Im Juni hat sich die Leipziger Verwaltung vom Stadtrat das Okay zur Ausschreibung der Leipziger Außenwerbekonzession geholt. Seit über 20 Jahren gelten die alten Verträge. Und eine richtige Steuerung dessen, was in Leipzigs öffentlichen Räumen aufgestellt und gezeigt werden darf, scheint es nicht zu geben. Die Grünen knöpfen sich mal wieder das Thema Alkohol vor.
Manchmal hat man ja bei der Fahrt durch Leipzig das Gefühl, dass es außer Alkohol, Zigaretten und Unterwäsche für magere Damen nichts mehr gibt, was beworben werden könnte. Und zuweilen stellt sich dabei auch die Frage, warum das ausgerechnet an Litfaßsäulen und Aufstellern mitten im Weg passieren muss. Selbst die Schulwege der Kinder sind damit gepflastert. Wie wirkt so eine Aufforderung zum kühlen Schluck oder zur prolligen Feierabendsause eigentlich auf die Jugendlichen? Wirkt sie überhaupt noch?
“Alkoholwerbung muss eingeschränkt werden”, findet der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen. “Alkoholabhängigkeit ist mit Abstand die größte Herausforderung in der Drogenpräventionsarbeit. Die Zahlen von Abhängigen liegen weit über denen anderer Drogenabhängigkeiten. Alkoholwerbung stellt dabei einen wesentlichen Faktor für die Duldung von Alkoholmissbrauch dar. Alkohol und Alkoholwerbung werden jedoch immer noch bagatellisiert, dabei sind die Auswirkungen von Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit weitaus drastischer als bei illegalen Drogen und stellen so ein riesiges Problem dar.”
Zumindest ist es ein Problem, das ebenso schwer wiegt wie alle anderen Suchtprobleme. Alkohol ist für viele Jugendliche die Einstiegsdroge in eine Karriere des Suchtmittelmissbrauchs, ebenso “schick” und “cool” beworben wie das Rauchen. Andererseits sind gerade große Getränkehersteller wesentliche Sponsoren für große Leipziger Feste – mal ganz abgesehen von der Bundeswehr-Werbe-Orgie zum letzten Stadtfest. Aber hat eine Stadt, wenn sie solche Feste veranstaltet oder veranstalten lässt, nicht die Pflicht darauf zu achten, wer da eigentlich für was wirbt?
“Wir müssen darüber diskutieren, ob es notwendig ist, dass bei jedem Stadtfest Alkoholwerbung präsent ist. Wir müssen darüber diskutieren ob und in welchem Maße Alkoholwerbung im Stadtbild notwendig ist. Alkohol scheint so immer verfügbar und gesellschaftlich anerkannt. Alkohol kann aber abhängig machen. Sucht entsteht aber nicht von heute auf morgen”, sagt dazu Christin Melcher, Vorstandssprecherin der Leipziger Grünen.
Und Judith Künstler, Stadträtin der Grünen im Leipziger Stadtrat, ergänzt: “Abhängige kommen so regelmäßig in Versuchung. Aber auch Jugendliche bedürfen unserer Aufmerksamkeit. Denkbar ist demnach zunächst ein Verbot von Alkoholwerbung in einer Bannmeile rund um Schulen.”
Und wie kann man so eine Bannmeile schaffen?
Die Grünen schlagen vor, das bei der Neuvergabe der Außenwerbekonzession mit zu berücksichtigen: Im Zuge des Verhandlungsverfahrens bei der Vergabe der Werbekonzessionen möge die Stadt die Möglichkeit einer eingeschränkten Alkoholwerbung, beispielsweise vor Schulen, prüfen, so die Grünen-Politikerinnen. So könne die Stadt zumindest auf kommunalen Flächen Einfluss nehmen.
Mittelfristig sollten – so die Leipziger Grünen – freilich die entsprechenden Landes- und Bundesgesetze geändert werden, um für Alkoholmissbrauch zu sensibilisieren. Drogenprävention habe viele Gesichter, aber anders als bei Alkohol gäbe es bei anderen Drogen keine gesellschaftliche Anerkennung und regelmäßige Verfügbarkeit. Finden zumindest die Grünen. Aber das Thema Nikotin wurde ja schon benannt. Und auch viele Medikamente zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit sind gesellschaftlich anerkannt, obwohl sie bei Missbrauch ebenso suchtgefährdend sind wie Alkohol & Co.
Vielleicht sollte in den Schulen nicht nur das Thema Drogenmissbrauch thematisiert werden, sondern die Suchtgefährdung an sich. Denn auch wenn in Bannmeilen um Leipzigs Schulen keine Alkoholwerbung mehr auftauchen sollte, leben die Kinder weiter in einer Gesellschaft, die viele Süchte nicht nur toleriert, sondern geradezu ausufernd bewirbt. Nicht nur an Litfaßsäulen – auch auf dutzenden TV-Kanälen, in Zeitungen, Magazinen und in unüberschaubaren Mengen von Internetangeboten.
Selbst die Leipziger Suchtberatungsstellen können meist erst dann tätig werden, wenn die Jugendlichen der Sucht auf den Leim gegangen sind. Eine Gesellschaft wie unsere, die so gespickt ist mit Suchtmitteln und Rauschangeboten, sollte vielleicht ein bisschen mehr tun, schon die Heranwachsenden zu stärken im Umgang mit den Verheißungen einer rosaroten Welt.
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