Am Mittwoch, dem 17. September 2014, möchten die 70 Stadträte im Neuen Rathaus einen Beschluss fassen, welcher bislang durch die Verwaltung mit ein paar Veröffentlichungen befürwortet wurde. Es geht um 1 Million Euro - sagen wir mal für irgendeine Veranstaltung. Nicht grundlos fragte die Leipziger FDP nach, ob es eigentlich für Unterstützungen seitens der Leipziger Verwaltung für Veranstalter irgendwelche transparenten Regeln gibt. Auf welcher Basis die Räte eigentlich entscheiden sollen, fragte die L-IZ die Verwaltung am 15. Juli 2014 ausführlich an. Die Antworten fehlen bis heute. Stattdessen wurde eine mögliche Mehrheit für die Million im Hinterzimmer gebastelt.

Es gibt sie nicht, die transparenten Regeln und Berechnungen für Zuschüsse der Stadt, welche die FDP für Großveranstaltungen einforderte. Und es wird sie wohl auch nicht geben. Dennoch überlegen die vier Liberalen im Stadtrat ersten Gerüchten zufolge, der Million für den Katholikentag vom 25. bis 29. Mai 2016 in Leipzig zustimmen. Weitere Stimmen scheint man sich aus der Bürgerfraktion und von einigen fraktionslosen Stadträten zu erhoffen. Und statt einer Antwort auf offene Fragen gab es am 11. September ein Treffen zwischen dem Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) und einigen Stadträten – ohne Pressebeteiligung.

Was die Verwaltung von Umwegrendite und Rückflüssen in die Stadt formulierte, dazu konnte sie auf L-IZ-Nachfrage bislang keine genaueren Berechnungen vorlegen. Und der Presse bleibt nur noch zu orakeln, wie denn nun die Mehrheit für die Million zustande kommen soll, wenn am morgigen Mittwoch, 17. September, die Abstimmung erfolgen soll.

Die 14 Mitglieder der SPD werden wohl unter hohem Druck dafür stimmen und damit das OBM-Versprechen an das ZdK unterstützen. Von dem hohen Gut der Nibelungentreue zum Parteikollegen Oberbürgermeister wird bereits in den SPD-Hinterzimmern gesungen. Die Leipziger CDU, mit 17 Räten vertreten, hatte eigentlich nie einen Grund, dagegen zu sein, der Rest wird sich über ein paar Telefonate geklärt haben. Macht 31 Stimmen – nicht genug, um die Million schadlos Richtung Katholikentag zu bewegen.

Den sichernden Rest zur Mehrheit sollen offenbar morgen die FDP und einige Versprengte liefern, denn Grüne und Linke werden sich wohl mehrheitlich gegen den Antrag auf eine Million Euro stellen. Die dazu stattfindende Debatte wird sicher nicht ohne einen oberbürgermeisterlichen Redebeitrag zu Dingen vonstatten gehen, die mit den eigentlichen Sachfragen nichts zu tun haben.

Denn es geht bei der Abstimmung am 17. September nicht um Toleranz und Achtung der Religionsfreiheit, wie Oberbürgermeister Jung in einem Textbeitrag auf Leipzig.de zu betonen versuchte, sondern reichlich schnöde um eine Million Euro Steuermittel, welche der Antragsteller eigentlich nicht benötigt. Und die im Haushalt 2015/16 erst noch gefunden werden sollen. Auf wessen Kosten, wollte man seitens der Verwaltung ebenfalls nicht verraten – bei jeder weiteren Kürzung im kommenden Haushalt könnte der Bürger murmeln: Danke Katholikentag. Einem Gewohnheitsrecht gleich hat das Zentralkomitee Hand in Hand mit dem Bistum Dresden-Meißen das Geld bei Stadt und Land beantragt und bereits verkündet, man würde so oder so nach Leipzig kommen. Auch wenn der Betrag geringer ausfiele.

Die Verwendung der kommunalen und Landesmittel (zusammen dann 4 Millionen) werden wohl weiterhin intransparent bleiben, wie bereits bei allen anderen Katholikentagen vorher. Denn auch der Termin am 11. September ohne Presseinformation, eilig gegründete Vereinsstrukturen und schnelle Ratsbeschlussvorlagen im Juli und fehlende Auseinandersetzung danach zeigen die Richtung für Leipzig an.

Es wird so sein, wie es noch bei jedem Katholikentag war: Nirgendwo sind bislang Einnahmen und Ausgaben zu den bereits stattgefundenen Veranstaltungen – trotz fließender Steuerzuschüsse – aufgeschlüsselt zu finden.

Die Geldgeber, in diesem Fall die Leipziger Bürger und ihre Vertreter im Rat, müssen also glauben, statt zu wissen. Dass auch dies gute Tradition in katholischen Kreisen ist, konnten die Zuschauer am 8. September 2014 in der ARD-Reportage “Vergelt’s Gott – Der verborgene Reichtum der katholischen Kirche” erfahren (Link am Ende).
Womit natürlich auch eine weitere, eigentlich von der FDP ins Spiel gebrachte Frage auf Seiten der Stadträte offenbleiben müsste: Wie und nach welchen Kriterien wird eigentlich in der Stadtverwaltung bei Anträgen dieser Art entschieden? Denn mehr als eine Daumenpeilung scheint es nicht zu sein.

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Nachfolgende Fragen der L-IZ bleiben also offen vor der Abstimmung und wurden trotz mehrfacher Nachfragen den gesamten Sommer über nicht beantwortet. Gern hätten wir die Fragen auch direkt gestellt, doch auch zum Treffen zwischen Stadträten und dem ZdK informierte man die Presse nicht. Hinweisen aus der Ratsmitgliedschaft gegenüber L-IZ.de ergab das Treffen einen entspannten Oberbürgermeister, der parallel seine Mehrheiten inklusive der FDP als sicher ansieht. Weshalb er in die Ratssitzung am 17. September gehen kann, ohne sich nochmals mit den Grünen über ihren Änderungsantrag zur Absenkung des Zuschusses auf 300.000 Euro verständigt zu haben.

Ob dies alles der Akzeptanz der Leipziger gegenüber dem 100. Katholikentag zu- oder abträglich ist, liegt im Auge des Betrachters. Was bei den anstehenden Haushaltsdebatten diesbezüglich im Etat der Stadt noch gestrichen werden könnte, wird eine morgige Entscheidung in der zweitärmsten Stadt Deutschlands immer wieder in die Debatte bringen. Wirklich begründet bleibt der Antrag der Verwaltung, dem Zuschuss von einer Million Euro seitens der Stadt Leipzig zuzustimmen, weiterhin nicht.

Stattdessen geht nach L-IZ-Informationen nun die Staatsanwaltschaft Leipzig gegen die Kunst- und Protestaktion der Giordano Bruno Stiftung namens “11. Gebot: Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!” vor. Am 15. und 16. Juli 2014 war die zukünftige Piraten-Stadträtin Ute Gabelmann mit einer knapp drei Meter hohen Moses-Skulptur durch die Leipziger Innenstadt gezogen, um auf den Verstoß gegen das Verfassungsprinzip der weltanschaulichen Neutralität hinzuweisen. Für die Staatsanwaltschaft Grund genug, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, welches klären soll, ob die Kunstaktion (nicht anmeldepflichtig) doch eine anmeldepflichtige Versammlung war.

Mehr dazu hier vom 17. September 2014 auf L-IZ.de

Der Stadtrat tagt: Katholikentag 2016 in Leipzig – Irdische Regeln nicht für Gottes Werk?

 

Die Entscheidung vom 17. September 2014 im Stadtrat auf L-IZ.de

Der Stadtrat tagt: Was kostet ein Katholikentag in Leipzig?
Zur ARD – Reportage “Vergelt’s Gott – Der verborgene Reichtum der katholischen Kirche” vom 8.09.2014 im Netz zu sehen bis 8. September 2015

www.ardmediathek.de

Zur Seite 11. Gebot

www.11tes-gebot.de/leipzig-2016-protest.html
Aufgrund der Darstellungen des Kulturdezernates/des Oberbürgermeisters zur Ausrichtung des 100. Katholikentages in Leipzig haben sich unsererseits einige Fragen ergeben, welche wir ans Finanzdezernat, den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig sowie gegebenenfalls das Kulturdezernat direkt richten möchten.

Über eine Beantwortung in den kommenden Tagen würden wir uns sehr freuen.

Aufgrund der Berechnungen zur sogenannten Umwegrendite bei der Durchführung des deutschen Katholikentages vom 25. bis 29. Mai 2016 – fanden Einschätzungen zu den direkt in Leipzig verbleibenden Steuereinnahmen statt?

Wenn ja, in welcher Höhe wurden diese errechnet und welche Steuerarten wurden dabei herangezogen?

Welche in Leipzig ansässigen Firmen und Branchen (stadteigen und nicht stadteigen) wurden bei diesen Betrachtungen im Bereich der Gewerbesteuer in welcher Höhe einbezogen?

Welche zusätzlichen Steuereinnahmen erwartet sich die Stadt Leipzig durch die erhöhten Umsätze des Katholikentages 2016 über alle Branchen hinweg?

Welche Verteilungsschlüssel zwischen Bund, Land und Kommune bei weiteren Steuerarten (z. B. Einkommens-, Grunderwerbs- und Mehrwert- (Umsatz)steuer gewerblich/privat) fanden bei den vorab erstellten Kalkulationen Anwendung und welche der genannten Steuerarten ergeben jeweils in etwa welche Mehreinnahmen für die Stadt Leipzig?

Wenn die Bewertungen bezüglich der steuerlichen Rückflüsse nicht vorgenommen wurden, wie rechtfertigt das Finanzdezernat den Vorschlag des Oberbürgermeisters der Stadt Leipzig an den Stadtrat zur Entscheidung am 16. Juli 2014 zur Ausreichung von einer Million Euro aus der Stadtkasse für das genannte Vorhaben in Bezug auf die Steuereinnahmen der Stadt Leipzig?

Welche Auskünfte hat die Landesdirektion Leipzig als Kontrollbehörde bezüglich der beantragten Sondermittel in Höhe von einer Million Euro für den Katholikentag 2016 der Stadt Leipzig im Angesicht eines derzeit nur knapp genehmigten Kommunalhaushaltes 2014 für den Doppelhaushalt 2015/2016 erteilt?

Waren die Mittel im Haushalt 2014 bereits eingeplant oder müssen diese 2014 oder in den folgenden Jahren zusätzlich bereitgestellt werden?

Wurden für die Ausreichung der Steuermittel in Höhe von einer Million Euro zusätzliche Kürzungen im bestehenden Haushalt vorgenommen oder sind diese im Haushalt 2015/16 geplant?

Welche Ausgabenerhöhungen erwartet die Stadt Leipzig in welchen Bereichen im direkten Umfeld des Katholikentages 2016 (Sicherheit, Verkehrslogistik, Infrastrukturmaßnahmen, personelle Bereitstellung von eigenen Stadtmitarbeitern) und welche Einnahmen sind im gleichen Zeitraum in den genannten Bereichen vorhersehbar?
Wie erklären Sie den Leipzigern die Ausreichung von einer Million Euro Steuergelder vor dem Hintergrund des gewünschten und laut Grundgesetz mindestens angedeuteten Trennungs- und Gleichbehandlungsgebotes von staatlichen Einrichtungen zu kirchlichen Institutionen, wenn es um direkte finanzielle Beziehungen geht?

Welchen Wert hat der “Katholikentag” für die Stadt Leipzig in spiritueller und weltanschaulicher Hinsicht?

Was ist es für Sie für ein Signal einer Glaubensgemeinschaft, wenn sie Steuergelder in Höhe von 4,5 Millionen Euro für eine Veranstaltung beim Steuerzahler beantragt und sich damit rund die Hälfte des eigenen Religionsfestes von der in Leipzig und Sachsen zu rund 80 Prozent nichtkatholischen Allgemeinheit finanzieren lassen möchte?

Warum veranstaltet aus Ihrer Sicht die katholische Kirche den Katholikentag in einer Stadt, in welcher weniger als fünf Prozent Katholiken leben?

Ab welcher vorgeschauten Besucherzahl würde die Stadt Leipzig ein muslimisches Fest in ähnlicher Form unterstützen?

Erwarten Sie nun diesbezüglich Anfragen beispielsweise von der Ahmadiyya-Gemeinde?

Was halten Sie von der Einschätzung, dass ein klerikales Fest in der Größenordnung des Katholikentages 2016 eher ein rückwärtsgewandtes Signal für eine Stadt wie Leipzig bedeuten könnte?

Erwarten Sie eine nachhaltige Stärkung des Wirtschaftsstandorts Leipzig durch den Katholikentag 2016?

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