Irgendwie hat Leipzigs CDU ein Problem. Vielleicht sogar eines mit der Selbstsicht. Selbst ein klar fassbares Ereignis wie den nächtlichen Angriff von rund 30 Gewalttätern auf die Polizeiwache in Connewitz nutzte die CDU-Fraktion gleich mal, um Personen für die Tat verantwortlich zu machen, die mit der Tat gar nichts zu tun haben. Nicht nur Linkspartei und Grüne, sondern auch gleich die Stadtverwaltung. Die LVZ schrieb dankend mit.

Dort stand in der Ausgabe am Freitag, 9. November, gleich unter der detaillierten Geschichte vom nächtlichen Überfall, zu lesen: “Die CDU-Stadtratsfraktion gab der Rathausspitze und besonders dem von Bürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) geführten Ordnungsdezernat eine Mitschuld an der Gewalteskalation und verlangte Konzepte zur Verbesserung der Sicherheit.”

Und Fraktionschef Uwe Rothkegel wird zitiert mit: “Durch jahrzehntelange Duldung und teilweise aktive Förderung durch die Stadtverwaltung konnte in Connewitz ein Klima entstehen, das durch Angst und Gewalt geprägt ist.

“Linke und Grüne hätten die Einrichtung des Polizeipostens bereits vor der Eröffnung kritisiert”, so die LVZ. Und Rothkegel: “Sie sind die geistigen Wegbereiter für die Gewaltexzesse der letzten Nacht.”

Eine Meldung, die natürlich ein klares Dementi nun von den Grünen nach sich zog: “Zuerst einmal verurteilen wir Grünen selbstverständlich den Angriff auf den Polizeiposten in Connewitz. Der Angriff ist nicht nachvollziehbar und mit Nichts aber auch gar Nichts zu rechtfertigen. Den Angreifern ist es dabei auch vollkommen egal, wenn Unbeteiligte, wie die Bewohner des Mietshauses oder in der über dem Polizeiposten liegenden Arztpraxis, geschädigt und traumatisiert werden. Es geht hier nicht um Politik sondern um stupide dumpfe Gewalt”, erklärt der Grünen-Vorsitzende Norman Volger. Der sich zu recht sauer zeigt, dass die CDU jetzt gar die Grünen zu Brandstiftern erklärt: “Es setzt dem Ganzen aber noch die Krone auf, wenn die CDU aus diesem Vorfall politisches Kalkül ziehen will, uns Grünen eine Mitschuld gibt und schlicht Unwahrheiten behauptet. Ich habe selbst zur Person mehrfach, auch in den lokalen Medien nachzulesen, klargestellt, dass wir Grünen mit dem Polizeiposten kein Problem haben. Ein Polizeiposten ist etwas ganz Normales und Dezentralität wünschenswert.”

Dr. Judith Künstler, Stadträtin von Bündnis 90/ Die Grünen aus dem Stadtbezirk Süd ergänzt: “Meine Kollegen und ich selbst sind als Mieter in der Wiedebachpassage durch den Angriff auf den Polizeiposten betroffen und in Mitleidenschaft gezogen worden. Den Grünen und damit auch mir als Geschädigte wider besseren Wissens eine Mitschuld an den Angriff zu geben ist eine Frechheit. Ich verlange von der CDU eine Entschuldigung.”
Von der Stadtverwaltung, der hier von Rothkegel ebenfalls “eine Mitschuld an der Gewalteskalation” attestiert wurde, gab es noch kein offizielles Dementi zu diesem Vorwurf. Am 8. Januar hatte OBM Burkhard Jung (SPD) selbst erklärt: “Wir lassen uns nicht von Kriminellen einschüchtern. Wir stehen Seite an Seite mit der Polizei und ich wünsche den Polizisten, die hier angegriffen wurden, viel Kraft, dass sie mit dieser Belastung fertig werden. Wir werden den Polizeiposten so schnell wie möglich wieder herrichten. Die große Mehrheit der Connewitzer ist froh, dass die Polizei im Stadtteil vor Ort präsent ist, und das wird auch so bleiben.”

Und augenscheinlich hat man in der CDU-Fraktion gar nicht mitbekommen, wie der Polizeiposten zustande kam und dass es die Stadt Leipzig ist, die dort die Mietkosten trägt, um den Posten überhaupt zu ermöglichen.

Denn dass sich Leipzigs Polizei fast flächendeckend aus dem Stadtgebiet zurückgezogen hat mit ihren Polizeidienststellen ist das Ergebnis sächsischer Sparpolitik, noch konkreter: der Politik des von der CDU gestellten Innenministers Markus Ulbig.

Und der CDU-Vorwurf lenkt den Blick natürlich ab von den eigentlichen Tätern, der sehr wohl klar eingrenzbar sind, denn sie haben sich ja sogar mit einem Bekennerschreiben bekannt zum Überfall.

“Der Bekennerbrief lässt in Bezug auf die Polizeibediensteten eine menschenverachtende Grundhaltung erkennen, die mich sehr erschüttert. Die Täter haben damit dem Anliegen, den Tod von Oury Jalloh umfassend aufzuklären, einen Bärendienst erwiesen. Denn in der öffentlichen Diskussion über den Vorfall in Leipzig-Connewitz werden nun auch friedliche linke Gruppen in Mithaftung genommen. Damit war diese Aktion auch für deren Anliegen sehr schädlich”, benennt Albrecht Pallas, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, die ziemlich logischen Folgen dieses Angriff auf den Polizeiposten in Leipzig-Connewitz . “Der offenbar gut geplante Angriff durch militante Linke entsetzt uns zutiefst. Gewaltstraftaten, insbesondere Angriffe gegen Polizeibeamte, dürfen kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Dass niemand verletzt wurde, ist ein Glücksumstand. Den betroffenen Beamten muss jetzt jede Unterstützung zuteil werden. Wir hoffen, dass Hintergründe und Umstände des Angriffs schnell aufgeklärt werden.”

Eines haben die Täter jedenfalls mal wieder erreicht: dass Sachsens Polizei allen Grund hat, ihnen verstärkt auf die Pelle zu rücken.

So kündigte es Innenminister Markus Ulbig am Donnerstag schon an: “Dieser Auswuchs von Gewalt gegen eine Gruppe der Gesellschaft ist nicht hinnehmbar. Der Rechtsstaat wird alles unternehmen, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Ich ermutige alle Polizeibeamten und ich weiß, dass die Gesellschaft hinter der wichtigen Aufgabe der Polizei steht.”

Mit Solidaritätsbekunden selbst aus dem linken Lager können die Täter nicht unbedingt rechnen. Der Vorsitzende der Leipziger Linken dazu: “Die Leipziger Linke verurteilt diesen massiven Anschlag und distanziert sich entschieden von der Zerstörungswut, die von den bislang unbekannten Tätern ausgeübt wurde. Gewalt gegen Sachen oder gar Personen – das gilt insbesondere auch gegenüber Polizistinnen und Polizisten – lehnen wir als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab.”

Auch die Landtagabgeordneten der Linken, Juliane Nagel, Sprecherin für Migrations- und Flüchtlingspolitik und direktgewählte Abgeordnete aus Leipzig-Connewitz, und Enrico Stange, Innenpolitischer Sprecher machten sich ein Bild vor Ort.

Und erklären: “Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten ist illegal, illegitim und nicht hinnehmbar. Der Angriff auf den Polizeiposten in der Wiedebachpassage ist durch nichts zu rechtfertigen – auch nicht durch das Bekennerschreiben, das in zynischer Weise den Angriff auf den Polizeiposten und die anwesenden Polizistinnen und Polizisten mit dem Tod des am 7. Januar 2005 im Dessauer Polizeigewahrsam verbrannten Oury Jalloh zu rechtfertigen sucht. Dieser Angriff konterkariert eher die Bestrebungen, alle Hintergründe und das Verschulden des Todes von Oury Jalloh in Gänze aufzuklären. Kritik an Rassismus und auch an polizeilichem Handeln müssen in unseren Augen in einer lebendigen Demokratie möglich sein. Gewalt ist für uns jedoch kein Mittel der politischen Auseinandersetzung, im Gegenteil: So wird der demokratische Meinungsstreit gefährdet. Wir hoffen, dass die beiden Leipziger Beamten schnell genesen und danach ihren Dienst in den Reihen der Polizei wieder aufnehmen können!”

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar