Über die Entscheidungskonstrukte im Leipziger Neuseenland wundern sich eine Menge Leute. Und über die Arbeitsgrundlagen auch. Eine dieser Arbeitsgrundlagen ist das Wassertouristische Nutzungskonzept (WTNK), vor zehn Jahren erarbeitet und seither Grundlage einer ganzen Reihe von Investitionsentscheidungen im Gewässerverbund. Jetzt wollen Leipzigs Grüne gern einmal wissen, was auf Grundlage dieses Papiers eigentlich alles passiert ist.

“Für die Region Leipzig wurde vor ca. zehn Jahren ein Wassertouristisches Nutzungskonzept (WTNK) erarbeitet. Dieses Konzept ist weder genehmigt noch von einem demokratisch legitimierten Gremium beschlossen worden”, stellen sie in einer kleinen Anfrage fest, deren Fragen sie in der Ratsversammlung am 15. April beantwortet haben möchten. “Auf Grundlage dieses Papiers werden sehr zahlreiche Einzelmaßnahmen zur Beförderung des Gewässertourismus mit sehr weitreichenden Eingriffen und Wirkungen auf den Naturhaushalt ausgelöst. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung aus dem Jahr 2007 (2. Phase) ist inzwischen deutlich veraltet und genügt nicht den Anforderungen des novellierten Bundesnaturschutzgesetzes von 2010 und der rechtlichen Konkretisierung der FFH-Richtlinie.”

Mittlerweile hat das WTNK ja einen Nachfolger gefunden, räumlich noch viel weiter gefasst und Arbeitsgrundlage für die nächsten Jahre: das Tourismuswirtschaftliche Gesamtkonzept für die Gewässerlandschaft im Mitteldeutschen Raum (TWGK). Auch aus diesem Papier sollen nun Maßnahmen destilliert werden, die nach und nach umgesetzt werden.

Aber was ist in den letzten zehn Jahren eigentlich alles passiert? Und warum kollidiert das so oft mit dem Naturschutz? Das wollen die Grünen jetzt schon gern wissen.

Ihre Fragen für den 15. April

Welche Maßnahmen wurden bereits auf Grundlage des WTNK ausgeführt und welche sind noch geplant? (Bitte die Maßnahmen einzeln aufzählen!)

Was kosten diese Maßnahmen nach Einzelprojekten aufgeschlüsselt?

Warum wurde keine Strategische Umweltprüfung für das gesamte Wassertouristische Nutzungskonzept angefertigt, welche auch die Auswirkungen der touristischen Gewässernutzung berücksichtigt?

Welche Projekte und Zielstellungen auf Grundlage des WTNK an Pleiße und Floßgraben wurden aus welchem rechtlichen Grund bisher aufgegeben bzw. zeitlich verschoben?

Warum führen die neuen Ergebnisse des Natura 2000-Monitoring zum WTNK nicht zur Anpassung des WTNK an die rechtlichen Erfordernisse der §§ 34 und 44 Abs. 1 BNatSchG?

In § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes heißt es zum Beispiel: “Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. (…) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.”

Und in § 44 heißt es unter anderem: “Es ist verboten (…) wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert.”

Alles Dinge, die beim Umgang der lokalen Behörden mit dem Floßgraben und der Pleiße, die beide im Schutzgebiet Südlicher Auenwald fließen, inbesondere von den Naturschutzverbänden immer wieder angemahnt wurden. Bei der “Störstellenbeseitigung” an der Pleiße hat es zumindest zu einem vorläufigen Stopp der Baumaßnahmen geführt. Im Floßgraben musste mittlerweile selbst das Umweltdezernat tätig werden, weil die winterliche “Wasserpflanzenmahd” durch den beauftragten Betrieb eigenmächtig ausgeweitet wurde.

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Es gibt 3 Kommentare

Kleiner logischer Fehler: Entweder man ernennt sich selbst zu etwas oder man laesst sich als etwas aus der Taufe heben. Aber beides geht nicht zusammen.

Aber was ist gegen unabhaengige Demonstrationsbeobachter einzuwenden? Und wie kann eine Initiative belanglos sein, wenn die beteiligten Leute bereit sind, fuer ihre Ziele den Popo durch die Haustuer zu bewegen?

Wenn Sie manche Initiativen belanglos finden, lassen Sie sie doch einfach vor sich initiieren… Moeglicherweise gibt es Leute, die Ihre Initiative zur effektiven Finanzkontrolle belanglos finden – aber das braucht Sie nicht zu stoeren.

Ich finde die Sache mit den Geisterbehoerden jedenfalls ziemlich belangvoll.

Und wer zum Teufel ist die sogenannte “Steuerungsgruppe Neuseenland”, die als Behörde dargestellt und wahrgenommen wird?!

Das sind genau solche Erscheinungen wie beispielsweise die sich selbst ernannten “Unabhängigen Demonstrationsbeobachter”, die nach dem Überstreifen von markanten Bekleidungsstücken aus der Taufe gehoben wurden. Besonders in Leipzig sind in letzter Zeit vieler solcher Gebilde (Verzeihung – Initiativen) entstanden, die nicht nur rechtlich völlig bedeutungslos sind.

Nun ja, aus dem “Wassertouristischen Nutzungskonzept” ist ein Gesamttouristisches Konzept für die Gewässerlandschaft” geworden. Damit hat man zunächst die Tatsache anerkannt, daß es einen “Gewässertourismus” nicht gibt. Es gibt Touristen, die die Stadt besuchen und auch die Leipziger Gewässer und umliegenden Tagebaurestlöcher sehen wollen. Was es nicht gibt, ist ein Tourismus, der auf dem Wasserwege nach Leipzig kommt – mangels tatsächlich und rechtlich vorhandener Gewässer.
Diese fehlenden Gewässer sind allerdings Grundlage des WTNK. Das wiederum Grundlage für zig Mio. € “Investitionen” in Wasserbauprojekte (Häfen, Schleusen, Kanäle) war.
Juristen (und nicht nur die) bezeichnen so etwas als logischen Zirkelschluß.
Die Grünen stellen nach 10 (!) Jahren Umsetzung Fragen, auf die die anderen noch nicht einmal gekommen sind.
Stellt sich jetzt noch die Frage: Was ist die rechtliche Grundlage des Bürgerbeteiligung vorgaukelnden “Charta 2030”-Prozesses und welche wirksamen Konsequenzen ergeben sich tatsächlich daraus?! Darüber hinaus welchen Wert hat ein Beteiligungsprozess, wenn die Grundlagen für den Sachverhalt, an dem sich beteiligt werden soll, zu großen Teilen unabänderlich gelegt sind?! Oder, wie am Stömthaler See nachweislich und bewußt, gegen geäußerte Bürgerinteressen verstoßen wird?! Ganz zu schweigen von den Zuständen in Floßgraben und Pleiße.
Und wer zum Teufel ist die sogenannte “Steuerungsgruppe Neuseenland”, die als Behörde dargestellt und wahrgenommen wird?! Rechtliche Grundlagen aber offenbar auch hier fehlen? Auch Fragen, die, gestellt, einer Beantwortung harren. Stellen Bürger diese Fragen, bleibt diese Geisterbehörde sprachlos.

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