Eigentlich sah der 21. Mai nach einem ganz normalen, stinklangweiligen Tag aus: bedeckter Himmel, eher Aprilwetter als Maiwetter, so ein richtiges Sitzungswetter für den Leipziger Stadtrat, der so nebenbei mal wieder eine Vorlage mit dem harmlos klingenden Titel "Leipziger Jubiläen des Jahres 2016" durchwinken sollte. Aber dann traten ein paar sehr erboste Städträtinnen und Stadträte ans Pult und schickten das 29-Seiten-Papier zurück ins Amt.

Es standen zwar forsche 450.000 Euro drin für zweieinhalb Jubiläen, die das Kulturamt und die LTM glauben, 2016 in Leipzig feiern zu müssen. Aber was davon bezahlt werden sollte, stand nicht drin. Und wer das Geld bekommen sollte, auch nicht. Für CDU-Stadtrat Michael Weickert war es auch Anlass, an den Vorstoß seiner Fraktion zur künftigen Kontrolle der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH (LTM) zu erinnern.

Die hatte erst im Herbst eine deutliche Etataufstockung beantragt und auch bewilligt bekommen. Aber einige Vorlagen aus dem Kulturdezernat muten mittlerweile an wie zusätzliche Geldzuschüsse, die man der LTM irgendwie zukommen lassen will – verpackt in der Regel in Jubiläen und Festivitäten. Das ist auch diesmal der Fall, auch wenn das am 21. Mai in der Vorlage nicht ersichtlich war.

Diesmal hat das Kulturdezernat wenigstens die einzelnen Kostennoten mit drangehängt, die das Reger-Jubiläum 2015 231.000 Euro teuer machen sollen. Dabei sollen 141.000 Euro vor allem in die Organisation von Veranstaltungen und Konzerten fließen, 70.000 Euro aber in die Werbung. “Kommunikation” steht drüber. Davon sollen 35.000 Euro an die Kamprad Verlagsgruppe fließen (die bis jetzt schon das Gewandhaus werbetechnisch unterstützt), 10.000 Euro an SINNergy (die sind schon mit dem Marketing für den Thomanerchor betraut) und 25.000 Euro an die LTM. Für “Betreuung Zielgruppe Reisegruppen (Städtetourismus), Reiseangebote, überregionale Großwerbung, Anzeigenwerbung” steht da. Was natürlich die Frage aufwirft: Bekommt die LTM die jährlichen Jubiläen tatsächlich nicht in seinem Budget unter? Oder gibt es einen Vertrag, der der LTM Kostenzuschüsse garantiert, wenn die Stadt besondere Jubiläen feiern will?

Werben für Luther: 65.000 Euro

Noch verwirrender wird es beim Antragspunkt “Werbemaßnahmen Dekadenjahr Reformation 2016”. Hier spricht das Kulturamt von 100.000 Euro, die nötig wären. Untersetzt sind hier gleich mal 65.000 Euro mit Werbemaßnahmen der LTM. Auch diese 65.000 Euro gehen also an die LTM. Man versteht die Zweifel der CDU an der Finanzierung der LTM und der nicht vorhandenen Kontrolle durch den Stadtrat. Im Grunde geht es um Flyer, Anzeigenschaltungen und Großplakate zum Thema “Leipzig und Luther”. Oder doch eher, wie es an anderer Stelle der Vorlage heißt: “Spiritueller Tourismus”? – Da staunt man eher, dass das im normalen Budget der LTM für die Jahresplanung nicht vorgesehen ist.

20.000 Euro sind als Finanzierung für das Projekt “Botschafter der Reformation” gedacht. Da will man Referend Roger Moore aus Leipzigs Partnerstadt Houston für drei Jahre nach Leipzig einladen. Und 15.000 Euro für noch nicht definierte “Kunst am Lutherweg”.

Aber zumindest stehen jetzt diese Zahlen in der Vorlage, die jetzt statt 29 Seiten 31 Seiten dick geworden ist. Den meisten Platz nehmen die vollmundigen Beschreibungen des touristischen Effekts der zweieinhalb Jubiläen ein.

90.000 Euro für eine Leibniz-Installation

Das zweite ist das Leibniz-Jubiläum zum 300. Todestag des in Leipzig geborenen Universalgelehrten. Das soll insgesamt 150.000 Euro kosten. Doch hier ist diesmal nicht angegeben, wer die 20.000 Euro für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit bekommen soll. Es darf geraten werden.

Die Stadträtin der Linksfraktion Mandy Gehrt wird dafür staunen: Ihr Antrag, den sie am 21. Mai eingebracht hat, wurde erhört. Jetzt ist auch die geplante Beteiligung der freien Kulturszene mit Geld untersetzt. Nicht mit den 30.000 Euro, die sie beantragt hatte, aber mit 15.000 Euro. Man will ja die freien Künstler nicht mit Geld zuschütten.

Einen freien Künstler aber schon: Das ist der Bursche, den man sich ausgeguckt hat, damit er den Leipziger Honoratioren eine künstlerische Installation zum Thema Leibniz auf den Johannisplatz setzt. Jetzt ist auch die Summe nachlesbar, die man hier generös ausgeben möchte: 90.000 Euro.

Man macht also einfach so weiter wie beim Freiheits- und Einheits-Denkmal: Man schenkt den Leipzigern ein Denkmal. Diesmal von ihrem eigenen Geld. Den Künstler, der hier seine Meriten verdienen soll, hat man sich scheinbar schon ausgeguckt: “Dazu soll ein bekannter Künstler gewonnen werden, der an der Schnittstelle zwischen naturwissenschaftlich-technischen Untersuchungen und zeitgenössischen künstlerischen Auseinandersetzungen arbeitet. Vorgespräche wurden bereits aufgenommen; diese wurden mit einer Ortsbegehung fortgesetzt.”

Zumindest haben die Stadträte jetzt alle Zahlen vor sich. Ob ihnen die Vorlage besser gefällt als die vom Mai, wird man am 8. Juli sehen. Da soll das Papier im Stadtrat abgestimmt werden.

Die neue Vorlage zu den zweieinhalb Jubiläen 2016.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar