Es steckt eine Menge Arbeit in der neuen Sondernutzungssatzung, die das Dezernat Stadtentwicklung und Bau der Stadt Leipzig in dieser Woche vorgelegt hat. Sondernutzungen: Das sind alle Nutzungen von Straßen, Fußwegen, Plätzen in der Stadt, die genehmigungspflichtig sind. Ein Streitthema seit 25 Jahren. Das in der letzten Zeit kulminierte. 2013 führte es sogar zu einem Gerichtsprozess, weil die Kosten explodierten.
Grund dafür war eine neue Gebührenkalkulation für die Marktschreiertage und die Bierbörse auf der Straße des 18. Oktober in der Nähe des Völkerschlachtdenkmals. Das Gericht monierte die Vorgehensweise. Denn irgendwie hatte sich die Stadt dabei mehr als ungeschickt angestellt. In der Begründung zur neuen Sondernutzungssatzung erklärt die Verwaltung jetzt, worum es eigentlich ging: Man wollte das Leipziger Gebührenniveau für solche Veranstaltungen an das in Dresden übliche anpassen, die Gebühr für die 100 Quadratmeter, die in Anspruch genommen wurden, von 15 auf 40 Euro pro Tag erhöhen.
Am Ende aber stellte sich auch der Stadtrat quer und verlangte von den zuständigen Ämtern, eine neue Gebührenformel zu finden, die wieder ein Preisniveau wie 2011/2012 ermöglicht. Das bedeutet natürlich auch wieder Einnahmeverluste für die Stadt.
Aber auch der Handzettelstreit taucht in der Diskussion der neuen Satzung auf. Die Stadt hatte doch tatsächlich von Vereinen und Initiativen, die in der Leipziger Innenstadt Handzettel verteilen wollten, Geld verlangt. Jetzt gesteht die Verwaltung ein, dass das tatsächlich ein Eingriff in die politische Meinungsfreiheit war.
Freisitze spielen bei jeder Diskussion um die Sondernutzungssatzung eine Rolle. Zwei Fälle sind diesmal besonders Leipzig-typisch. Das eine ist der Kampf um die Aufstellung von Bänken: Manche Händler wollten vor ihren Läden Bänke aufstellen, damit sich die Kundschaft mal hinsetzen und ausruhen konnte. Die Frage war: Muss dafür bezahlt werden wie für einen kommerziellen Freisitz oder nicht?
Das salomonische Urteil der Verwaltung: Die Bänke sind unbedingt genehmigungspflichtig – immerhin stehen sie im öffentlichen Raum. Aber sie sind nicht gebührenpflichtig.
Und dann war da noch der Kampf um den Mensa-Freisitz, der 2013 auf einmal bedroht war, weil die Stadt auf Basis der alten Sondernutzungssatzung ihre Forderung nach Gebühren schickte. Das Studentenwerk Leipzig als Betreiber der “Mensa am Park” und des Freisitzes hatte dieses Extra-Geld natürlich nicht. Da stellten sich gleich mehrere Stadtratsfraktionen auf die Hinterbeine. Die Grünen stellten den Antrag, den Unfug zu unterlassen und den Mensa-Freisitz gebührenfrei zu stellen.
Es wird keine Extra-Wurst für den Mensa-Freisitz geben. Das hatte die Verwaltung schon in einem eigenen Standpunkt klar gemacht. Wenn, dann müsste man für die Satzung eine Definition für Sondernutzungen finden, die gebührenfrei bleibt – egal, wer die Nutzung betreibt. Befreiungstatbestand heißt das. Aber die Verwaltung ahnt schon wieder weitere Konflikte.
Und so heißt es in der Erklärung des Baudezernates jetzt: “Darüber hinaus wurde eine Regelung getroffen, dass der ‘Mensafreisitz’ künftig von der Pflicht zur Zahlung von Sondernutzungsgebühren, nicht aber von der Erlaubnispflicht befreit werden kann. Der ‘Mensafreisitz’ ist dadurch nicht mehr nur für die erste und somit ausgeschöpfte Saison nach Ersteröffnung von der Gebührenpflicht befreit, sondern auch für die künftigen Jahre. Dem Änderungsantrag Nr. A-00069/14-ÄA-002 der CDU-Fraktion und dem Antrag Nr. V/A 558 der Bündnis 90/Die Grünen-Fraktion soll insoweit gefolgt werden, dass die Gebührenbefreiung für den ‘Mensafreisitz’ mit der Neufassung der Sondernutzungssatzung umgesetzt werden kann.
Um einerseits den Anträgen zu entsprechen und andererseits aber keine unzulässige spezialgesetzliche Regelung für den ‘Mensafreisitz’ zu schaffen, wurde eine satzungsmäßige Gebührenfreiheit auf gemeinnützige Einrichtungen, die satzungsmäßig einen Versorgungsauftrag haben, geregelt, auch wenn dies mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz in der Zukunft problematisch werden kann. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Erweiterung von Befreiungstatbeständen die Satzung angreifbarer macht.”
Eine gewisse Freude über die Neuregelung kommt bei den Grünen auf. Norman Volger, ordnungspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Meine Fraktion hatte den Antrag ‘Sondernutzungssatzung anpassen – Mensafreisitz gebührenfrei stellen (Antrag 558/14)’ eingereicht, um die Einarbeitung der Gebührenbefreiung des Freisitzes der Mensa am Park in die Sondernutzungssatzung zu erwirken. Vor einem Jahr war bekannt geworden, dass die Zahlungsaufforderung von 4.200 Euro für die Nutzung des öffentlichen Raumes als Freisitz dessen Weiterbestand gefährdete. Die Zahlung war daraufhin dankenswerterweise von der Sparkassenstiftung übernommen worden.”
Eigentlich hätte die Verwaltung auch selbst auf die Idee kommen können, gemeinnützige Einrichtungen in der Sondernutzung anders zu behandeln als kommerzielle.
“Die Stadt Leipzig steht aus unserer Sicht in einer Mitverantwortung für die hier lebenden Studierenden”, stellt Volger fest. “Das Studentenwerk hat erklärt, keine Möglichkeiten zu sehen, die Freisitzgebühren verträglich auf den Preis des Essens umzulegen. Die neue Innenstadt-Mensa und der angeschlossene dazugehörende Freisitz werden ganztägig bestens angenommen. Die innen verfügbaren Plätze würden bei weitem nicht ausreichen, um allen Gästen einen Sitzplatz zu gewährleisten, denn der Freisitz ist in den Betrieb und in den Ablauf der Mensa einkalkuliert. Somit musste eine Lösung für den unverzichtbaren Freisitz gefunden werden.“
Die Grünen freuen sich also, “dass durch die Stadtverwaltung zusammen mit dem Studentenwerk für die neue Sondernutzungssatzung eine vernünftige Regelung gefunden worden ist. “Gemeinnützige Einrichtungen mit Versorgungsauftrag“ sind also von den Gebühren zu befreien. Noch ist das so nicht beschlossen. Das Paket muss noch in die Ratsversammlung. Die Satzung soll dann mit Beschluss durch den Stadtrat im September rückwirkend zum Jahresanfang 2015 in Kraft treten, womit auch keine Gebühren für 2015 für die Mensa am Park anfallen sollten.
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Neben dem Ermessensspielraum, den eine Behörde oder ein Dezernat immer hat, gibt es noch die Haltung der wohlwollenden Prüfung.
Die Stadtverwaltung zu Leipzig scheint dieses Wohlwollen aber gar nicht zu wollen, sondern stellt sich dumm und technisch, wie im Artikel sehr schön zu lesen ist:
>Eigentlich hätte die Verwaltung auch selbst auf die Idee kommen können, gemeinnützige Einrichtungen in der Sondernutzung anders zu behandeln als kommerzielle.
Dass die Stadt auch anders kann, beweist das Verkehrsamt nahezu wöchentlich mit Eigensinnigkeiten, Eseleien und Kinderstreichen, und nimmt es damit auf sich, Stadtratsbeschlüsse ständig zu unterlaufen.
Wäre schön, wenn sich in der Stadtverwaltung Wohlwollen und Vernunft einmal befreunden würden.