Vielleicht verliert die Schnecke als Maskottchen der Leipziger Stadtverwaltung doch einmal ihren Nimbus. Mancher Verwaltungsprozess dauert inzwischen tatsächlich zu lange. Da gehen Wahlen drüber hin, wichtige Ratsentscheidungen, sogar Investitionsentscheidungen, ohne dass das Grundlegende geklärt ist. Für Karsten Kietz, Falko Bestfleisch, Stefan Kuhtz und die Wählervereinigung Leipzig (WVL) jetzt Anlass, nach einem dieser Schneckenthemen zu fragen.

Es geht um die im April 2014 vorgelegte Studie von Professor Rüdiger Wink von der HTWK Leipzig zur Umwegrentabilität der Leipziger Kulturbetriebe, die eine wesentliche Grundlage dafür war, den actori-Prozess in Leipzig zu beenden und auch keine Schließung eines der großen Häuser mehr zu diskutieren, stattdessen wieder Geld in die Hand zu nehmen, um die Spielstätten zukunftsfähig zu machen. Der Tenor der Kurzstudie war, dass „die Leipziger Kulturbetriebe jeden Cent wert sind.“

Doch es war eben nur eine Kurzstudie, die teilweise mit Vergleichswerten aus Dresden arbeitete. Dass eine wesentliche Datengrundlage für Leipzig fehlt, merkten die Autoren in ihren Schlussfolgerungen deutlich. Da heißt es: “Bei einer stärkeren Fokussierung auf die Umwegrentabilität im engeren Sinne mit Fokussierung auf indirekten Tourismuseinnahmen wäre eine ausführlichere Analyse der Potentiale und Voraussetzungen im Wege einer Besucherbefragung zu realisieren.”

Denn das, was Leipzigs Stadtverwaltung so herauslas, steht eigentlich nicht drin. Gerade das optimistische Szenario beruht auf der noch nicht untermauerten These, die engere Umwegrendite über die touristischen Effekte sei ähnlich hoch wie in Dresden oder, noch genauer, bei der Dresdner Semperoper.

Denn es ist ein wesentlicher Unterschied, ob die Häuser nur für das Leipziger Publikum attraktiv sind und die von der Stadt bereitgestellten Gelder dann auch wieder in der Stadt ausgegeben werden, oder ob sie das kunstliebende Publikum auch aus näherer und weiterer Entfernung nach Leipzig locken, so dass zusätzliches Geld in der Leipziger Gastronomie und Hotellerie ausgegeben wird. Genau das aber weiß man nicht.

Wenn das so wäre, wären auch die drei Fragesteller der Wählervereinigung beruhigt: “Mit dem Ergebnis dieser wissenschaftlichen Untersuchung könnte den vielfältig geäußerten Bedenken zur Ineffizienz und zur Unflexibilität der Subventionen für die Kulturbetriebe unserer Stadt Leipzig der ‘Wind aus den Segeln’ genommen worden sein.” Aber sie haben so ihre Bedenken, dass die Kurzstudie das belegen kann: “Veröffentlicht wurde lediglich eine Kurzfassung der durch Herrn Professor Wink und seine Mitarbeiter Laura Kirchner, Florian Koch und Daniel Speda erarbeiteten ‘Studie zur Umwegrentabilität der kulturellen Eigenbetriebe der Stadt Leipzig’.”

Und so stellen sie der Leipziger Stadtverwaltung jetzt als etwas irritierte Einwohner ein kleines Paket von Fragen, die sie zur nächsten Ratsversammlung beantwortet haben möchten. Die erste dreht sich um eine der Uralt-Fragen der jüngeren Leipziger Verwaltungspolitik: Da werden fünf- und sechsstellige Summen zur Einholung von Studien und Gutachten ausgegeben, aber eine transparente Berichterstattung zu diesem Ausgabeposten und seinen Effekten hat die Verwaltung abgelehnt. Weil die Erfassung zu viel Arbeit mache, war die Begründung.

Aber eigentlich haben die Leipziger ein Recht darauf, nicht nur zu erfahren, wie teuer die Gutachten und Studien waren, sondern auch, was drinsteht. Es sind ihre Gelder – Steuergelder – die dafür aufgewendet werden, um städtisches Handeln zu begründen. Oder auch nicht. Denn manches Gutachten, das nur hinter verschlossenen Türen erläutert wird, begründet oft das Gegenteil dessen, was städtische Ämter dann tun.

Transparenz ist noch lange keine Tugend der Leipziger Stadtverwaltung. Und so fragen die Vertreter der WVL, auch in der Vermutung, es könne von der Studie zur Umwegrentabilität der Kulturbetriebe irgendwo noch eine längere Fassung geben:

“1. Welche Kosten hat die Stadt Leipzig für die Erstellung dieser Studie getragen und wo kann im Rahmen der Informationsfreiheit Einblick durch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig in das Gesamtwerk genommen werden? – Herr Professor Wink und sein Team erläutern in der veröffentlichten Kurzfassung der Studie, dass „angesichts des kurzen Zeitraumes zur Erstellung keine Möglichkeit zu einer eigenen Datenerhebung“ bestand. Weiterhin mußten eine Vielzahl von Annahmen getroffen werden. Dabei wird insbesondere vermerkt, dass ‘eine präzisere Berechnung der …. Bereiche Übernachtungsgäste und induzierte Ausgaben (195 € pro d, bei durchschnittlich 2 Tagen Aufenthalt 780 € für ein auf → Kulturpfaden Leipzig bereisendes Paar Menschen!!!!!)- nur bei einer Befragung der auswärtigen Besucher pro Jahr bzw. Spielzeit und einer Analyse der wirtschaftlichen Verflechtungen für relevante Brachen innerhalb der Region möglich wäre.’ Es wird ausdrücklich erwähnt, dass die Studie zur Umwegrentabilität ‘nur einen Schätzcharakter aufweisen kann’.”

Man kann mit dem Material also nicht wirklich behaupten, Leipzigs Kulturbetriebe würden überhaupt eine Umwegrendite erwirtschaften. So wie es die Autoren der Studie selbst angeregt haben, müsse jetzt also noch was Ordentliches folgen:

“2. Ist durch die Stadtverwaltung Leipzig beabsichtigt, eine ordentliche Studie zur Effizienz der Subventionen für die kulturellen Eigenbetriebe der Stadt Leipzig auf Grundlage von ordentlichen Daten erstellen zu lassen? – Wenn nicht, warum soll der in der Studie enthaltenen Empfehlung des Herrn Prof. Wink, dass ‘bei einer stärkeren Fokussierung auf die Umwegrentabilität im engeren Sinne mit Fokussierung auf indirekte Tourismuseinnahmen eine ausführliche Analyse der Potentiale und Voraussetzungen im Wege einer Besucherbefragung zu realisieren wäre’ nicht gefolgt werden? – Herr Professor Wink und sein Team geben in der Studie Schlussfolgerungen und Empfehlungen, um unter anderem eine Unterstützung der Professionalisierung der ‘freien Szene’ zu ermöglichen. Hierbei werden unabhängig von der Entwicklung der Eigenbetriebe die Bereitstellung entsprechender Räumlichkeiten, eine Unterstützung von Koordinations- und Organisationsaktivitäten sowie eine transparentere Ausrichtung der Förderkriterien an Entwicklungszielen genannt. Es wird ausdrücklich hervorgehoben, dass es ‘nicht darauf ankommt, der ‘freien Szene’ Räumlichkeiten von den Eigenbetrieben bereitzustellen, sondern dass die bestehende Raumnot überwunden wird.’“

Aber da tut sich Leipzigs Verwaltung schwer. Man denke nur an das Gezerre um die ehemalige Theaterspielstätte in der Gottschedstraße 16. An der finanziellen Klammheit der Stadt hat sich ja nicht viel geändert. Mit Verkäufen manchmal wichtigen Eigentums wird finanziert, was an anderer Stelle steht – und es werden damit neue Lücken gerissen. Auch weil eine Gesamtstrategie für die Leipziger Kulturlandschaft fehlt. Auch danach fragen die drei indirekt:

“3. Welche (nachhaltigen) Maßnahmen und Entscheidungen sind aufgrund der Schlußfolgerungen und Empfehlungen der Studie des Herrn Professor Wink bis zum heutigen Tag durch die Stadtverwaltung (abrechenbar) getroffen worden?”

Da kann man gespannt sein, ob das die Schnecke zu einem freudigen Zwischengalopp anspornt.

Die Kurzfassung der Studie zur Umwegrentabilität der Leipziger Kulturbetriebe als pdf zum Download.

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