Wie arbeitet eigentlich die Leipzig Tourismus und Marketing GmbH (LTM)? Nach welchen Zielvorgaben? Mit welcher Vision? So richtig ersichtlich war das dem Leipziger Stadtrat schon 2012 nicht. Da beauftragte er den OBM, einen Touristischen Entwicklungsplan für Leipzig vorzulegen. Doch das ist bis heute nicht passiert. Die erste Fraktion, die im März unruhig wurde, war die CDU-Fraktion. Jetzt folgen die Grünen.
Die CDU hatte in ihrem Antrag massiv angezweifelt, dass die Stadt ihre Kontrollpflichten über die LTM tatsächlich wahrnimmmt, obwohl die mit städtischen Geldern städtische Aufgaben erfüllen soll. Doch als dann die LTM im Herbst gleich noch ein paar neue Personalstellen beantragte, mit denen die internationalen Märkte besser beackert werden sollen, kamen einige Stadträte ins Grübeln: Was macht diese LTM eigentlich?
Sie organisiert Stadtfest und Lichterfest, macht Werbekampagnen für die Stadtjubiläen – aber nicht alle. Und im Winter hat sie ein neues Marketing-Logo herausgebracht, das irgendwie die Region Leipzig bedeuten soll.
Woran soll man die Arbeit messen, fragte sich die CDU-Fraktion und beantragte: “Der Oberbürgermeister unterbreitet dem Stadtrat bis zum 30.09.2015 einen Vorschlag, wie die durch LTS e.V./LTM GmbH für die Stadt Leipzig wahrgenommenen Aufgaben künftig in einer Weise ausgeführt werden können, die gewährleistet, dass a. die Bestimmungen der §§94 ff. SächsGemO nicht länger umgangen werden, b. der Einfluss des Stadtrates auf die Bestellung der Geschäftsführung sowie die Strategische Steuerung des Unternehmens LTM sichergestellt ist.”
Die Grünen zeigen sich in ihrem Antrag recht verwundert darüber, dass die LTM zwar mittlerweile das Leipziger Neuseenland irgendwie mitvermarktet, aber das umfassende Tourismuskonzept für die Region fehlt.
“Seit 2012 wird an dem Touristischen Entwicklungsplan – mit einer breiten Mehrheit des Stadtrates beschlossen – gearbeitet. Bisher wurde dem Stadtrat noch kein Entwurf zur Diskussion eines Touristischen Entwicklungsplans vorgelegt und ein damit einhergehendes langfristiges Konzept und eine Strategie für die nachhaltige Entwicklung des Tourismus in Leipzig und der angrenzenden Region. Die aus dem Jahr 2013 beinhaltet lediglich die finanzielle Beteiligung der Stadt Leipzig an der zukünftigen regionalen Tourismusförderung”, kritisieren sie.
Das Geld fließt, die Inhalte fehlen.
Stattdessen ist es der Grüne Ring Leipzig, der immer wieder Studien zu diversen (wassertouristischen) Entwicklungskonzepten in Auftrag gibt. Mit zum Teil seltsamen Ergebnissen wie zuletzt beim “Tourismuswirtschaftlichen Gesamtkonzept für die Gewässerlandschaft im Mitteldeutschen Raum (TWGK)”, bei dem eine externe Firma quasi den lokalen Akteuren auflistet, was in touristischer Hinsicht passieren sollte.
Damit geben die verantwortlichen Gremien in Leipzig ihre Gestaltungshoheit völlig ab. Eigentlich ein Unding.
Die Frage bleibt: Was tut die LTM eigentlich und mit welchen Prämissen?
Oder sollte die Frage eher lauten: Ist die LTM mit ihrer Marketing-Fokussierung eigentlich noch zeitgemäß? Gibt Leipzig schon hier ein wichtiges Themenfeld aus der Hand, das eigentlich zur elementaren Stadtentwicklungspolitik gehört? Denn die Kernfrage – auch für die Grünen – ist: Was für einen Tourismus will Leipzig eigentlich haben?
Zukunftsfähig ist aus ihrer Sicht nur ein nachhaltiger Tourismus.
Das kann man auch als Kritik an mehreren Hauptakteuren in der Leipziger Tourismus-Bastelei verstehen. Denn augenscheinlich dominiert derzeit das Volksfest-und-Event-Marketing. Das Marketing für die Stadt scheint ein reines Hüpfen von einem Jubiläum zum nächsten zu sein. Eine zukunftsfähige Vision einer Stadt, die auch ohne diese aufgeblasenen Events Touristen anlockt, fehlt.
“Bei der Erarbeitung dieses Konzeptes fehlen aus unserer Sicht auch die nachhaltigen Ziele”, schreiben die Grünen. “Es fehlen für die touristische Destinationsentwicklung Aussagen zu Leipzig und der Region zu nachhaltigem Tourismus als einen gesamtstrategischen Ansatz. Dazu gehören u. a. folgende Kriterien:
– umweltschonende Verkehrssysteme,
– Energie- und Ressourceneinsparung,
– integrative Konzepte zur Landschaftspflege (Natur- und Artenschutz, ökologische Landwirtschaft) und
– Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe.
Diese sind unbedingt in das Konzept zu integrieren.”
In ein Konzept, das es noch nicht gibt. Die Verwaltung hat ja noch keins vorgelegt. Nicht mal signalisiert, wann es vielleicht mal eins geben könnte.
Welcher Art es sein müsste, damit das oberflächliche Jubiläen-Hopping aufhören kann, umreißen die Grünen so: “Um Leipzig und die angrenzende Region als Destinationsstandort langfristig attraktiv für die Tourismuswirtschaft und auch einheimische Bevölkerung zu gestalten, bedarf es eines nachhaltigen Tourismuskonzeptes.
Der Tourismusbeirat soll durch seine Zusammensetzung die nötigen und o. g. Kompetenzen aufbringen und die LTM GmbH bei der Erstellung des Touristischen Entwicklungsplanes unterstützen.
Leipzig erfreut sich weiter wachsender Beliebtheit bei Touristen und Geschäftsreisenden und erzielt kontinuierlich deutliche Steigerungszahlen in den Besucherzahlen. So konnte die Stadt im Jahr 2012 insgesamt 2,48 Millionen Übernachtungen verzeichnen. Die Tourismuswirtschaft ist ein unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor für die Stadt, dessen Bedeutung in den kommenden Jahren noch zunehmen wird.”
Aber warum kommen die Touristen eigentlich? Warum finden sie Städte wie Leipzig attraktiv? Und wie wird das auch zum Leitmotiv für die ganze Region, in der zumindest einige interessante Städte mit dem S-Bahn-Netz gut erreichbar sind?
Die ratlosen Nicht-Diskussionen zu den Tourismus-Frühstücken des LTM lassen zumindest vermuten, dass die LTM das Konzept nicht allein entwickeln kann. Dann eigentlich muss es ein städtisches Handlungskonzept werden, denn die umweltfreundliche Erschließung der Region mit ÖPNV, Rad- und Fußwegen ist Aufgabe der Kommunen, genauso wie der Naturschutz und die Schaffung von Zelt- und Campingplätzen. Es gibt genug Problempunkte, an denen ein tourismuswirtschaftliches Entwicklungskonzept zwingend mitbedacht werden muss – man denke nur an die undurchdachten Planungsvorschläge fürs agra-Gelände, wo auch deutlich wird, wie wichtig Infrastrukturen für etablierte Festivals wie das Wave Gotik Treffen sind.
Und so beantragen die Grünen: “Zur Umsetzung des zu erarbeitenden Tourismuskonzeptes wird ein Fachbeirat eingebildet. Diesem sollen neben – mehrheitlich – Mitgliedern des Stadtrates und Vertretern aus der Verwaltung auch Wissenschaftler angehören, Vereine und mit dem Tourismus befasste Verbände, Projektentwickler, Reiseunternehmen, Verkehrsverbünde, Geschäftsinhaber und Direktvermarkter der Region, die die LTM GmbH beraten sollen. Dabei soll das Tourismuswirtschaftliche Gesamtkonzept für die Gewässerlandschaft mit den in diesem Masterplan enthaltenen Kernthemen und Leuchtturmprojekten berücksichtigt und einbezogen werden.”
Letzteres dürften selbst die Leipziger Umweltverbände sehr kritisch sehen. Vielleicht haben die Grünen ja schon in den Männertag hineingefeiert, denn gerade die erwähnten Leuchtturmprojekte sind alles mögliche, nur nicht nachhaltig und auch nicht umweltschonend.
Tatsächlich wäre es jetzt eine politische Aufgabe, diesen so genannten “Masterplan” zu filtern und alles rauszuschmeißen, was einer nachhaltigen Tourismusentwicklung eben nicht entspricht. Aber auch die Grünen scheinen mittlerweile irgendwie dem Denken der Zeit zu erliegen, externe “Berater” wüssten besser Bescheid über die Kernthemen einer Kommune als die politisch Gewählten selbst. Das Ergebnis – in Leipzig leider in viel zu vielen Fällen zu beobachten – ist eine auf “Gutachten” und “Masterplänen” aufbauende Politik, in der externe Experten den gewählten Stadträten erklären, wie alles gemacht werden sollte.
Aber es ist eine Pflichtaufgabe der Stadträte, selbst die Leitlinien zu bestimmen (wenn es nicht der OBM tut). Das kann man nicht an Gutachter auslagern.
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