Es ist eines der Uralt-Projekte der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Leipziger Stadtrat: die Verwaltung zum sparsamen Umgang mit Ressourcen zu bringen. Zum Beispiel beim Papierverbrauch. Ein recht aktuelles Thema, wenn man bedenkt, wie auch deutsche Verwaltungen und Regierungen noch vor zehn Jahren vom "papierlosen Büro" und "vollelektronischer Verwaltungsarbeit" geschwärmt haben. Aber nicht mal den Verbrauch von Papier kann man in Leipzig messen, teilt Verwaltungsbürgermeister Andreas Müller nun mit.

Die Grünen-Fraktion hatte zur letzten Ratsversammlung nachgefragt, ob es der Verwaltung tatsächlich gelingt, im Jahr 2014 die Druckkosten im ganzen Haus um 20 Prozent zu senken. Es stehe ja so im Haushaltsbeschluss. “Wie kommen die Ämter und Dezernate mit den reduzierten Ansätzen für Druckkosten aus und welche Ergebnisse sind zu erwarten?”

Nönö, teilt nun Verwaltungsbürgermeister Andreas Müller (SPD) mit: So steht’s nicht im Beschluss zum Haushalt 2014. Die Ratsversammlung wollte 2013 noch nicht so ehrgeizig sein. Müller: “Zunächst erfolgt der Hinweis, dass der Antrag Nr. A 020 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Haushaltsplanentwurf 2014 im Zuge der Haushaltsberatung durch den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke dahingehend modifiziert wurde, dass 10 % der beeinflussbaren Druckkosten durch die Dezernate und Ämter zu reduzieren sind. In dieser Form ist der Antrag auch in der Ratsversammlung vom 19.12.2013 beschlossen worden.”

Womit der Antrag ja gleich doppelt entschärft wurde: Die Größenordnung wurde von 20 auf 10 Prozent verkleinert – und die Gesamtmenge wurde eingeschränkt auf “beeinflussbare Druckkosten”.

Aber damit müsste ja eigentlich eine ganz gute Messbarkeit des Ergebnisses gewährleistet sein. Eigentlich. Oder eigentlich doch nicht, wie Andreas Müller nun den Grünen mitteilt: “Alle Organisationseinheiten, die geantwortet haben, stellten fest, dass Druckkosten in den sonstigen ordentlichen Aufwendungen geplant und bewirtschaftet werden. Sie sind, wie seinerzeit schon im Verwaltungsstandpunkt dargestellt, nicht eindeutig ablesbar und prüfbar, weil sie im Sachkonto 4431 0700 mit den Aufwendungen für Bücher und Büromaterial zusammengefasst sind.”

Normalerweise muss es ja jemanden geben im Rathaus, der all das Papier, die Druckerpatronen, die Drucker und den zugehörigen Service bestellt. Die Grünen dürften schon arg ins Grübeln kommen, warum das alles im “Sachkonto 4431 0700” irgendwie “verschwindet” und es scheinbar keine Stelle gibt, wo man die Bestellmengen regelmäßig abfragen kann.

Irgendwie scheint das ein verwaltungstechnischer Kraftakt zu sein, vor dem sich auch der Bürgermeister scheut: “Die Auswirkungen der Reduzierung können ohne vertiefende Erhebungen nicht beziffert werden. Eine genaue Ausweisung der jeweiligen Planansätze für Druckkosten als Basis für die geforderte Kürzung ist trotz Ratsbeschluss auf Basis der eingesetzten Buchungssystematik nicht möglich.”Das klingt ganz so, als hätte sich nicht mal jemand die Mühe gemacht, die Zahlen zu ermitteln. Aber ganz so ist es nicht. Denn es gibt tatsächlich eine Einkaufsdatenbank der Stadt, in die man hineinschauen und auch Jahreszahlen ermitteln kann.

Andreas Müller: “Die Ämter sind aber wie auch bereits in der Vergangenheit bemüht, durch stärkere Nutzung der digitalen Medien und Prozesse wie z. B. in Beteiligungsverfahren im Bauleitplanverfahren die Druckkosten weiter zu senken. Das Hauptamt hat analog der Zuarbeit zum Verwaltungsstandpunkt zu V/A 020/14 vom 24.10.2013 die Entwicklung des Papierverbrauches 2009-2012 aus der Einkaufsdatenbank zum besseren Vergleich für 2013 und das 1. Halbjahr 2014 fortgeschrieben. Man erkennt, dass seit 2009 der Papierverbrauch um ca. 30% reduziert werden konnte.”

Was ja schon einmal ein Teil der Antwort ist. Das hilft freilich noch nicht bei einer unterjährigen Kontrolle, gar einer genauen auf Ämterebene.

“Aus jetziger Sicht kann vermutet werden, dass sich der Papierverbrauch zum Ende 2014 ähnlich wie Ende 2013 darstellt. Hierbei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass erfahrungsgemäß insbesondere im IV. Quartal ein stärkerer Abruf zu verzeichnen sein könnte”, teilt Müller den Grünen mit. “Es muss aber noch einmal darauf hingewiesen werden, dass zu einem großen Teil der Papierverbrauch durch die Erfüllung von Pflichtaufgaben wie Bescheiderteilung an die Antragsteller/Bürgerschaft (z. B. im Ordnungsamt, Sozialamt, Amt für Jugend, Familie und Bildung) bestimmt wird, die nicht durch Ratsbeschluss beeinflussbar ist.”

Aber genau diesen Teil hatte ja der Änderungsantrag der Linksfraktion ausgeschlossen. Obwohl auch das Thema für eine Auswertung wäre, denn wenn man eine vollelektronische Verwaltung als Ziel hat, dann müsste man auch die Größenordnung der Verfahren kennen, die aktuell per Gesetz nicht ohne Papier auskommen – und die Ansätze, wie das vom Freistaat so gern propagierte E-Government künftig umgesetzt und Papiervorgänge durch elektronische Vorgänge ersetzt werden können oder sollen.

Auch die beiden Ratsinformationssysteme waren ja mal unter dem Aspekt “Druckkostenersparnis” eingeführt worden, das eRIS genauso wie sein 2014 eingeführter Nachfolger ALLRIS.

“Welche Einsparpotenziale hinsichtlich der Druckkosten sind, auch vor dem Hintergrund der neuen papierlosen Verwaltungsanwendung ALLRIS aus den Ämtern und Dezernaten noch zu erwarten?”, wollten die Grünen deshalb wissen.

Aber man hat zwar ALLRIS in Betrieb genommen, ob es einen Spareffekt leisten kann, weiß aber auch der Verwaltungsbürgermeister noch nicht.

Andreas Müller: “Angesichts der noch nicht vollumfassenden ALLRIS-Implementierung ist wegen der erforderlichen prüfsicheren Dokumentation papierloses Arbeiten derzeit noch nicht umsetzbar. Papierspareffekte sind erst zu erwarten, wenn auf die parallele Bereitstellung von Vorlagen in Papierform verzichtet wurde. Das Sparpotential kann noch nicht beziffert werden. Im Ausführungsbeschluss zur Beschaffung einer Software für die elektronische Ratsarbeit (RBV-1799/13) war nach Befragung der Stadträtinnen und Stadträte im Jahr 2013 prognostisch davon ausgegangen worden, dass im Falle des Verzichts auf Papierexemplare für die Ratsarbeit ca. 27.500,00 EUR jährliche Druckkosten eingespart werden können.”

Zur Website E-Government des Freistaats Sachsen: www.egovernment.sachsen.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar