Derzeit wird hinter verschlossenen Türen und völlig intransparent von der EU-Kommission eine "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" (TTIP) zwischen den USA und der EU verhandelt. Ziel des Abkommens ist die weitere umfassende Deregulierung und Liberalisierung von Handelsbeziehungen und Dienstleistungen. Die Bundesregierung wähnt sich auf der Zielgeraden und übt öffentlichen Druck aus, das Abkommen zügig abzuschließen, wie zuletzt etwa Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

“Die Unterzeichnung dieses Abkommens wird erhebliche Konsequenzen auch für die Kommunen und ihre Aktivitäten im Rahmen der Daseinsvorsorge beinhalten”, kommentiert Dr. Skadi Jennicke, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat die Auswirkungen, die auch Leipzig betreffen werden. “Die bisher noch festgeschriebenen Ausnahmeregelungen hinsichtlich des öffentlichen Versorgungsbereiches und der Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Finanzen, Verkehr oder Leiharbeit sollen offenbar aufgehoben werden.”

Damit verlieren die Kommunen in Europa ihre Entscheidungshoheit über zentrale Bereiche der Daseinsvorsorge. Europa gibt mit TTIP wichtige Standards preis, die die Gesellschaften des alten Kontinents bislang noch stabilisieren.

Skadi Jennicke: “Innerhalb dieser Megazone sollen die Regelungen von ausländischen Investoren aus ihrem eigenen Heimatland im Partnerland gelten. Fallen die Standards im Heimatland niedriger aus, dann müssen diese im Partnerland anerkannt werden. Handelsbarrieren wie zum Beispiel Produkt- und Qualitätsstandards werden abgebaut (Chlorhühnchen, Hormonfleisch). Ein weiterer Kritikpunkt aber ist der sogenannte Investorenschutz, ein Sonderklagerecht für Unternehmen. Dieses soll erweitert werden, und für öffentliche Ausschreibungen soll das Prinzip der Inländerbehandlung festgeschrieben werden. Damit steht zu erwarten, dass sogenannte nichttarifäre Handelshemmnisse und Regulierungen massiv reduziert werden. Teil beider Abkommen soll ein spezielles Investorenklagerecht gegen Staaten sein, um gegebenenfalls Schadenersatz durchsetzen zu können. Klagegründe sind dabei nicht mehr nur Wettbewerbsbeschränkungen oder Enteignungen, sondern entgangene Gewinne aufgrund von Gesetzen, Vorschriften und Richtlinien.”

Aus dieser Perspektive gelten auch politische Entscheidungen, die Kommunen eine Entscheidungshoheit über die Sicherung der eigenen Versorgung zugestehen, als Hemmnisse.

Jennicke: “Die Klagen von ausländischen Konzernen wegen entgangener Gewinnerwartungen aufgrund von inländischen Hemmnissen werden vor Schiedsgerichten verhandelt, die nicht öffentlich tagen, deren Urteile völkerrechtlich verbindlich sind und gegen die es keine Revisions- bzw. Berufungsmöglichkeiten mehr gibt.”

Die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat hatte im Juli diesen Jahres einen Antrag eingereicht, der den Oberbürgermeister auffordert, sich gegen TTIP zu positionieren. Das hat er bereits als Unterzeichner der Resolution des Deutschen Städte- und Gemeindetages getan. In einer Neufassung schlägt die Fraktion Die Linke nun eine Resolution der Ratsversammlung vor, in der sich deren Mitglieder unmissverständlich gegen TTIP und seine Risiken positionieren. Mit der Resolution bekennt sich der Stadtrat zur kommunalen Selbstverwaltung und stärkt die Position des Städte- und Gemeindetages. Sie wurde in ähnlicher Form bereits von den Kommunalvertretungen in mehreren Kommunen verabschiedet.

Eingeschlossen ist die Forderung, dass die kommunale Daseinsvorsorge von den Marktzugangs- und Inländergleichstellungsverpflichtungen im TTIP und allen weiteren Freihandelsabkommen ausgenommen und das Kapitel zum Investitionsschutz komplett gestrichen wird.

“Eine vergleichbare Resolution hat unter anderem der Rat der Stadt Worms bereits einstimmig verabschiedet”, betont Skadi Jennicke. Die Forderung nach Aufklärung über mögliche Folgen für die kommunale Daseinsvorsorge in den betreffenden Ausschüssen hat Die Linke auch in der Neufassung angeregt.
Der Antrag der Linksfraktion als PDF zum download.

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