Jetzt wird es haarig. Leipzig droht ein Strafverfahren wegen fehlender Bemühung, die Luftreinheit in der Stadt zu verbessern. Die EU-Kommission hat am 26. November 2014 Deutschland aufgefordert dafür zu sorgen, die Bürger von Leipzig und Stuttgart "rasch und wirksam" vor den Gesundheitsgefahren zu schützen, die von den weiterhin hohen Feinstaubbelastungen ausgehen. Geschähe dies nicht, könnten auf Leipzig erhebliche Strafzahlungen zukommen, deren Höhe durchaus im Bereich eines sechsstelligen Betrages pro Tag liegen kann.

Ganz offiziell hieß es am 26. November: “Die Europäische Kommission hat Deutschland, Österreich und die Slowakei heute (Mittwoch) zu einem besseren Schutz der Bevölkerung vor Feinstaub (PM10) gemahnt. Für Deutschland geht es konkret um Stuttgart und Leipzig, wo der Tagesgrenzwert für Feinstaub weiterhin überschritten wird. Die Kommission fordert die Behörden daher auf, zukunftsorientiert, rasch und wirksam tätig zu werden, um diesen Verstoß gegen EU Recht so schnell wie möglich abzustellen. Die sogenannte mit Gründen versehene Stellungnahme, die die Kommission heute versendet hat, folgt einem Aufforderungsschreiben, das Deutschland am 26. April 2013 übermittelt worden war. Sie ist die zweite Stufe in einem insgesamt dreistufigen Vertragsverletzungsverfahren. In einem letzten Schritt könnte die Kommission den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen.”

Das ist ein Bugschuss, nachdem sowohl die Leipziger Stadtverwaltung wie auch das Sächsische Umweltministerium immer wieder abgewiegelt hatten und gar die 2011 eingeführte Umweltzone als Lösung aller Probleme verkauft hatten. Doch eingeführt worden war die (stark reduzierte) Umweltzone, weil aus dem 2009 verabschiedeten Luftreinhalteplan die meisten der vorgesehenen 49 Maßnahmen nicht oder nur in Teilen umgesetzt wurden. Immer wieder fehlte das Geld zur Umsetzung. Oder sollte man besser sagen: Immer wieder fanden es Verwaltung und Stadtratsfraktionen wichtiger, andere Dinge zu finanzieren?

Dresden, das ja bekanntlich keine Umweltzone eingeführt hat, obwohl die Grenzwerte genauso wie in Leipzig bis 2011 massiv überschritten wurden, hat augenscheinlich viele seiner Maßnahmen aus dem Luftreinhalteplan umgesetzt und seit 2012 geschafft, die Zahl der Tage mit PM10-Grenzwertüberschreitungen deutlich zu senken. Und das auch in Jahren mit ausgeprägten Inversionswetterlagen oder – wie 2013 – extrem langen Heizperioden.

Und das Jahr 2013 liegt jetzt der Mahnung der EU-Kommission zugrunde. An der Messstation Leipzig-Mitte (Am Hallischen Tor) konnte Leipzig zwar mit 33 Tagen mit Grenzwertüberschreitung die Grenze von 35 Tagen knapp unterschreiten. Dafür wurden an der Messstation Lützner Straße insgesamt 41 Tage mit Grenzwertüberschreitung gezählt. Wer sich erinnert: Der kalte Winter reichte bis in den April. Ende April waren an der Lützner Straße schon 38 Tage mit PM10-Grenzwertüberschreitung gezählt worden. Und das lag diesmal nur zum Teil am Kfz-Verkehr, dafür umso stärker an Kleinfeueranlagen und Kaminen, die in Leipzig in den letzten Jahren eine richtige Renaissance erlebt haben.Aber auch bei den im Luftreinhalteplan aufgezählten Maßnahmen gilt in Leipzig eher eine Laissez-faire-Haltung. Ob das nun die Kontrolle von Emissionen von Baumaschinen ist oder das Umsetzen der geplanten Baumpflanzungen. “Die bisherigen Maßnahmen des Leipziger Luftreinhalteplans von 2009 haben nicht ausgereicht, die Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung maßgeblich zu reduzieren. Leipzig stehen so möglicherweise erhebliche Einschränkungen für den Hauptverursacher der Belastungen, dem Autoverkehr, bevor”, befürchtet nun der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC).

“Ausgerechnet Leipzig, dessen Lebensqualität für das internationale Marketing eine große Bedeutung hat, bekam für seine Tatenlosigkeit bei der Feinstaubreduzierung die Rote Karte von der EU überreicht”, moniert deshalb Dr. Christoph Waack, Vorsitzender des ADFC Leipzig. Um einen durch mögliche Fahrverbote verursachten Kollaps des Stadtverkehrs zu vermeiden, sei es nun an der Zeit, die aktive Umsetzung des Luftreinhalteplans als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu begreifen und die weniger belastenden Verkehrsarten intensiver zu fördern.

“Die Kommunalpolitik hat hoffentlich den Ernst der Lage verstanden und setzt sich umgehend für die Realisierung des Luftreinhalteplans ein, bevor durch Anordnungen übergeordneter Rechtsträger die Beschneidung der kommunalen Selbstverwaltung droht. Wir erwarten, dass Politik und Verwaltung sich nun erheblich stärker als bisher für die bereits im Luftreinhalteplan festgeschriebene Förderung des Rad- und Fußverkehrs sowie des ÖPNV einsetzen”, appelliert Dr. Christoph Waack.

Der ADFC schlägt als kostengünstige Sofortmaßnahmen vor, die Zufahrten zum Promenadenring und den Promenadenring selbst mit Radfahrstreifen zu versehen. Das stark gestiegene Radverkehrsaufkommen erfordere gerade im Citybereich einen Paradigmenwechsel. Anstatt den Radfahrer dort von der Straße zu verbannen und sich über den Schleichverkehr auf den Fußwegen zu mokieren, müssten attraktive Angebote die Erreichbarkeit und Umfahrung der City mit dem Rad unterstützen.

“Es ist an der Zeit, den vielen Worten endlich in angemessener Weise Taten folgen zu lassen, die zu einer tatsächlichen Reduzierung der Feinstaubbelastung in Leipzig beitragen. Der Umstieg vom Auto aufs Fahrrad muss den Leipzigern schmackhaft gemacht werden und sich für den Einzelnen lohnen. Eine sichere und an die Bedürfnisse der Radfahrenden angepasste Verkehrsinfrastruktur kann den Radverkehrsanteil signifikant erhöhen. Kopenhagen ist derzeit das beste Beispiel dafür. Jeder nicht mit dem Auto zurückgelegte Kilometer verbessert die Leipziger Luftqualität”, so Dr. Christoph Waack abschließend.

Dass Leipzig sich bei der Feinstaubbelastung nicht auf große Wetterlagen und die starke Hintergrundbelastung herausreden kann, zeigen auch die Zahlen für 2014. Die Messstation Mitte liegt bisher mit 31 Tagen mit PM10-Grenzwertüberschreitung wieder sehr knapp unter der Grenze von 35 Tagen mit Grenzwertüberschreitungen – und das diesmal ohne eine Baustelle in der Nähe, auf die man sonst die hohe Belastung an dieser Stelle gern schob. In der Lützner Straße ist die Maximalzahl auch 2014 gerissen – 38 Tage mit Grenzwertüberschreitung weist die Statistik des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie aus. Und das auch ohne langen Winter und ohne Baustelle.

Leipzigs Verwaltung muss jetzt sowieso schleunigst handeln, denn die Botschaft der EU-Kommission ist deutlich: “Nach Dafürhalten der Kommission haben die betreffenden Länder Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, die es seit 2005 geben sollte, nicht ergriffen. Sie werden daher aufgefordert, zukunftsorientiert, rasch und wirksam tätig zu werden, damit der Verstoß gegen das EU-Recht so schnell wie möglich abgestellt wird.”

Da werden wohl auch die 49 Maßnahmen aus dem 2009 verabschiedeten Luftreinhalteplan nicht ausreichen.

Der ADFC-Leipzig: www.adfc-leipzig.de

Die Mitteilung der EU-Kommission: http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/12899_de.htm

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