Am 2. Oktober soll sich der Betriebsausschuss Kulturstätten mit dem Thema Gewandhaus befassen. Im Haushaltsjahr 2014 fehlen dem Eigenbetrieb satte 1,6 Millionen Euro. Die beiden flotten Zeitungen in Leipzig haben das Thema für sich schon getaktet. Der Controller war's, titelte die eine. Der Wirtschaftsplan war falsch, befand die andere. Der Controller mag überfordert gewesen sein. Aber eines steht fest: Der Controller war's nicht.
Auch wenn Gewandhausdirektor Andreas Schulz und Verwaltungsdirektor Gereon Röckrath im “Nachtragswirtschaftsplan” zwei Seiten lang sehr ausführlich auf den Mann eingehen, den sich das Gewandhaus 2013 kurzfristig bei der Beratungsgesellschaft der Stadt Leipzig bbvl entlieh, weil der eigene Controller gerade das Haus verlassen hatte. Für ein halbes Jahr galt diese Entleihung – und just in dieser Zeit zwischen Juni und Dezember soll es passiert sein. Weil das Zahlenmaterial so komplex gewesen sei. Und bemerkt haben will man den “Rechenfehler” erst im April. Die Wirtschaftsplanung sei offensichtlich nur “summarisch entsprechend der stark zusammengefassten Gliederung der bbvl-Planmappe” erfolgt. “Der Komplexität der zu planenden Unterpositionen wurde dadurch in keiner Weise Rechnung getragen, so dass Fehlplanungen unerkannt blieben.”
Und das bei einem Wirtschaftsplan über 39 Millionen Euro? Ohne dass der Geschäftsführer, der ja nun alle Zahlen kennen sollte, auch nur stutzig wurde? Und welche Instanz in der Stadtverwaltung prüft diese Pläne eigentlich? Denn dass es drastische Veränderungen geben würde, war in der Leipziger Verwaltungsspitze ja genauso bekannt. Die hatte ja genauso zu tun mit einem deutlich höheren Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst, als sie selbst eingeplant hatte. Was ja dann ebenfalls im Sommer zu einem entsprechenden Nachschlag im Haushalt führte.
Auch das Gewandhaus hatte nur mit einem Tarifabschluss in Höhe von 1,5 Prozent gerechnet. Geworden sind es aber 3 Prozent. Und das ist eine Menge Holz in einem Haus, in dem der größte Teil des Budgets für Gehälter draufgeht. 23,48 Millionen Euro hatte der Plan für 2014 vorgesehen. Aber gebraucht werden 23,85 Millionen. Da war das erste Loch von 368.000 Euro, das zu stopfen war. Und dass es da ein Loch geben musste, wusste auch der Gewandhausdirektor, der auch zuvor schon bei der Stadt Leipzig angefragt hatte, ob die den höheren Personalaufwand zum größeren Teil übernimmt. Aber die Stadt Leipzig ließ mitteilen, dass man das nicht täte, sondern dass das Gewandhaus das selbst stemmen müsse. Von den absehbaren 864.000 Euro Mehraufwand beim Personal hat die Stadt nur 200.000 Euro abgefedert.
Aber die tariflichen Entwicklungen wurden auch bei den Honoraren für selbstständige Künstler sichtbar. 5,65 Millionen Euro hatte man da eingeplant, im Nachtragshaushalt geht das Gewandhaus jetzt von 6,05 Millionen aus. Was eine Abweichung von weiteren 398.000 Euro macht.
Und für ein vorläufiges Loch in der Kasse sorgen auch die beiden ausgefallenen Konzerte mit Bryan Ferry im Juni, die auf einen Streit zwischen Künstler und Veranstalter zurückzuführen sind. Letzterer hat schon 148.000 Euro aus dem Vorverkauf bekommen, aber das Geld fehlt jetzt dem Gewandhaus, weil die Tickets ja an die Käufer zurückerstattet wurden.
Die vierte wichtige Abweichung gibt es bei den Umsatzerlösen. Die waren in den Vorjahren schon im Sinkflug gewesen von 17,9 Millionen im Jahr 2011 auf 16,3 Millionen im Jahr 2013. 2014 sollten es laut Plan wieder 17,2 Millionen werden. Das Frühjahr lief augenscheinlich sogar ganz gut. Aber jetzt rechnet man nur noch mit 16,8 Millionen Euro. Differenz: 368.000 Euro.
Das sind im Grunde die wesentlichen Posten, die 2014 im Wirtschaftsplan des Gewandhauses hätten berücksichtigt werden müssen. Beiläufig erwähnen Schulz und Röckrath auch noch, dass auch die Neubesetzung des Posten des Verwaltungsdirektors im Wirtschaftsplan 2014 genauso wenig berücksichtigt wurde wie “tarifkonforme Höhergruppierungen” im Haus. Es sieht eher so aus, als wäre nicht der von bbvl entsandte Controller schuld an diesen Wahrnehmungslöchern, sondern das Fehlen eines Verwaltungsdirektors bei der Erarbeitung des Wirtschaftsplans, der all diese Dinge hätte wissen müssen.
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Dann wäre dem Stadtrat auch kein Wirtschaftsplan mit einem Umfang von 39,76 Millionen Euro vorgelegt worden, der den trügerischen Schein erweckte, noch nicht allzu weit über den 37,6 Millionen Euro von 2013 zu liegen. Nun aber stehen im überarbeiten Wirtschaftsplan 41,4 Millionen. Wobei auch das so nicht ganz stimmt. Denn im Dezember 2013 war dem Stadtrat ein Wirtschaftsplan im Umfang von 38,82 Millionen Euro vorgelegt wurden. Dass es jetzt so deutlich viel mehr wurden, hat auch mit einem Posten von 1,4 Millionen Euro für Instandhaltung zu tun, der im alten Wirtschaftsplan nicht extra ausgewiesen war.
Und es ist genauso, wie es das actori-Gutachten beschrieben hat: Allein die alljährlichen Tarifsteigerungen für die im Schnitt 272 Personalstellen im Haus sorgen dafür, dass der Aufwand für das Gewandhaus jedes Jahr um eine halbe Million Euro steigt. Zum Vergleich: 2011 kam man noch mit 21,8 Millionen Euro Personalaufwand aus, 2013 waren es 22,5 Millionen. Für 2014 und 2015 rechnete man damals noch mit etwas über 23 Millionen Euro. Jetzt werden es 23,8 Millionen.
Und erstaunlicherweise ist es das Kulturdezernat, das jetzt dem Stadtrat vorschlägt, die Differenz für 2014 zu begleichen, nicht der OBM. Hat er also die Eigenbetriebe tatsächlich wieder in die Verantwortung von Kulturbürgermeister Michael Faber zurückgegeben?
Der jedenfalls empfiehlt jetzt als Beschluss: “Die Ratsversammlung beschließt den Nachtragswirtschaftsplan für den Eigenbetrieb Gewandhaus zu Leipzig für das Wirtschaftsjahr 2014 mit folgenden Eckwerten:
– Summe der Erträge aus dem Erfolgsplan 39.761 T?
– Summe der Aufwendungen aus dem Erfolgsplan 41.411 T?
– Verlust als Endergebnis des Erfolgsplanes -1.650 T?
Die überplanmäßigen Aufwendungen gem. § 79 (1) SächsGemO i.H.v. 1.230.000 Euro zur unterjährigen Deckung der laufenden Aufwendungen des städtischen Eigenbetriebes Gewandhaus zu Leipzig im Wirtschaftsjahr 2014 im PSP-Element 1.100.26.2.0.03, Sachkonto 4315 0000 werden beschlossen. Die Deckung erfolgt aus der Kostenstelle ‘1098300000 – unterjährige Finanzierung ohne Deckung Ergebnishaushalt’.”
Schon das Wort “Erfolgsplan”, das er verwendet, erzählt eine Menge über die Selbsttäuschung in der hohen Welt der Leipziger Hochkultur. Denn das Wort sollte eigentlich erzählen von höheren Sponsoringeinnahmen durch den Geschäftsführer, höheren Ticketerlösen, höheren Umsätzen. Aber all das ist nicht der Fall. Der Wirtschaftsplan ist nur ein Wirtschaftsplan. Und nicht nur der Controller kann schuld daran sein, dass im 2014er-Plan derart viele Unstimmigkeiten übersehen worden sind.
Der Gewandhauswirtschaftsplan 2012/2013 als PDF zum download.
Der ursprüngliche Wirtschaftsplan 2014 als PDF zum download.
Der Nachtragswirtschaftsplan 2014 als PDF zum download.
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