Nicht nur Norman Volger, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat, versteht die Stadtverwaltung nicht mehr. "Da steht Leipzig mittlerweile auf Warnstufe Zwei der EU und setzt seinen Lufteinhalteplan doch wieder nicht vollständig um", sagt er. "Das versteh ich einfach nicht." Auch 2014 hat Leipzig (trotz Umweltzone) die Grenzwerte für die Feinstaubbelastung gerissen.
“Gerade in so einer Situation sollten wir doch der EU-Kommission zeigen, dass wir gewillt sind, den Luftreinhalteplan nach besten Kräften umzusetzen”, sagt Volger noch. Stattdessen genüge ein Blick, um zu sehen, dass selbst der Posten “Sach- und Dienstleistungen” für die Maßnahmen des Luftreinhalteplans um 100.000 Euro gekürzt wurde. Und das, obwohl der Finanzbürgermeister im Vorwort des Haushaltsentwurfs schreibt: “Der vorliegende Entwurf des Doppelhaushaltes enthält keine Kürzung.”
Erstaunlich finden die Grünen diese Aussage, wenn sie dann die Kürzung im Luftreinhalteplan sehen. Ihr Kommentar im Antrag, diese 100.000 Euro wieder einzustellen, fällt entsprechend trocken aus: “Die Kürzung dieses Produktes zeigt, dass sich die Verwaltung für die Leistungen dieses Produktes nicht interessiert.” Und was schlägt man einer Verwaltung und einem Umweltbürgermeister vor, die sich nicht für den Luftreinhalteplan interessieren? – “Sie sollte daher soweit möglich Maßnahmen lieber ausschreiben, damit Planungsbüros oder Vereine und Verbände, die Kenntnis und Engagement haben, diese Leistungen erbringen.”
Es ist nicht der einzige Punkt, in dem der Doppelhaushalt 2015/2016 die Warnboje bei Luftreinhaltung und Umweltschutz in Leipzig einfach ignoriert. “Wir werde alle Anträge zum Luftreinhalteplan, die wir im vergangenen Jahr gestellt haben, wieder stellen”, kündigt Norman Volger an.
Denn es macht ja keinen Sinn, wenn die Stadt sich rühmt, einen Luftreinhalteplan mit 49 Einzelpunkten zu haben, das Meiste davon aber finanziell nicht unterfüttert.
Das bekannteste Thema sind die im Luftreinhalteplan versprochenen 5.000 zusätzlichen Straßenbäume. Nur ein Bruchteil davon wurde verpflanzt. Für 2014 hatten die Grünen schon 1.000 neue Straßenbäume beantragt – auch das hat die Stadt nicht geschafft. Also hat die Grünen-Fraktion für 2015 und 2016 wieder jeweils 1.000 neue Straßenbäume beantragt. Die Summe, die dafür nötig ist: 1 Million Euro im Jahr. Für nichts gibt’s nichts. Und die nächste Warnung für Leipzig ist schon fast sicher. Denn seit dem 1. Januar gilt auch noch ein weiterer Grenzwert für die Luftreinhaltung, den Leipzig bisher auch noch nicht gepackt hat: der für die Stickstoffdioxidbelastung.
“Die EU-Kommission hat am 20.02.2013 der Stadt ihre Entscheidung zur Fristverlängerung für die Einhaltung des NO2-Grenzwertes in Leipzig bis zum 01.01.2015 auf Basis des vorgelegten Luftreinhalteplanes verlängert”, schreiben die Grünen in ihrem Antrag.
Diese Fristverlängerung hat Leipzig jetzt um zwei Wochen überschritten. Und sie hat 2014 wieder nur einen Bruchteil der Maßnahmen aus dem Luftreinhalteplan umgesetzt. Das kann nicht gut gehen.
Und es zeigt recht deutlich, dass es in der Verwaltungsspitze derzeit niemanden gibt, der das Thema Umweltschutz und Luftreinheit tatsächlich ernsthaft betreibt.
Dabei ist die Stadt nicht zur Handlungsunfähigkeit verdammt. Und hätte eigentlich natürliche Partner, mit denen sie Projekte vorantreiben könnte. Doch mit diesen Partnern liegt sie im Clinch. Oder sie kürzt auch hier Gelder, die eine wichtige ökologische Arbeit am Laufen halten würden. Diesmal kämpft die Umweltbibliothek ums Überleben, immerhin die einzige öffentliche Spezialbibliothek zu Ökologie und Umweltschutz in Leipzig. Mit 20.000 Euro ist die Arbeit der Bibliothek nicht zu sichern. Die Grünen beantragen deshalb eine dauerhafte Finanzierung mit 100.000 Euro im Jahr.
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Und auch das leidige Thema Kompensationsflächen heben sie auf die Tagesordnung. Kompensationsflächen sind Flächen, die – als Ausgleich für Bau- und Versiegelungsmaßnahmen im Stadtgebiet – wieder bepflanzt und aufgeforstet werden müssen. 198 solcher Flächen sind in den vielen Bebauungsplänen der Stadt ausgewiesen. Nur: Sie werden nicht bepflanzt, so lange in diesen einzelnen Bebauungsflächen kein Bauherr tätig wird und hier die Kompensationen finanziert. Sie sind reine Optionen für die Zukunft – falls da mal was passiert.
Das Ergebnis ist: Leipzig findet – trotz dieser vielen Flächen mit einer Gesamtgröße von 245 Hektar – kaum noch verfügbare Kompensationsflächen.
Natürlich könnte die Stadt die Flächen trotzdem nutzen. Sie sind ja da. Aber sie müsste in Vorleistung gehen und quasi anstelle des künftigen Investors schon einmal pflanzen und säen. Dafür ist aber kein Geld da. Zumindest ist keines vorgesehen.
Deswegen schlagen die Grünen in einem eigenen Antrag vor, dass die Stadt dafür einen eigenen Fonds auflegt, den sie mit 1 Million Euro füllt. Eine Summe, mit der Kompensationsmaßnahmen schon einmal vorfinanziert werden. “Nach unserer Vorstellung soll das ein revolvierender Fonds sein”, sagt Fraktionsvorsitzender Norman Volger. Revolvierend heißt: Er füllt sich wieder. Nämlich mit den Geldern, die die jeweiligen Investoren in den entsprechenden Bebauungsgebieten dann quasi zurückzahlen, denn die Kompensationsmaßnahmen, die sie selbst vornehmen müssten, sind ja dann schon geschehen. Das Geld dafür fließt also in den Fonds zurück und steht bereit, um schon wieder die nächsten Kompensationsmaßnahme zu finanzieren.
Auch das ein Weg, um aus der gegenwärtigen Situation, in der in Sachen Umweltschutz so Vieles festgefahren scheint, herauszukommen und wieder mehr zu tun für eine Stadt, in der die Bürger eine intakte Umwelt sehr wohl als wesentlichen Teil der Wohn- und Lebensqualität begreifen.
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