Demokratie ist nichts für Faule. Sie ist aber auch nichts für Verwaltungen, die immer noch glauben, der Bürger müsse einfach fressen, was ihm vorgesetzt wird. Leipzigs Verwaltung ist, was das betrifft, seit ein paar Jahren in einem nicht ganz erfolglosen Lernprozess. Der nächste Schritt wäre: Bürgerbeteiligung muss zum Selbstverständnis werden, wenn es um öffentliche Räume geht. Die SPD-Fraktion hat das jetzt beantragt.
Es klingt trocken, ist es aber nicht. “Beteiligungsverfahren der Öffentlichkeit und des Stadtrates bei Objektplanungen des öffentlichen Raumes”, heißt der Antrag der SPD-Fraktion, der in der Ratsversammlung am 25. Februar zur ersten Lesung kommen soll. Ein bisschen Geld braucht das natürlich auch. Und weil ein solcher Posten aus dem Doppelhaushalt 2015/2016 nicht ersichtlich wird (obwohl er möglicherweise irgendwo gut versteckt mit drin steht), beantragt die SPD-Fraktion auch die nötigen Gelder dafür, die nötig sind, um eine richtige Bürgerbeteiligung zu organisieren – 250.000 Euro.
Wie so eine Bürgerbeteiligung funktionieren kann und welcher Aufwand dahinter steckt, das konnten die Leipziger in den letzten Jahren schon bei mehreren Projekten miterleben. Und die, die sich wirklich für die Themen interessiert haben (auch weil sie direkt betroffen sind), sind auch hingegangen. Beispielhaft waren bei den öffentlichen Verkehrsplanungen die Bürgerbeteiligung im Bauprojekt “KarLi” (Karl-Liebknecht-Straße/Peterssteinweg), Könneritzstraße oder die Planung der Straßenbahntrassen in Probstheida.
Bürgerbeteiligungsmodelle gab es auch im Projekt “Leipzig Weiter Denken” (etwa zu den darin behandelten Themen Stadtverkehr und Haushaltspolitik) oder im vom Ökolöwen gemanagten Projekt zum Verkehrslärm im Leipziger Nordwesten.
Gerade aber die Beteiligungsverfahren zu den Planungen im öffentlichen Raum erhöhen nicht nur die Akzeptanz dieser Projekte, sie sorgen auch dafür, dass die durchaus unterschiedlichen Interessen der Stadtgesellschaft auch Eingang in die Planungen finden.
Nur ist das alles bislang eher Testgelände und kein geregelter Normalzustand, stellt die SPD-Fraktion in ihrem Antrag fest: “Für Objekt-, wie Verkehrsplanungen gibt es bisher kein geregeltes Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit. Positive Beispiele wie zur Georg-Schwarz-Straße, wo bereits die Vorplanungen der breiten Öffentlichkeit vorgestellt und Meinungen eingeholt wurden, sollten aus Sicht der SPD-Fraktion der Regelfall sein. Klare Beteiligungsregeln für Objektplanungen gestalten das Verfahren für die Öffentlichkeit transparenter und machen es für die Verwaltung in Bezug auf Änderungswünsche zum Bau- und Finanzierungsbeschluss kalkulierbarer.”
Und das betrifft nicht nur die Beteiligung der politisch sonst nicht aktiven Bürger, sondern auch alle Gremien, die es in Leipzig gibt.
So heißt der erste Antragspunkt der SPD-Fraktion: “Das Ergebnis der Leistungsphase 2 (Vorplanung) von Objektplanungen des öffentlichen Raumes wird als Informationsvorlage mit den Planunterlagen dem Stadtrat, respektive Ortschaftsrat bzw. Stadtbezirksbeirat, zur Kenntnis gegeben.” Denn in diesen Gremien sitzen ja auch wieder gewählte Leipziger, die sich ganz explizit um die Entwicklungen im Stadtbezirk oder im Ortsteil kümmern. Ihre Sitzungen sind öffentlich. Die Meinungsbildung kann also schon in einer Planungsphase beginnen, in der noch nicht alle wichtigen Eckdaten für ein Projekt festgezurrt sind.
Und dabei soll es nicht bleiben. Der nächste Schritt ist im Grunde schon ein richtiges Bürgerforum. Antragspunkt 2 der SPD: “Diese Informationsvorlage wird zeitnah nach Veröffentlichung im Rahmen einer Veranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese ist im Amtsblatt zu veröffentlichen.”
Punkt 3: “Bis drei Monate nach der Ratsversammlung hat die Öffentlichkeit die Möglichkeit, Stellungnahmen zur Informationsvorlage abzugeben.”
Und dann bekommt der zuständige Ausschuss die Anregungen der Bürger alle auf den Tisch.
Punkt 4: “Nach Fristende werden dem Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau die Stellungnahmen gesammelt zeitnah elektronisch zur Kenntnis gegeben.”
Punkt 5: “In der Leistungsphase 3 (Entwurfsplanung) wird ein Abwägungsprotokoll hinsichtlich der eingereichten Stellungnahmen hinzugefügt. Dieses ist den Einreichern, dem Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau, respektive dem Ortschaftsrat bzw. Stadtbezirksbeirat, zuzustellen (elektronische Zusendung möglich).”
Punkt 6 heißt dann zwar: “Unbenommen bleibt die Beschlussfassung der Leistungsphase 4 (Genehmigungsplanung) – dem Bau- und Finanzierungsbeschluss im Stadtrat bzw. Verwaltungsausschuss.” Aber Stadtrat und Ausschuss wären gut beraten, die wichtigsten Anregungen aufzugreifen, wenn es die zuständigen Planer noch nicht selbst gemacht haben. Das ist der Punkt, an dem sich erweist, ob Bürgerbeteiligungen ernst gemeint sind und berechtige Vorschläge aufgenommen werden – oder eben nicht. Es ist im Grunde ein geregeltes Arbeitsinstrument für die Planer der Verwaltung, mit den Bürgern gemeinsam ein ausgewogenes und abgestimmtes Projekt zu entwickeln. Wenn das so ist, können auch Ausschuss und Stadtrat mit gutem Gewissen zustimmen.
Selbstverständlich ist im Grunde Punkt 7: “Nach der Leistungsphase 7 und vor der Leistungsphase 8 wird, wenn notwendig, dem Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau, respektive Ortschaftsrat bzw. Stadtbezirksbeirat, die Umleitungskonzeption vorgelegt.”
Und damit die Bürger selbst auch sehen, was gerade passiert und ob ihre Mitarbeit tatsächlich gewürdigt wird, gibt es noch einen unnummerierten Beschlusspunkt: “Die Planungen ab Leistungsphase 2 sollen auf dem Internetauftritt der Stadt Leipzig veröffentlicht werden.”
Es gibt 2 Kommentare
Während der Süden und der Westen schon immer “Schwarzes Land” waren, waren der Norden und der Osten schon immer “Rotes Land”. Siehe “Night Will Fall – Hitchcocks Lehrfilm fur die Deutschen”, der für das deutsche Fernsehen nicht vom BR oder SWR, sondern vom NDR und MDR produziert wurde.
Der Ansatz, die Bürgerbeteiligung zum Regelfall zu machen, wäre sicherlich ein kluger Weg zurück zum Vertrauen in das eigentliche Wurzelgebiet einer Partei, dem Volk, dem Menschen.
Allerdings sehe ich bei den entstandenen Machtgebilden der heutigen SPD und dem angerichteten Schaden der letzten Jahre, und dem heutigen Gebaren, wenig Willen zu einer tiefgreifenden Erneuerung bei den dafür Verantwortlichen Personen.
In der SPD von heute geht es, wie bei den anderen Parteien auch, nur noch um nackten Machterhalt im Ganzen – nicht um den Menschen im Einzelnen.
Die SPD als Partei des kleinen Mannes ist Geschichte, egal auf welche Ideen man noch kommt.
Während der Süden und der Westen schon immer “Schwarzes Land” waren, waren der Norden und der Osten schon immer “Rotes Land”.
Der Ansatz, die Bürgerbeteiligung zum Regelfall zu machen, wäre sicherlich ein kluger Weg zurück zum Vertrauen in das eigentlichen Wurzelgebieten einer Partei, dem Volk, dem Menschen.
Allerdings sehe ich bei den entstandenen Machtgebilden der heutigen SPD und dem angerichteten Schaden der letzten Jahre, wenig Willen zu einer tiefgreifenden Erneuerung. in den dafür Verantwortlichen.
Bei der SPD von heute geht es, wie bei den anderen Parteien auch, nur noch um Machterhalt im Ganzen – nicht um Menschen im Einzelnen.
Die SPD als Partei des kleinen Mannes ist Geschichte, egal auf welche Ideen man noch kommt.