Ganz zu Anfang seiner Zeit als Oberbürgermeister, 2006 war das, da versuchte Burkhard Jung (SPD) noch so ein wenig Transparenz in seiner Arbeit herzustellen. Da lud er die Presse gleich nach seinen Dienstberatungen mit der Verwaltungsspitze ein, um über die wichtigsten dort gefällten Entscheidungen zu berichten. Doch irgendwann war ihm das zu viel. Die Sache wurde gestrichen. Nicht zufällig ist Transparenz acht Jahre später ein Thema, dem er sich stellen muss.

Die Kritik ist in der ganzen Zeit nicht abgeebbt. Dass er 2006 einen Verwaltungsapparat übernommen hatte, der sehr auf sich bezogen agierte und dessen Entscheidungen den Leipzigern oft erst verkündet wurden, wenn die Bagger schon rollten, das wusste Burkhard Jung auch damals. Von seinem Amtsvorgänger Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte er das Projekt “Gläsernes Rathaus” übernommen, das damals auch schon acht Jahre als Ideenskizze an der Wand klebte.

Irgendwann erwarten auch die gemütlichsten Bürger, dass solchen (Wahlkampf-)Ankündigungen auch Taten folgen. Erst recht, wenn erste Projektbausteine sichtbar werden wie das Ratsinformationssystem eRIS, das unter Burkhard Jung eingeführt wurde und seitdem die Anträge der Fraktionen, einige Entscheidungsvorlagen der Verwaltung, Anfragen, Änderungsanträge und die Protokolle der Ratssitzungen sichtbar macht. Wer Geduld hat und sucht, findet dort viele Informationen zum Verwaltungsgeschehen. Nicht alle.

Deswegen gab es gerade in den letzten zwei Jahren reihenweise Anträge aus den Stadtratsfraktionen, das Prinzip der Veröffentlichung zu ändern. Ein Vorschlag leuchtet so ein, dass er seitdem verwaltungsintern für jede Menge Sorgen und Befindlichkeiten sorgt: Alles zu veröffentlichen, bei dem keine Interessen Dritter berührt sind.

Aber da blockt der Apparat, stöhnt über Arbeitsaufwand und denkt lieber über Kostentabellen nach für die störenden Anfragen der Bürger. Unübersehbar hat sich auch nach Jahren der Diskussion am Verwaltungsdenken nichts geändert. Und auch die Vorschläge zur Verwaltungsreform, die mehr Transparenz als Baustein beinhalten, liegen zum größten Teil auf Eis. Immer wieder kommt dieser Punkt, an dem alles ins Stocken gerät: “Das haben wir noch nie so gemacht …”

Was natürlich auch heißt: Ändern wird auch Burkhard Jung daran nichts, wenn er das Verwaltungsdenken nicht ändert. Aber das muss man vorleben und vormachen.

Finden jedenfalls die Grünen und haben jetzt einen Antrag gestellt, der genau da anpackt, wo die Verwaltungsspitze in den vergangenen sieben Jahren ihr Pingpong hinter verschlossenen Türen gespielt hat: “Transparenz in Verwaltungsentscheidungen”.

Darin schlagen sie vor: “Der Oberbürgermeister wird aufgefordert, die Tagesordnungen und Protokolle seiner Dienstberatungen, die bisher nichtöffentlichen Vorlagen und die relevanten Anlagen dazu, soweit sie nicht geheimzuhaltende Angelegenheiten darstellen, zu veröffentlichen.”Raus damit, öffentlich machen. Hier wird über Straßensanierungen entschieden, über Schultoiletten, Baumpflanzungen, soziokulturelle Zentren usw. Denn, und auch das wissen die meisten Leipziger nicht: Die Macht in Leipzig ist zweigeteilt. Nur ein Teil der Entscheidungen, die das Leben der Stadt betreffen, fallen in die Entscheidungshoheit des Stadtrates. Das sind eher die großen, strategischen Entscheidungen.

Das Kleinklein aber, das mit Personalfragen und Auftragsvergaben beginnt, das entscheidet die Dezernentenrunde mit OBM Burkhard Jung.

Die Grünen formulieren es so: “In der Dienstberatung des OBM mit seinen Bürgermeistern werden eine Vielzahl von Angelegenheiten entschieden, die allein in der Zuständigkeit des OBM und nicht in der des Stadtrates stehen. Bisher sind diese Entscheidungen und die dazugehörenden Dokumente geheim und weder für die gewählten Vertreter der Stadt, noch für die interessierte Bürgerschaft nachlesbar. Es ist bisher nicht bekannt, was die Verwaltung an internen Entscheidungen oder Verfahren plant und womit sie sich beschäftigt. Das führt dazu, dass Entscheidungen oft erst bekannt werden, wenn sie unumkehrbar und bereits in Umsetzung begriffen sind.

Viele dieser Vorgänge betreffen aber Angelegenheiten, welche die Einwohnerinnen und Einwohner durchaus interessieren. Diesem Wunsch nach mehr Transparenz sollte Rechnung getragen werden. Es liegt allein im Entscheidungsbereich des OBM, die Arbeit der Verwaltung nachvollziehbarer und somit auch verständlicher werden zu lassen.”

Ist natürlich die Frage: Will er das? Will er sich von gewählten Stadträten und Wahlbürgern über die Schulter schauen lassen?

Übrigens nicht die einzige Entscheidungsebene, die hinter verschlossenen Türen agiert. Eine andere sind die Ausschüsse des Stadtrates, wo Vertreter der Verwaltung und der Fraktionen weit vor den Stadtratssitzungen zusammen sitzen und darüber diskutieren, wie die nächsten Entscheidungen aussehen sollen. Auch das hier geäußerte Pro und Kontra erfährt der Bürger nicht. Und die involvierten Stadträte sind zum Schweigen verpflichtet. Nicht einmal Protokolle werden veröffentlicht.

Höchste Zeit also, dass sich in Leipzigs Stadtpolitik etwas ändert. Nun ist nur die Frage, ob auch die anderen Fraktionen das so sehen – oder ob sie lieber auf einer abgeschotteten und damit für den Bürger intransparenten Politik beharren und gegen den Grünen-Antrag stimmen.

Als Vorbild nennen die Grünen die Städte Magdeburg und Halle/Saale, wo die Tagesordnung sowie Beschlüsse bzw. das Protokoll der Dienstberatung des OBM umfänglich, teilweise mit allen Anlagen und ergänzenden Stellungnahmen, öffentlich nachlesbar sind:

http://ratsinfo.magdeburg.de/si0040.asp

http://buergerinfo.halle.de/si0041.asp?__ctopic=gr&__kgrnr=1056

Der Antrag der Grünen als PDF zum Download.

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