Da dachten im Oktober nun fast alle, die Kommunalwahl für 2014 wäre durch - da meldete sich die gestrenge Kontrollbehörde, die Landesdirektion Leipzig zu Wort, und wies auf ein kleines Detail hin, das aus ihrer Sicht verhinderte, dass alle Gewählten ihre Arbeit nun aufnehmen können. In diesem Fall betraf es die Stadtbezirksbeiräte. Diesmal ging es nicht um Wahlanfechtungen.

Diesmal ging es um ein Detail, das in Leipzig eigentlich seit 15 Jahren niemanden gestört hatte. Zumindest kam es dazu in der täglichen Praxis nicht zu nennenswerten Konflikten: die Abgrenzung der 1999 und 2000 eingemeindeten Ortsteile, in denen Ortschaftsräte die Interessen der Bürger vertreten, von den Stadtteilen und den dort wirkenden Stadtbezirksbeiräten. Die Ortsteile wurden 1999 und 2000 allesamt zu Teilen der größeren Leipziger Stadtbezirke. Aber das spielte vor allem für die Statistik eine Rolle.

In der politischen Beratungspraxis kam es eher seltener vor, dass die Entscheidungsfindungen in den separat gewählten Ortschaftsräten (die auch deutlich mehr Entscheidungskompetenzen haben) mit den Beratungsergebnissen in den Stadtbezirken kollidierten.

Darauf verweist auch das Verwaltungsdezernat, das sich nun seit November mit dem Einwurf der Landesdirektion beschäftigen musste. Rein rechtlich hat die Landesbehörde Recht. Irgendetwas musste geändert werden. Die Frage ist eher: Warum fiel das den Prüfern erst im Herbst ein?

Das Verwaltungsdezernat beschreibt die Ausgangslage so: “1992 beschloss die Stadt Leipzig die Gliederung des Stadtgebietes in 10 Stadtbezirke, die ihrerseits wiederum in Ortsteile gegliedert sind. Diese kommunale Gebietsgliederung bildet seither die Grundlage für kleinräumige Statistiken, aber auch für die kleinräumige Zuordnung von Informationen und für die Strukturierung von Verwaltungen. 1996 wurden gemäß § 70 SächsGemO in der Stadt Leipzig für die zehn Stadtbezirke Stadtbezirksbeiräte eingeführt. Mit den Eingemeindungen ab 1996 wurden in den betroffenen ehemaligen Gemeinden Ortschaftsverfassungen eingeführt. Probleme, die sich aus der räumlichen Überschneidung der Stadtbezirks- und Ortschaftsgebiete ergeben könnten, gab es in der Praxis kaum.”

Und weil Leipzigs Verwaltung nicht riskieren wollte, dass die neuen Stadtbezirksbeiräte noch etliche weitere Monate an der Arbeit gehindert werden, bat sie ihrerseits die Landesdirektion um Rat. Den gab es dann auch im Januar: “Seitens der Landesdirektion Sachsen wurde mit einem Schreiben vom 27.01.2015 mitgeteilt, dass in einem Gebiet der Stadt entweder die Stadtbezirks- oder die Ortschaftsverfassung gelten darf. Der Geltungsbereich der Stadtbezirksverfassung darf demnach die Ortschaften nicht erfassen. Damit ist eine Änderung des Geltungsbereiches der Stadtbezirksverfassung in der Hauptsatzung als Rechtsbereinigung erforderlich. Es wird vorgeschlagen, die Gliederung des Stadtgebietes gemäß § 26 Hauptsatzung unverändert zu lassen, da diese Gebietsstruktur seit über 20 Jahren für viele kleinräumige Nutzungen die Grundlage bildet.”

Den großen Schritt, den die Landeshauptstadt Dresden gegangen ist, die kurzerhand die Ortschaftsverfassung auf das ganze Stadtgebiet ausgedehnt hat und damit den Stadtbezirksbeiräten deutlich mehr Entscheidungsspielraum eingeräumt hat, wollte Leipzigs Verwaltung nicht gehen. Ein entsprechender Vorschlag der Grünen liegt seit Jahren auf dem Tisch.

So entschloss sich die Verwaltungsspitze, die alte Trennung beizubehalten und dafür ein paar klare Grenzlinien einzuführen, die die Kompetenzen von Ortschaftsräten und Stadtbezirksbeiräten nun säuberlich trennen.

“Angepasst wird der Geltungsbereich der Stadtbezirksverfassung dahingehend, dass diese im jeweiligen Stadtbezirksgebiet ohne die im Stadtbezirk liegenden Ortschaftsgebiete gilt”, heißt es nun im Vorschlag der Verwaltung. “Das macht eine Änderung der Hauptsatzung in den zwei die Stadtbezirksbeiräte betreffenden Paragrafen 27 und 28 dahingehend erforderlich, dass der räumliche Geltungsbereich der Stadtbezirksverfassung angepasst wird.”

Das soll nun bei der Stadtratssitzung am 25. Februar erfolgen. Danach können dann die neu zusammengesetzten Stadtbezirksbeiräte nach einem Dreivierteljahr Verzögerung endlich eingesetzt werden: “Mit der Neuwahl des Stadtrates 2014 müssen gemäß § 71 Abs. 1 SächsGemO die Stadtbezirksbeiräte durch den Stadtrat neu bestellt werden. Vor der Neubestellung der Stadtbezirksbeiräte muss diese Änderung der Hauptsatzung erfolgen.”

Im März dürfen dann die neuen Stadtbezirksbeiräte ihre Arbeit aufnehmen. Was natürlich Doppelbefassungen mit bestimmten Themen keineswegs verhindert. Denn wenn Anträge und Vorlagen die Ortschaftsgrenze überschreiten, müssen sich trotzdem beide Gremien – Ortschaftsrat und Stadtbezirksbeirat – ein Urteil bilden. Die große Lösung – die Aufwertung der Leipziger Stadtbezirksbeiräte – ist damit nur in die Zukunft verschoben. Das Thema liegt in einem der nächsten Jahre garantiert wieder auf dem Tisch.

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