Keine Fahrverbote? Keine weiteren Beschränkungen im Leipziger Straßenverkehr? - Es ist wie so oft, nachdem Leipzigs große Zeitung vorm Jahreswechsel schon mal alle Pferde scheu gemacht hat mit drohenden Fahrverboten bei bestimmten Wetterlagen: Es war nicht mehr als Orakel. Tatsächlich kommt Leipzig bei der Verbesserung seiner Luftqualität ganz langsam voran, wie Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) am Montag, 19. Januar, feststellte. Wenn auch im Schneckentempo.
Immer mehr der insgesamt 48 Maßnahmen des 2009 inkraft getretenen Luftreinhalteplans Leipzigs würden die erhoffte Wirkung erzielen, vermeldet sein Dezernat.
„Der überwiegende Teil an Maßnahmen des Luftreinhalteplans ist bereits umgesetzt oder befindet sich in der laufenden Umsetzung“, stellte Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal am Montag bei eine Pressekonferenz fest. „Im Jahr 2013 und vorbehaltlich auch im Jahr 2014 konnte an der Messstation Leipzig-Mitte die zulässige Zahl an PM10- Feinstaubüberschreitungstagen eingehalten werden. Dies ist bemerkenswert, da der Wert zuvor seit dem Jahr 2005 an dieser Station permanent überschritten worden war. Einzige Ausnahme war, auch aufgrund eines längeren Ausfalls der Messung, das Jahr 2009.“
Die Zahlen aus dem Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie: Gab es 2010, 2011 und 2013 an der Messstation Mitte (Am Halleschen Tor) noch 41, 63 bzw. 39 Tage mit Grenzüberschreitungen bei der Feinstaubbelastung (PM10), blieb diese Station 2013 mit 33 Tagen mit Grenzwertüberschreitung erstmals unter der geforderten Maximalzahl von 35 Tagen. 2014 stehen bislang 34 Überschreitungstage in der Statistik.
Eine der begünstigenden und bereits umgesetzten Maßnahmen ist die Ende 2013 erfolgte Inbetriebnahme des City-Tunnels, so Rosenthal.
Ärgerlich nur, dass die Feinstaubbelastung an der Messstation in der Lützner Straße auch 2013 mit 41 und 2014 mit 43 Überschreitungstagen die Latte riss. Und das, obwohl alle Bauarbeiten beendet sind und der Verkehr in der sanierten Straße recht flüssig rollt.
Es ist nicht nur der Verkehr, der an hochbelasteten Straßen die Feinstaubkonzentration in die Höhe treibt. Es sind auch viele Kleinfeuerungsanlagen, die gerade in der Winterzeit zur Erhöhung der Feinstaubbelastung beitragen. Und ein Tag taucht natürlich jedes Jahr in der Statistik auf: der 1. Januar, an dem die Leipziger mit ihren Feuerwerken dafür sorgen, dass der erste Tag des Jahres auch immer der erste Tag mit einer Überschreitung der Feinstaubgrenzwerte ist.
Feinstaub ist nicht gleich Feinstaub
Wiederholt hat sich Heiko Rosenthal am Montag Prof. Dr. Alfred Wiedensohler, Leiter der Abteilung „Experimentelle Aerosol- und Wolkenmikrophysik“ am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V., ins Boot geholt. Denn dass Feinstaub von der EU so streng reglementiert wird, hat ja weniger mit den nach Leipzig hereingewehten Ackerstäuben und Pollen zu tun, sondern mit den wesentlich kleineren aber viel gefährlicheren Beimengungen von Rußpartikeln. Sie sind es, die vor allem krebserregend wirken. Und Wiedensohler hat das Phänomen ihres Auftretens in Leipzig nun seit ein paar Jahren wissenschaftlich untersucht. Mit einem positiven Ergebnis.
„Die Verminderung des besonders toxischen Feinstaubanteils hat sich trotz Wiederanstiegs des Verkehrsaufkommens fortgesetzt“, sagte Alfred Wiedensohler am Montag. “In Leipzig-Mitte haben wir einen Rückgang des schwarzen, toxischen Kohlenstoffs, also Ruß, von circa 40 Prozent gemessen. Die Minderung der Toxizität des Feinstaubes an der Straße ist signifikant und letztlich nur aus der Verbesserung der Fahrzeugflotte durch die Umweltzone erklärbar“, so der Wissenschaftler. Er und sein Team untersuchen in Kooperation mit dem Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie die Entwicklung der Aerosolbelastung in Leipzig.
Was dann direkt mit der Einführung der Umweltzone 2011 in Zusammenhang steht, etwas was für viele Leipziger Autobesitzer auch das Signal war, ihren Pkw gegen ein Fahrzeug mit niedrigeren Emissionswerten auszutauschen.
Neues Grenzwertthema: Stickstoffdioxid
Aber 2015 wird nun auch eine weitere wichtige Marke für die Luftbelastung in Leipzig akut: die Belastung mit Stickstoffdioxid. Auch hier konnte Leipzig in den vergangenen Jahren die EU-Grenzwerte nicht einhalten. Die in Leipzig gemessenen Werte sinken nur langsam.
Die Belastung reduzierte sich in Leipzig-Mitte im Jahr 2013 gegenüber den Vorjahren weiter geringfügig, blieb aber nach wie vor oberhalb des seit dem Jahr 2010 geltenden Grenzwertes für das Jahresmittel. Im zurückliegenden Jahr konnte der Grenzwert an der Station Leipzig-Mitte erstmals seit dem Jahr 1995 eingehalten werden. Ein anderes Bild ergibt sich auch hier für die Messstation in der Lützner Straße. Zwar ging hier die Stickstoffdioxid-Belastung seit dem Jahr 2011 deutlich zurück, was auf das durch die Baustelle bedingte geringere Verkehrsaufkommen zurückzuführen war, schätzt das Umweltdezernat ein. Aber eben auch die zulässige Zahl von Überschreitungstagen bei PM10-Feinstaubüberschreitungstagen konnte dennoch nicht eingehalten werden und bedürfe weitergehender Untersuchungen, so Rosenthal.
Irgendwie hat man nun drei Jahre lang gehofft, die Umweltzone werde das schon regeln. Aber an der konkreten Problemlage an der stark befahrenen Straße im Leipziger Westen hat das augenscheinlich nichts geändert. Und das könnte Leipzig eben doch teuer auf die Füße fallen.
Denn derzeit läuft gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren der EU. Grund hierfür sind die PM10-Grenzwertüberschreitungen im Jahr 2011 und den Folgejahren.
„Die Bundesrepublik hat noch etwa eine Woche Zeit, eine entsprechende Antwort auf die mit Schreiben vom November 2014 mit Gründen versehene Stellungnahme der EU-Kommission zu erarbeiten“, sagt Heiko Rosenthal. „Bestandteile der Antwort werden unter anderem der heute vorgestellte Umsetzungsbericht zum Luftreinhalteplan sowie der aus wissenschaftlicher Sicht erzielte Gesundheitsgewinn durch die Minderung der Rußbelastung sein.“
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