Bettina Kudla ist seit 2009 Mitglied im Bundestag. Als Direktkandidatin vertritt sie den Wahlkreis 152, also den Norden von Leipzig. Vor ihrer Wahl war sie Bürgermeisterin und Beigeordnete für Finanzen der Stadt Leipzig. In Berlin ist sie im Finanz- und Haushaltsausschuss tätig. Zudem ist sie Mitglied im Unterausschuss zu Fragen der Europäischen Union sowie Kommunales. Die gebürtige Münchnerin ist Diplom-Kauffrau. Im Interview geht es um Familie und Religion, Flüchtlinge und Asyl sowie Wirtschaft und TTIP.
Asyl und Erstaufnahmeeinrichtung
Da wir gerade bei Flüchtlingsfamilien waren, würde ich nun zum Thema Asyl wechseln. In Gohlis wird jetzt eine Erstaufnahmeeinrichtung geplant und gebaut. Ursprünglich hatten Sie sich dagegen ausgesprochen. Wie kann man die Flüchtlinge, die hierher kommen, unterstützen?
Es ist immer wichtig, dass wir untereinander ein harmonisches Zusammenleben bewahren und erhalten. Ich denke, dass wir schon genau hinschauen sollten, wieviel wir der eigenen Bevölkerung zumuten können und wieviel nicht. Wenn es Wohngebiete mit vielen jungen Familien gibt, da kann es natürlich schon zu Problemen kommen, wobei ich eigentlich ganz optimistisch bin, dass es mit der Erstaufnahmeeinrichtung funktionieren wird.
Der Staat kann hier mit einer Beratungsstelle des Bundes den Flüchtlingsfamilien helfen sowie bei ihrer Erstaufnahme unterstützen. Darüber hinaus haben wir Angebote von der Handwerkskammer, um gerade Jugendliche möglichst frühzeitig zu integrieren und denen die Möglichkeit zu geben, einen Beruf zu erlernen. Wir haben auch Sportvereine, die gezielt Migranten aufnehmen.
Asylpolitik
Die Europäische Flüchtlingspolitik wird auch von den Kirchen kritisiert. Schlagzeilen machte der Besuch des Papstes in Lampedusa, der auf das Schicksal der Flüchtlinge aufmerksam machte und deutliche Kritik an Europa übte. Wie sehen Sie die aktuelle Asylpolitik?
Natürlich ist es ein unhaltbarer Zustand, wenn hier Menschen im Mittelmeer ertrinken, wenn Menschen Boote besteigen, die völlig untauglich sind und dann auch noch von Schleppern auf See geschickt werden. Wir stehen vor der Herausforderung, den Menschen zu helfen und deren Leben zu retten, das sollte immer Ziel der Politik sein. Wir sehen aber auch, dass wir nicht alle Probleme von anderen Staaten lösen können. Wenn in anderen Staaten die Strukturen völlig zerfallen und im Bürgerkrieg untergehen, dann muss man auf der anderen Seite auch sagen: Die Länder müssen, gegebenenfalls mit Hilfe des Auslandes, versuchen, wieder zu einem menschlichen Zusammenleben zurückzukehren.
Es hat im Grunde genommen eine Völkerwanderung eingesetzt und wir müssen beachten, dass wir nur gewisse Aufnahmemöglichkeiten haben, sonst bekommen wir auch selbst innenpolitische Probleme. Wir sollten auch sehr genau hinschauen, wenn elternlose Kinder kommen und uns die Frage stellen, wie es dazu kommt. Ob die Kinder auch wirklich elternlos sind oder ob die Kinder einfach nur vorausgeschickt werden. Es ist insgesamt ein sehr schwieriges Problem. Wir stehen auch vor der Aufgabe, das Asylrecht umzusetzen. Wir haben nun mal das Asylrecht, welches Asyl gewährt – denen, die die Voraussetzungen erfüllen. Das gilt ganz besonders für Kriegsflüchtlinge.
Wir müssen das Asylrecht aber auch bei denen anwenden, die die Voraussetzungen nicht erfüllen. Diese müssen zurückgeschickt werden und damit den Weg freimachen für diejenigen, die wirklich Asyl brauchen. Ich sehe das Verhalten von manchen Bundesländern als Problem, die sagen, sie schieben nicht ab. Wir haben ein Vollzugsdefizit bei der Anwendung des Asylrechts.
Bei der Abschiebung gibt es ja deshalb Bedenken, weil den Abgeschobenen in vielen Ländern wieder Verfolgung droht.
Abgeschoben wird nur in sichere Drittstaaten.
Beispiel Balkan: da wird in einigen Fällen bezweifelt, ob es sich um sichere Drittstaaten handelt.
Wenn Länder in die EU wollen und schon Vor-Beitrittsverhandlungen geführt werden, dann kann es nicht sein, dass es hier politische Verfolgung gibt.
Faktisch aber gibt es die Vermutung, dass es sie trotzdem dort gibt.
Wir brauchen eine vernünftige Ausgewogenheit in Bezug auf Asyl und unserer eigenen Bevölkerung. Wir dürfen unsere eigenen Bürger nicht überfordern, weil sonst entsprechende Spannungen vorprogrammiert sind.
Was jetzt Gohlis betrifft, da hatten Sie jetzt auch solche Spannungen befürchtet. Im Augenblick aber sieht es so aus, als wenn hier das bürgerschaftliche Engagement das gut abfängt. Sind Sie vielleicht zu pessimistisch?
Ich freue mich, wenn alles besser wird, als ich es eingeschätzt habe. Insofern hoffe ich, dass Gohlis da weiterhin auf gutem Weg ist.
Islam
Thema im Norden von Leipzig ist auch der Bau einer Moschee durch Ahmadiyya, also von Muslims, die selbst in ihren Herkunftsländern verfolgt werden. Sie waren gegen diesen Bau. Hat sich Ihre Einschätzung inzwischen gewandelt?
Ich sehe das weiterhin kritisch. Zumal es ja nur eine ganz kleine Gemeinde ist. Es sollte hier eine gewisse Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Ob eine Gemeinde unter Beobachtung des Verfassungsschutzes ist, ist nicht maßgebend. Gleichwohl kann man nicht einfach davon ausgehen, dass alles friedlich ist.
Haben Sie mal Kontakt zu Ahmadiyya aufgenommen?
Nein.
Ich war in der Wohnung in der Eisenbahnstraße und habe auch ein Interview geführt mit dem Imam, das in der L-IZ nachzulesen ist. Ich erkenne bislang nicht, dass große Gefahren von der Gemeinschaft für Leipzig ausgehen. Welche Gefahren sehen Sie?
Wenn verschiedene muslimische Gemeinden schon angekündigt haben, dass sie sich nicht gegenseitig tolerieren, dann halte ich es nicht für richtig, wenn der Bau einer Moschee dazu beiträgt, dass die Gemeinde wächst, und die Spannungen zwangsläufig zunehmen.
In Gohlis findet derzeit zwischen Vertretern der verschiedenen Religionen unter Beteiligung des Bürgervereins Gohlis ein Dialog statt. Ist das vielleicht ein produktiver Weg, Spannungen abzubauen und Ängsten zu begegnen?
Es ist gut, wenn hier miteinander gesprochen wird. Ich würde mir wünschen, dass in den Moscheen in Deutschland insgesamt die deutsche Sprache erlaubt wäre. Ich denke, das würde vieles abfedern und radikalen Strömungen entgegenwirken. Und ich würde mir auch mehr Transparenz wünschen, was die Finanzen betrifft. Woher kommen die Gelder für die Moscheen und wie werden die Imame finanziert.
Förderung der Kirchen durch den Staat
Ich würde gerne nochmal auf das Thema Kirche zurückkommen. Welche Bedeutung hat die Kirche in Ihrem politischen Handeln?
Wir sind die Partei mit dem „C“ im Namen. Wir unterscheiden uns hier schon von den anderen Parteien, dass wir gerade auch Kirche und kirchliche Projekte stärker fördern als andere. Sicherlich, andere Parteien tun das auch, dass will ich gar nicht abstreiten, dennoch nicht so stark wie wir. Ob das jetzt das Thema ist, dass in unserem Fraktionssitzungssaal das Kreuz als christliches Symbol hängt. Ob das jetzt das Thema ist, dass wir für die Sonntagsruhe sind oder ob das jetzt das Thema ist, dass wir Kirchen bzw. Kirchenbauten mit staatlichen Geldern fördern.
Beispielsweise jetzt hier, das Thema Kirchenförderung: Mit dem Denkmalschutz-Sonderprogramm konnten wir Fördermittel für die Nathanaelkirche in Leipzig zur Dachsanierung gewinnen sowie auch für die Kirche in Böhlitz-Ehrenberg. Der Schwerpunkt ist hier deutlich zu erkennen, dass Kirche und kirchliches Leben auch entsprechend unterstützt werden sollte, und nicht gesellschaftlich zurückgedrängt wird. Wir unterstützen auch den 100. Katholikentag, den sowohl die Stadt Leipzig als auch der Freistaat Sachsen durch staatliche Mittel fördert. Das ist ein klares starkes Signal, dass der Freistaat die Veranstaltung hier haben möchte. Wir haben das Förderprogramm des 500. Jahrestages der Reformation im Jahre 2017.
Hier werden Veranstaltungen, Ausstellungen sowie kulturelle Vorhaben unterstützt, die im Vorfeld mit einem Reformationsjubiläum stattfinden. Die Bundesregierung hat schon in der letzten Legislaturperiode ein Förderprogramm von jährlich 5 Millionen Euro aufgelegt, um kirchliche Projekte im Zusammenhang mit der Reformation zu fördern. Dies ist ein deutlicher Unterschied zu anderen Parteien und da sind wir sehr stolz drauf.
Nun sind ja gerade hier im Norden von Leipzig sehr viele Christen engagiert, aber bei anderen Parteien. Diese Christen sehen es nicht als wichtigste Aufgabe, Kirchenbauten zu fördern und Kreuze im Sitzungssaal zu verteidigen. Ihnen sind – gerade als Christen – soziale Themen wichtiger, die sie eher bei anderen Parteien finden.
Wir sorgen durch eine gesunde Finanzpolitik dafür, dass der Staat seiner sozialen Verantwortung auch nachkommen kann, dass auch genug finanzieller Spielraum für viele soziale Einrichtungen da ist. Wir betonen als CDU immer sehr stark die Eigenverantwortung des Menschen. Das ist auch Grundlage unserer Finanzpolitik. Der Bürger soll möglichst viel von seinem Geld behalten können, um selbst zu entscheiden und nicht über staatlich geförderte Einrichtungen Hilfe beziehen zu müssen. Gleichwohl ist es auch notwendig Anlaufstellen und Eckpfeiler zu haben, um sozial Schwächeren zu helfen.
Ich muss nochmal auf die staatliche Förderung von Kirche und kirchlichen Projekten zurückkommen. Wäre es nicht für die Glaubwürdigkeit und das Selbstverständnis von Kirche besser, auf staatliche Förderung zu verzichten, um unabhängiger zu handeln und nicht in Gefahr zu geraten, vom Staat abhängig zu sein?
Ja, da gebe ich Ihnen recht. Natürlich ist finanzielle Unabhängigkeit immer am besten. Aber natürlich, wenn große Projekte gestemmt werden müssen, dann stoßen die Kirchen schnell an ihre finanziellen Grenzen, da sie in Ostdeutschland deutlich weniger Mitglieder haben.
Der letzte Teil des Interviews wendet sich der Wirtschaftspolitik für Leipzig und TTIP zu.
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Ein gutes Interview mit Antworten zur Asylpolitik, die man nur begrüßen kann. Danke für diese direkten Äußerungen Frau Kudla, die einigen nicht in den Kram passen bzw. passen werden. Man darf den Bogen nicht überspannen!
So weit das Positive. In einem kann und will ich mich Frau Kudla nicht anschließen. Nach ihrer Auffassung sorgt die CDU durch eine gesunde Finanzpolitik dafür, dass der Staat seiner sozialen Verantwortung auch nachkommen kann und dass auch genug finanzieller Spielraum für viele soziale Einrichtungen da ist.
Vor den Bundestagswahlen hatte ich Frau Kudla gebeten, sich ais Finanzexpertin der CDU im Bundestag für Reformen der kommunalen Finanzkontrolle und der Wirtschaftsprüfungen einzusetzen. Mir sind keine Initiativen bekannt.
Ich wiederhole mich jetzt gerne und werde das bald in ganz anderen Dimensionen tun, Nein Frau Kudla, die CDU ist weder in Sachsen, noch in anderen Bundesländer und auch nicht beim Bund gewillt, eine gesunde Finanzpolitik zu betreiben. Wäre das der Fall, dann hätten längst Reformen der kommunalen Finanzkontrolle, der Steuerfahndung und der Wirtschaftsprüfungen erfolgen müssen. Nach wie vor gibt es keine ordnungsgemäße Kontrolle der Steuergelder, weil das politisch – auch bzw. besonders von der CDU/CSU – nicht gewollt ist!
Frau Kudla, weshalb argumentieren Sie mit einer Unwahrheit? Wollen Sie oder dürfen Sie sich nicht politisch fortschrittlich äußern? Wissen Sie beispielsweise nicht, dass die angeblich unabhängige oberste Finanzkontrolle des Bundes, der Bundesrechnungshof, beim Flughafen Berlin/Brandenburg (wie ebenfalls der Berliner Rechnungshof und der Brandenburger Rechnungshof) nicht eine einzige Rechnung, geschweige denn eine Vergabe, geprüft hat? Mein Bemühungen, auch gegenüber Abgeordnete der CDU. waren bisher vergebens diesen Skandal aufzuzeigen. Ich arbeite daran, dass dieser Skandal, von den auch die Medien mit Rang und Namen (bisher) nichts wissen wollten, trotzdem bald das Licht der Öffentlichkeit erblicken wird.
Weshalb gehen von der CDU keine Initiativen aus, um die längst überfällige Zentrale Steuerfahndung der BRD zu bilden? Lieber schaut die CDU/CSU diesbezüglich tatenlos zu bzw. üben auch deren Vertreter knallhart Einfluss auf die Steuerfahndung (besonders in Hessen, Baden-Würtemberg und an erster Stelle Bayern) aus. In nicht wenigen Gesprächen mit Steuerfahnder aus verschiedenen Bundesländern (auch aus Bayern), die mein Buch gelesen und sich darüber sehr lobend geäußert hatten, wurde mir das bestätigt. Durch diese Kleinstaaterei und Reformunwilligkeit (nicht nur) bei der Steuerfahndung gehen gegenwärtig dem Bundeshaushalt bzw. den Länderhaushalten pro Jahr (!!!!) etwa 100,0 Mrd. € (in Worten Einhundert Milliarden Euro!!!!) verloren. Auch das ist demnach für Frau Kudla “gesunde Finanzpolitik”!
Diese – ich schreibe das ohne ein schlechtes Gewissen zu haben – Lüge von einer gesunden Finanzpolitik (hier von Frau Kudla bzw. der CDU geäußert) erinnert mich an das herrliche von der DEFA verfilmte Märchen ” Der kleine Muck”. Der kleine Muck hatte vergeblich den “Kaufmann, der das Glück verkauft” gesucht, aber dabei die rasenden Pantoffeln und das Wunderstöckchen gefunden. Hier haben wir die CDU, die dem Volk das Glück (= gesunde Finanzpolitik) verkauft. Längst hat das Volk jedoch erkannt, dass es sich um ein Märchen handelt. 50.0 % der Wahlberechtigten gehen u.a, deshalb nicht zur Wahl, weil sie von solchen Märchentanten/onkels die Nase voll haben.
Frau Kudla, ich habe persönlich nichts gegen Sie. Ich habe jedoch kein Verständnis, dass jemand wie Sie, die sich in der kommunalen Finanzkontrolle, der Steuerfahndung und den Wirtschaftsprüfungen sehr gut auskennt bzw. auskennen müsste, sich hier in der L-IZ, die nach meiner Ansicht überwiegend sehr anspruchsvolle Leserinnen/Leser hat, so beschämend zur Finanzpolitik äußern.
Zum Schluss noch ein besonderer “Vordenker”. Deutschland ist eines der reichstes Länder der Welt. Was wäre, wenn die von mir angesprochenen (und nach Ansicht fortschrittlicher Kreise) dringend erforderlichen Reformen im Interesse des Gemeinwohls umgesetzt werden würden? Auch dazu fällt mir ein Märchen ein. Das Märchen vom Schlaraffenland. Es würden Milch und Honig fließen. Weshalb ist das, von wem auch immer, nicht gewollt? Nun sind die Gedanken frei, vogelfrei!