Die ersten wären die Leipziger Stadträte nicht mit diesem Beschluss. Seit 2005 wird das nun auch in der Messestadt diskutierte Chipkartenmodell erfolgreich in Bremen praktiziert. Dort übernimmt die AOK die Betreuung der Asylsuchenden, welche somit eine eigene Krankenkassenkarte haben. Die Behandlungskosten werden von der öffentlichen Hand ersetzt. Derzeit sind in Leipzig nur akute Schmerzen behandelbar, durch fehlende Vorsorge drohen jedoch Folgekosten. Ganz davon abgesehen, dass der Verwaltungsaufwand höher scheint, als bei einer freien Arztwahl.

“Stellen Sie sich vor, es ist Freitag und ihr Kind klagt über Bauchschmerzen und das Sozialamt hat geschlossen”, so begann Juliane Nagel die Einbringung des Vorschlages ihrer Fraktion Die Linke, eine eigene Krankenversicherungskarte für Asylbewerber in Leipzig einzuführen. Und verwies auf die Frage, wieso Amtsmitarbeiter feststellen könnten, ob nun eine ärztliche Behandlung notwendig sei oder nicht, von den dafür aufgewendeten sachfremden Arbeitsstunden ganz abgesehen. Not- und Rettungsdienste hätten zudem mehr Aufwendungen, da häufig bei Asylbewerbern aufgrund fehlender Vorsorge öfter Notfälle überhaupt erst entstehen würden.

Der OBM soll mit den Krankenkassen direkt verhandeln, so der Vorschlag der Linken, hier ab dem ersten Tag der Erstaufnahme eine eigene Krankenkarte auszustellen. Sachsen steht laut Nagel mit der Haltung, diese Karte derzeit nicht einzuführen, bundesweit quasi allein da, hier zeichnet sich derzeit keine Lösung ab – nun wolle man den kommunalen Spielraum ausnutzen.

Juliane Nagel (Die Linke). Foto: L-IZ.de
Juliane Nagel (Die Linke). Foto: L-IZ.de

Andreas Habicht (CDU) verwies erneut auf die Verantwortung des Landes Sachsen. Damit war das Ping-Pong-Spiel zwischen Land und Stadt Leipzig komplett. Denn auch die Verwaltung spielt derzeit auf Zeit und mit der Hoffnung, dass es der Freistaat lösen möge. Dieser Haltung würde sich die CDU-Fraktion anschließen können. Hier heißt es seitens der Verwaltung: “Es gibt Bestrebungen des Freistaates Sachsen, eine Versicherungslösung für Leistungsberechtigte nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz zu finden. Die Stadt Leipzig wird sich intensiv an diesen Diskussionen beteiligen und eine entsprechende Umsetzung prüfen.”

Im Verlaufe einer durchaus kraftvollen Debatte wies Juliane Nagel nochmals deutlich darauf hin, dass die CDU in Person der sächsischen Sozialministerin am Montag, den 18. Mai 2015 den Vorschlag einer landesweiten Krankenkarte zurückgewiesen habe. Was den Wunsch der Leipziger CDU, hier doch das Land in die Pflicht zu nehmen, ad absurdum führte. Grüne und SPD sprangen Nagel im Verlauf der Diskussion bei.

Tobias Keller (AfD) versuchte daraufhin ebenfalls, auf Zeit zu spielen und verwies auf Geld, welches ja nunmehr vom Bund käme. Michael Weickert (CDU) versuchte anschließend nochmals auf den Bund zu verweisen. Beide zeigten sich hierin also einig, dass es derzeit keine Lösung in einer direkten Verhandlung zwischen dem Leipziger OBM und den ortsansässigen Kassen geben müsse. Wie lange die Lösung seitens des Bundes noch dauern würde, sagten sie nicht. Auf den Hinweis der Absage einer Lösung durch das Land Sachsen ging hierbei niemand ein.

Thomas Fabian (Sozialbürgermeister). Foto: L-IZ.de
Thomas Fabian (Sozialbürgermeister). Foto: L-IZ.de

Leipzigs Sozialbürgermeister Prof. Thomas Fabian versuchte gegen Ende, versöhnliche Worte zu finden und erläuterte die Haltung der Stadtverwaltung. Es ist zuerst einmal ein Prüfauftrag. Und so werde auch die Stadt Leipzig gern prüfen, ob man das Modell aus den anderen Städten einführen könne. Dabei sei auch darauf zu achten, wie der genaue Leistungsumfang in den Verträgen mit den Kassen sei, dann würde man auch erst die Kosten kennen. “Wir nehmen den Prüfauftrag gern an”, so Fabian. Er erläuterte auch nochmals, dass es nicht um die Grundversorgung der Asylbewerber ginge, denn jeder erhält automatisch zu Quartalsbeginn einen Behandlungsschein, mit dem er dann zu seinem Hausarzt gehen könne. Von dort wird er dann weiter vermittelt. Aber er sehe auch, dass die Krankenkassenkarte Erleichterungen für alle bringen würde.

Der Beschlussvorschlag der Fraktion Die Linke wurde mit den Stimmen der Fraktionen SPD, Linke und Grüne wie folgt verabschiedet: “Der Oberbürgermeister wird beauftragt zu prüfen, ob und auf welche Art und Weise die Stadt Leipzig auf vertraglicher Ebene mit einer Krankenkasse die Übernahme der Krankenbehandlung von Leistungsberechtigten nach den §§ 1, 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) durch die Ausgabe von Versichertenkarten gewährleisten kann.”

Ergänzt wurde die Formulierung der Verwaltung. Diese lautet: “Es gibt Bestrebungen des Freistaates Sachsen, eine Versicherungslösung für Leistungsberechtigte nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz zu finden. Die Stadt Leipzig wird sich intensiv an diesen Diskussionen beteiligen und eine entsprechende Umsetzung prüfen.” Dieser wurde ebenfalls zugestimmt.

Hintergrund

Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) wurde 1993 ein Sondergesetz zur Versorgung von hilfebedürftigen Asylsuchenden geschaffen. Das AsylbLG sieht Leistungen vor, die im Regelfall als Sachleistungen gewährt werden sollen. Die medizinische Versorgung wurde auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzen und die zur Sicherung der Gesundheit unerlässlichen Leistungen reduziert.

Das Audio von der Debatte

 

 

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