind und die sollten stärker zur Finanzierung herangezogen werden. Da reden wir auch über Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer. Da geht es nicht um den Durchschnitts-Leipziger. Gerade in Ostdeutschland ist sehr wenig Vermögen. Im Westen aber wird ganz viel Vermögen vererbt. Es macht einen Unterschied, ob ich mein Studium von Grund auf selbst finanziere oder ob ich ein Mehrfamilienhaus erbe und mir damit ein Studium ganz anders leisten kann.
Ein anderer Aspekt sind die Löhne, also den Zugang zu Arbeit zu ermöglichen und die Lohnpolitik so zu gestalten, dass, wer arbeitet, davon auch leben kann. Da haben wir schon einiges hinbekommen. Wir haben den Mindestlohn eingeführt, der dazu führen wird, dass Facharbeiter sich nicht mit 8,50 abspeisen lassen. Sie werden sagen, wenn der ungelernte Hilfsarbeiter 8,50 bekommt, dann habe ich mehr verdient. Das ist auch richtig so. Wir wollen gute Tariflöhne, wir wollen, dass Menschen vernünftig verdienen, damit sie davon vernünftig leben können und später eine vernünftige Rente bekommen. Dazu werden wir auch Leiharbeit und Werkverträge regulieren.
Viele arbeiten seit 10 Jahren in Leiharbeit, haben Sie im Bundestag gesagt. Da wollen Sie eine Höchstüberlassungsdauer festlegen, wie sie auch im Koalitionsvertrag steht.
Nach spätestens 18 Monaten soll nach Koalitionsvertrag eine Übernahme stattfinden. Das Gesetz dazu ist in der Vorbereitung. Es ist ein ziemlich kompliziertes Gebiet, nicht unbedingt die Leiharbeit, aber die Werkverträge. Aber wenn ich nur die Leiharbeit reguliere, würden die Unternehmen auf Werkverträge ausweichen. Daher nehmen wir beides in den Blick, um Missbrauch zu vermeiden. Das wollen wir in diesem Jahr noch schaffen.
Würden Sie ein Grundeinkommen befürworten?
Ich bin dezidiert gegen ein Grundeinkommen.
Politik und Wahlen
Sie sind designierte Generalsekretärin der SPD Sachsen. Welche Aufgaben wollen Sie da vor allem angehen?
Ich habe mir vorgenommen, darauf zu achten, dass die sächsische Sozialdemokratie die Mundwinkel weiterhin nach oben trägt. Wir haben einen großartigen Landtagswahlkampf geführt. Da hätte der Balken etwas länger nach oben gehen dürfen, aber es hat in die richtige Richtung gezeigt. Wir haben einen tollen stellvertretenden Ministerpräsidenten mit Martin Dulig und auch Ministerinnen wie etwa Petra Köpping, auf die ich einfach stolz bin, weil sie die Asylfrage angeht. Wir wollen in kleinen Schritten vorwärts gehen. Auf diesem Weg will ich die SPD begleiten und ein paar Impulse setzen.
Was möchten Sie konkret dafür tun, dass mehr Menschen wählen gehen?
Die Wahlbeteiligung nach oben zu bringen, ist eine große Herausforderung. Sicherlich schafft man das mit den richtigen Themen, die wir auch gesetzt haben: Arbeit, Bildung, bessere Betreuung in den Kitas, bessere Polizeiausstattung. Was mich darüber hinaus bedrückt, ist, dass niedrige Wahlbeteiligung auch viel mit sozialem Status zu tun hat. Leider ist es so, dass Menschen, denen es sozial nicht so gut geht, in der Tendenz auch deutlich seltener zur Wahl gehen. Mit der Konsequenz, dass sie dann auch schlechter repräsentiert sind.
Da gibt es keine einfache Antwort, wie man diese Menschen motivieren kann, wieder an die Wahlurne zu gehen. Wichtig ist natürlich, gute Politik zu machen und mit den Menschen zu sprechen, um deutlich zu machen: auch wenn es sich so anfühlt, als würde Politik nichts bringen, ist das ein Irrglaube. Es gibt einen guten Grund, warum die ganzen Gutverdiener wählen gehen. Sie wissen, dass es durchaus einen Unterschied macht, wer in der Regierung ist. Ich habe den Eindruck, dass viele den Einfluss von Politik auf ihr ganz persönliches Leben unterschätzen; und auch die positiven Möglichkeiten, die Politik eröffnet.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Wir haben einen großartigen Landtagswahlkampf geführt. Da hätte der Balken etwas länger nach oben gehen dürfen, aber es hat in die richtige Richtung gezeigt. Wir haben einen tollen stellvertretenden Ministerpräsidenten mit Martin Dulig und auch Ministerinnen wie etwa Petra Köpping, auf die ich einfach stolz bin, weil sie die Asylfrage angeht.
Aber Frau Kolbe, bitte nicht übertreiben. Lassen Sie die Kirche im Dorf. Der Wahlkampf der SPD in Sachsen war miserabel, was das Ergebnis auch gezeigt hat, Auch an der geringen Wahlbeteiligung trägt die SPD eine große Schuld, obwohl sie das nicht einsehen will!
Ich habe vor den Landtagswahlen sowohl Herrn Dulig, als auch Frau Köpping intensiv darauf hingewiesen, dass auch in Sachsen dringend eine Reform der kommunalen Finanzkontrolle her muss, weil es keine ordnungsgemäße Kontrolle der Steuergelder gibt. Auch Sie, Frau Kolbe, habe ich darüber informiert. Ich bin mir zu 100,0 % sicher, dass mit dieser Thematik das Schiff “CDU” in schwere See gekommen wäre. Meine Unterstützung hätte die SPD gehabt. Weshalb wurde diese Thematik nicht aufgegriffen?
Die Messen sind in Sachsen gesungen, also die Landtagswahlen. Es gibt gegenwärtig nur eine Partei im Sächsischen Parlament, die nach meiner Kenntnis scheinbar bereit ist, diese längst überfällige Thematik aufzugreifen. Nun raten Sie einmal wer das ist? Das ist in Sachsen die AfD. In Brandenburg sind es die Freien Wähler. In Berlin werden es wahrscheinlich “Die Piraten” sein. Weitere Bundesländer werden folgen. Ich arbeite intensiv daran.
In keinem Bundesland ist gegenwärtig die SPD gewillt, sich für eine Reform der kommunalen Finanzkontrolle einzusetzen. Wie ist das erklärbar?
Weshalb mag die SPD keine ordnungsgemäße Kontrolle der Steuergelder?