Das Gewandhaus Leipzig musste sich eine kleine Überprüfung durch den Rechnungshof schon gefallen lassen. Immerhin partizipiert es von Kulturraumgeldern des Freistaats. Dasselbe trifft nun im Jahresbericht 2014 auch auf das Schauspiel Leipzig zu. Das hat nicht nur im Abschlussjahr 2013 augenscheinlich deutlich über seine Verhältnisse gewirtschaftet. Das Ganze wird jetzt zu einem Fall für die Rechtsaufsichtsbehörde.

Überprüft wurde vom Rechnungshof der Zeitraum von der Saison 2006/2007 bis zur Saison 2010/2011. Das betrifft im Wesentlichen die Intendanz von Sebastian Hartmann, der 2008 den Posten als Intendant am Schauspiel Leipzig antrat und bis 2013 inne hatte. In diese Zeit fällt eine recht deutliche Steigerung der Gesamtaufwendungen im Schauspiel von rund 14 Millionen Euro auf 16,1 Millionen Euro.

“Dies ist im Wesentlichen auf den gestiegenen eigenen Personalaufwand (+ 1,2 Millionen Euro) und zusätzliche Honorarkosten (+ 0,5 Millionen Euro) zurückzuführen. Die Zuschüsse erhöhten sich in diesem Zeitraum um rd. 2 Millionen Euro”, heißt es im Bericht des Sächsischen Rechnungshofes. Zwar stieg die Anzahl der Veranstaltungen in diesem Zeitraum um erstaunliche 28 Prozent an auf 774. Nur hat das nicht zu steigenden Besucherzahlen geführt. Im Gegenteil: Die Besucherzahlen sanken von 103.911 im Jahr 2007 auf 98.196 im Jahr 2011.

Die Umsatzerlöse konnten zwar um rund 7 Prozent auf 853.000 Euro gesteigert werden. Entsprechend stiegen aber auch die Zuschüsse für jedes einzelne Ticket. Im Rechnungshofbericht steht dazu: “Dies bewirkte im Zeitraum von 2006/2007 bis 2010/2011 eine Zuschusserhöhung je Besucher des Schauspiels von 99 Euro auf 136 Euro. Der Anstieg der Gesamtaufwendungen konnte nicht durch eigenerwirtschaftete Erlöse kompensiert werden. Diese deckten die Gesamtaufwendungen in 2010/2011 nur zu rund 11,7 %. Der Durchschnittswert der Einspielergebnisse von Theatern in Städten mit vergleichbarer Einwohnerzahl betrug nach der Statistik des Deutschen Bühnenvereins rund 19,3 %.”

Und das hat auch mit einer anderen Entwicklung in dieser Zeit zu tun: Ein Großteil der gemeldeten Besucher in der Statistik waren keine zahlenden Besucher. Wie sich dieser Besucheranteil entwickelte, schildert der Rechnungshof so: “Die Anzahl der Veranstaltungen ohne Einnahmen erhöhte sich in den Spielzeiten von 2007/2008 bis 2011/2012 von 7 auf 122. Die Anzahl der nicht zahlenden Besucher stieg in diesem Zeitraum von 4.725 auf 31.320. Deren Anteil an den Gesamtbesuchern betrug 2011/2012 rund 26,5 %.” Das widerspricht, so der Rechnungshof, eindeutig dem Wirtschaftlichkeitsgebot: “Können ein Viertel der Gesamtbesucher Veranstaltungen des Schauspiels unentgeltlich nutzen und sind ein Fünftel aller Veranstaltungen erlösfrei, wird diesen Grundsätzen nicht entsprochen.”

Auf der Gegenseite aber stiegen die Personalkosten kräftig an. Auch die für Intendant Sebastian Hartmann, der sich seine Regiearbeit neben der Honorierung der Intendantenarbeit noch einmal kräftig bezahlen ließ. Im Rechnungshofbericht heißt es dazu: “Aufgrund entsprechender Vereinbarungen mit der Stadt war der Intendant berechtigt, eigene Inszenierungen in den Spielstätten des Schauspiels zu übernehmen. Dafür wurden ihm nach Maßgabe des Dienstvertrages und durch gesonderte Verträge Vergütungen gewährt, über die keine Stadtratsbeschlüsse vorlagen. In der Spielzeit 2011/2012 überstiegen diese die vereinbarte jährliche Intendantenvergütung um rund ein Drittel.”

Heißt: Die Regietätigkeit des Intendanten wurde höher vergütet als die eigentliche Intendantentätigkeit. Ist zwar rechtmäßig, befindet der Rechnungshof, aber nicht in dieser Höhe: “Die Vereinbarung zusätzlicher künstlerischer Tätigkeiten mit dem Intendanten (Regie- und Autorenleistungen, Bühnenbilder) ist nicht unüblich. Der Vergütungsumfang sollte jedoch den der Hauptleistungen gemäß Intendantenvertrag nicht übersteigen. Die Festsetzung bedarf eines Stadtratsbeschlusses, weil auf diese Vergütungen kein Anspruch aufgrund eines Tarifvertrages besteht.”

Auch “Höhergruppierungen von TVöD-Beschäftigten, ohne dass tarifgerechte Stellenbeschreibungen und -bewertungen aufgrund der eingetretenen Aufgabenveränderungen vorlagen”, sorgten laut Rechnungshof für ein Ausufern der Personalkosten. Den hier zu setzenden Betrag benennt der Rechnungshof freilich nicht, erwähnt nur, dass 37.000 Euro “für außer- und übertarifliche Zahlungen” schlicht tarifwidrig erfolgten. Auf diese 37.000 Euro Euro hat die Stadt Regressansprüche und hat sie – laut Stellungnahme der Stadt – auch angemeldet. Zu den tariflich nicht begründeten Höhergruppierungen schreibt der Rechnungshof: “Die Höhergruppierung von TVöD-Beschäftigten hat künftig nicht auf Grundlage des abstrakten Aufgabenkreises, der subjektiven Leistung oder allein aufgrund des Vorliegens bestimmter Bildungsabschlüsse zu erfolgen, sondern bedarf der nachweislichen Übertragung höherwertiger Tätigkeiten.”Kontrolliert hat die Stadt das augenscheinlich nicht, sondern nur in aller Schafsruhe die Bedarfsanmeldungen aus dem Schauspiel akzeptiert und bezahlt. In ihrer Stellungnahme kommentiert es die Stadt recht kleinlaut: “Die Höhergruppierung erfolge künftig ausschließlich aufgrund der Übertragung höherwertiger Tätigkeiten.”

Aber nicht nur mit kostenlosen Veranstaltungen versuchte Sebastian Hartmann die Besucherzahlen im Schauspiel zu puschen, auch mit Konzerten hat er es versucht. Aber dieser Versuch erzeugte neue Kosten, wie der Rechnungshof nun feststellt: “Die Theaterleitung schloss seit der Spielzeit 2008/2009 mit verschiedenen Agenturen Verträge über die Durchführung von jährlich 20 bis 30 Konzerten im Schauspielhaus und der Neuen Szene. Die erzielten Erlöse deckten die verursachten variablen Kosten (Künstlerhonorare, Reisekosten, Verpflegung, Requisiten) und die Honorare für einen eigens für die Konzertreihe verpflichteten Musikkurator nicht. Daraus resultierten Defizite in Höhe von jährlich rund 130.000 Euro. Das im Rahmen der Konzerte notwendige Personal für Licht, Ton, Bühnentechnik usw. wurde den Künstlern unentgeltlich zur Verfügung gestellt.”

Viel kommentieren kann die Stadt Leipzig dazu nicht, eher recht kleinlaut eingestehen, dass das Problem erst mit dem Intendantenwechsel 2013 angegangen wurde.

“Der vom SRH angestrebten Erhöhung der Umsatzerlöse sei entsprochen worden”, heißt es in der Stellungnahme der Stadt, bei der schon spannend wäre zu erfahren, ob sie noch im Büro des OBM verfasst wurde, der den Kulturbürgermeister Michael Faber (Die Linke) ja bekanntlich 2010 der Verantwortung für die Kulturbetriebe enthob, oder ob Michael Fabers Dezernat dann die Stellungnahme abgeben durfte, als er ab 1. Juni wieder die Verantwortung zurückbekam. “In der laufenden Spielzeit 2013/14 seien bei einer auf 653 reduzierten Anzahl von Veranstaltungen bis Juni 2014 bereits Eintrittskarten im Wert von 994.000 Euro verkauft worden. Kostenseitig sei eine Eindämmung erreicht worden. Insbesondere die Honorarkosten seien rückläufig.”

Der neue Intendant Enrico Lübbe fand sich auch bereit, eigene Inszenierungen deutlich preiswerter zu übernehmen: “Die Möglichkeit für den Intendanten, zusätzliche künstlerische Leistungen zu erbringen, sei stark eingeschränkt worden und betrage derzeit bis zu 50 % der Vergütung für die Hauptleistung”, stellt die Stadt fest. Und die vielen unentgeltlichen Besucher in der Statistik wird es auch nicht mehr geben: “Das Schauspiel habe die unentgeltliche Nutzung begrenzt”, so die Stadt. “In der Spielzeit 2013/14 hätten bis Juni 2014 nunmehr 9.210 Besucher das Schauspiel unentgeltlich besucht, was einer Reduktion um 71 % gegenüber 2011/12 entspräche.” Was trotzdem noch eine erstaunliche Menge ist, wenn man weiß, dass Rezensenten für die Medien nur noch ein Freiticket bekommen und nicht mehr – wie zu Wolfgang Engels Zeiten – zwei.

“Die Konzerte würden derzeit mit wesentlich verringertem Aufwand weitergeführt und stünden als eigener Kostenträger unter genauer Kontrolle. Die Verbindung von Musik und Theater sei aber Teil des künstlerischen Gesamtkonzepts des Schauspiels”, betont die Stadt, muss sich aber trotzdem einer recht intensiven Anhörung durch die Rechtsaufsichtsbehörde unterziehen. Denn ihren Kontroll- und Aufsichtspflichten zur wirtschaftlichen Verwendung der Gelder ist sie eben in der Zeit der Hartmann-Intendanz nicht vollumfänglich nachgekommen.

Und so habe denn auch das Ministerium für Wissenschaft und Kultur (SMWK) “verschiedene Sachverhalte identifiziert, die eine weitere rechtsaufsichtliche Bewertung nach sich ziehen müssten. Das SMWK habe die Stadt Leipzig dazu förmlich angehört. Das Anhörungsverfahren sei noch nicht abgeschlossen. Die LD Sachsen als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde über die kreisfreie Stadt Leipzig werde von dem Vorgang unterrichtet.”

Die Einschätzung des Rechnungshofs zum Schauspiel Leipzig im “Jahresbericht 2014” ab Seite 183: www.rechnungshof.sachsen.de/download/JB2014-Band-I.pdf

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