Wahrscheinlich war es nur ein Nebensatz, der CDU-Senior Konrad Riedel da herausrutschte, als er in der Debatte um die Seniorenwohnanlage in Paunsdorf in Polemik gegen Wagenplätze in Leipzig ausbrach und behauptete, dass die Stadt die widerrechtliche Nutzung von öffentlichen Flächen durch Wagenplätze dulden würde. Denn das Thema wurde in der CDU-Fraktion gerade heiß diskutiert. Wagenplätze mag Leipzigs CDU nicht.

Und dazu hat die CDU-Fraktion auch wieder eine neue Anfrage gestellt – nicht die erste. Das Thema kommt immer wieder auf den Tisch. Diesmal heißt die Anfrage: “Ambulante Wohnformen (sog. ‘Wagenburgen’) auf städtischen Grundstücken”. Das hat eigentlich nichts mit der Seniorenwohnanlage in Paunsdorf zu tun. Dort hat Leipzigs Stadtverwaltung ziemlich spät – nämlich 2013, nachdem viele Senioren schon seit Jahren in dieser Wohnanlage ihren Lebensabend verbrachten, mitbekommen, dass der Betrieb der Senioren-Residenz Amalie dem geltenden Bebauungsplan widerspricht und die Anlage dort quasi illegal betrieben wird. Im Frühjahr 2015 wurden die BewohnerInnen aufgefordert, bis April 2016 auszuziehen. Der Betreiber ringt mit der Stadt zwar noch immer um eine Lösung, die Anlage an dieser Stelle zu erhalten. Aber der geltende Bebauungsplan, den der Stadtrat beschlossen hat, bietet derzeit keine Spielräume dafür.

Anders verhält es sich mit den Wagenplätzen, die zwar zumeist im ersten Schritt “wild” entstehen. Aber die Wagenleute stehen immer unter dem Druck, die Nutzung der beanspruchten Flächen auf irgendeine Weise zu legalisieren. Das trifft auch auf die seit 2013 diskutierten Wagenplätze am Karl-Heine-Kanal und an der Fockestraße zu. Doch während beide Wagengruppen darum ringen, die Nutzung mit der Stadt zu verrechtlichen, scheint das Interesse der CDU-Fraktion darauf gerichtet, die Wagenleute ganz von den Grundstücken zu verdrängen.

Das jedenfalls ist der Tenor der Anfrage, die die Fraktion jetzt ins Verfahren gegeben hat.

“Wann ist in diesem Sinne mit der Räumung des Geländes zu rechnen ?”

“In der Ratssitzung am 15.10.2014 thematisierte die CDU-Fraktion die sog. ‘Wagenburg’ an der Nordseite der Karl-Heine-Straße. In seiner Antwort bestätigte der zuständige Bürgermeister, dass der betroffene Geh- und Radweg entlang des Karl-Heine-Kanals faktisch dem Gemeingebrauch entzogen ist und stellte eine Räumung des Geländes im Zeitraum 1. bis 2. Quartal 2015 in Aussicht. Aufgrund der Lage im öffentlichen Verkehrsraum und der faktischen Aufhebung des Gemeingebrauchs handelt es sich hier um einen besonders problematischen Fall, jedoch gibt es noch weitere ‘Wagenburgen’ auf städtischen Grundstücken. – Was hat die Stadtverwaltung seit dem 15.10.2014 unternommen, um den Gemeingebrauch für den o.g. Geh- und Radweg wiederherzustellen und die Voraussetzungen für die städtebauliche Entwicklung des Jahrtausendfeldes zu schaffen? Wann ist in diesem Sinne mit der Räumung des Geländes zu rechnen?”

Ob nun ausgerechnet die Wagenleute “die städtebauliche Entwicklung des Jahrtausendfeldes” behindern, darf wohl bezweifelt werden. Im Gegenteil: Die Wagenleute suchen schon seit über einem Jahr gemeinsam mit der Stadt nach einer Lösung. Und illegal sind sie weder am Jahrtausendfeld noch auf der Fockestraße 80, kommentiert die Linke-Stadträtin und Landtagsabgeordnete Juliane Nagel die CDU-Polemik: “Beide Grundstücke wurden den BewohnerInnen durch die Stadt zugewiesen. Während für den Wagenplatz in Plagwitz eine städtische Ersatzfläche in der Demmeringstraße zur Verfügung gestellt wird, bemühen sich die BewohnerInnen der Fockestraße 80 derzeit um Kauf oder Pacht des Geländes, auf dem sie bereits seit 14 Jahren leben.”

Bundesrecht mit Leerstellen

Und nicht nur dort sind diese Leipziger, die die alternative Wohnform Wohnwagen bevorzugen, nicht illegal. Juliane Nagel, die die Szene ganz gut kennt: “Weitere Wagenplätze in Leipzig haben ihre Stellflächen gekauft oder von der Stadt oder einem Privateigentümer gepachtet. Das Problem der notwendigen Duldung von Wagenplätzen liegt in bundesrechtlichen Leerstellen. So ist das Wohnen in Wagen bauplanungs- und bauordnungsrechtlich schwierig bis unmöglich. Das ist beim SeniorInnenwohnen anders: wenn solche Wohnformen baurechtlich zulässig sind, gibt es kein vergleichbares Problem wie beim Wohnen in Wagen. Ergo: Eine notwendige Lösung für die SeniorInnenanlage in Paunsdorf hat nichts, aber auch gar nichts, mit der Zukunft der Wagenplätze in Leipzig zu tun. Herr Riedel sollte sich auf sein Engagement für SeniorInnen besinnen, anstatt Äpfel mit Birnen zu vergleichen.”

Aber hinter der Verquickung steckt trotzdem ein neuer Versuch der CDU, die Wagenleute aus dem Leipziger Stadtbild zu drängen.

Entsprechend suggestiv ist auch der Fragenkatalog, den die CDU-Fraktion der Verwaltung jetzt vorgelegt hat:

“Auf welchen weiteren städtischen Grundstücken gibt es derzeit sog. ‘Wagenburgen’?

Bitte für jedes dieser Grundstücke auflisten:

a) Wird die Nutzung geduldet oder gibt es einen Nutzungsvertrag (Pacht, Gestattung o.ä.)?

b) Im Falle eines Nutzungsvertrags: ist dieser befristet oder unbefristet, und in welcher Höhe wird ein Nutzungsentgelt gezahlt?

c) Sind die Bewohner an Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Abfallentsorgung angeschlossen?

Falls Nein: auf welcher Rechtsgrundlage verzichtet die Stadt Leipzig auf die Durchsetzung ihrer Rechte gemäß § 14 SächsGemO?

Wie erfolgt die Stromversorgung?

d) Welchen baurechtlichen Status hat das Grundstück (Darstellung im FNP, Innen/Außenbereich)?”

Kita gegen Wagenplatz

Und man hört auch ein paar Nachtigallen trapsen, wenn die CDU-Fraktion noch einen extra Fragenkatalog zur Fockestraße anfügt, wo in letzter Zeit schon neue Wohnbebauung entstanden ist.

“Zu diesen Grundstücken zählt u.a. die Fockestraße 80. Dieses städtische Grundstück dürfte aufgrund der baulichen Vorprägung bebaubar sein”, stellt die CDU-Fraktion in ihrer Anfrage fest. “Angesichts des weiterhin hohen Bedarfs an wohnortnahen Kita-Plätzen für die Südvorstadt wäre für uns die Bebauung mit einer Kita vorstellbar. Denkbar wäre aber auch eine Nutzung zur Unterbringung von Asylbewerbern, gerade auch vor dem Hintergrund, dass der Leipziger Süden mangels verfügbarer Objekte bisher keinen größeren Beitrag bei der Lösung dieser sozialen Aufgabe leisten kann.

Wurde die Eignung des Grundstücks Fockestraße 80 zur Nutzung

a) als Kita-Standort

b) für eine Asylbewerberunterkunft

geprüft?

Wenn ja: mit welchem Ergebnis?

Wenn nein: warum nicht, und wird eine solche Prüfung nachgeholt?”

Es gilt also nicht nur, was Juliane Nagel zur Äußerung von Konrad Riedel gesagt hat: “Dieses versuchte Gegeneinanderausspielen von verschiedenen Sachverhalten macht das Engagement der CDU für die SeniorInnen in Paunsdorf unglaubwürdig.”

Die Wagenleute werden in dieser Anfrage auch gegen die städtischen Probleme beim Kita-Bau und in der Asylbewerberunterbringung ausgespielt.

Die Stadtratsanfrage der CDU-Fraktion.

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