Es ist ein Generationenwechsel, der da auf die Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag zukommt. Gisela Kallenbach ist nicht wieder angetreten zur Landtagswahl. Michael Weichert versucht, als Direktkandidat für die Grünen im Leipziger Norden Stimmen zu holen. Wenn er das Mandat holen würde, wäre das zumindest eine Riesenüberraschung. Aber Wegducken ist nicht sein Ding.

Für die Leipziger Grünen sitzt der Gastwirt und studierte Theologe seit 2004 im Sächsischen Landtag, ist dort Sprecher für Wirtschaft, Landwirtschaft, Verbraucher und Tourismus. Über die Landesliste den Wiedereinzug zu schaffen, ist diesmal eher utopisch. Auf Listenplatz 16 müsste es für die Grünen im Landtagswahlkampf schon ein Ergebnis deutlich über 10 Prozent geben. 2009 schafften die Grünen 6,4 Prozent, was am Ende acht Mandate im Landtag bedeutet hätte. Weil aber die CDU wieder fast alle Direktmandate eingesammelt hatte, gab’s neun Mandate – ein Überhangmandat extra.

Mit einem solchen Ergebnis können die Grünen auch 2014 rechnen. Heißt zumindest für die Leipzigerin Claudia Maicher auf Listenplatz 3, dass der Einzug gesichert ist. Eine ganz kleine Chance hat der Leipziger Grünen-Vorsitzende Jürgen Kasek auf Listenplatz 10, falls die Grünen ihr Ergebnis gegenüber 2009 steigern können.

Aber was macht man, wenn man erst Nr. 16 ist, wie Michael Weichert? – Erst recht losziehen, meint er. Und hat sich Großes vorgenommen für die letzten 14 Tage des Wahlkampfs: Er will in 14 Tagen alle 14 Wahlbezirke in seinem Wahlkreis 32 abmarschieren, jeden Tag rund vier bis fünf Stunden mit 15 Kilometern und jedem Gespräch unterwegs, das ihm begegnet. “Ich wollte meinen Wahlkreis schon immer mal richtig kennenlernen”, sagt der 60-Jährige. Immerhin reicht der von Lindenthal bis Gohlis, vereint ländliche und echte Gründerzeitquartiere in sich. Er ist auch nicht ganz mit dem Wahlkreis von 2009 identisch, wurde neu zugeschnitten.Er erwartet auch nicht, dass er mit den Leipzigern, die er unterwegs trifft, nur über Landesthemen spricht. “Zuhören ist eine Stärke, die ich habe”, sagt er. Und er habe sich angewöhnt, sich auch zu kümmern. “Und wenn es nur eine Information ist über das, was ich erfahren konnte.” Immerhin hat der Norden einige Probleme, die schon lange einer Abhilfe harren – vom Lärm um Flughafen und Güterring bis zur noch offenen Zukunft der Georg-Schumann-Straße bis hin zu den Bauproblemen am Anker oder den unübersehbaren Problemen auch hier in den Schulen.

Einige grüne Wahlkämpfer haben schon ihre Begleitung zugesagt. Nicht auf der ganzen Strecke. “Sie sind ja auch selber eingespannt in den Wahlkampf.”

Mancher Wähler im Norden wird sich sogar wundern, wenn Michael Weichert auftaucht. Denn in diesem Wahlkampf hat er auf Plakate mit seinem Konterfei verzichtet, will das Geld lieber für drei gute Zwecke spenden – einmal für eine Wohngruppe des Zwergenland e.V., einmal für das durch den fehlenden Saal arg gebeutelte Soziokulturelle Zentrum Anker e.V. und einmal für den Verein, den er selbst mitbegründet hat, den Bürgerverein Möckern/Wahren, der wie andere Leipziger Bürgervereine auch derzeit in schwerem finanziellen Fahrwasser ist.

“Das wird mein ganz persönlicher Wahlkampf”, sagt er. Und dafür steht auch der Spruch, den er auf 20.000 Postkarten hat drucken lassen: “Nur Mut.”

“Den hatte ich auch das letzte Mal auf meinen Plakaten stehen”, sagt er. Es gehe aber nicht nur um den Mut, jetzt bei den Grünen sein Kreuz zu machen. Auch wenn es Manchem sicher schwer fällt, wenn in seinem Bekanntenkreis anders diskutiert wird. Die wilden Argumente aus dem Boulevard, die den Grünen den Bundestagswahlkampf 2013 verhagelt haben, stammen ja aus der Welt der einfachen Wahrheiten und simplen Argumente. Oft genug überfordern die Grünen die Wähler, auch wenn es aus ihrer Sicht doch ganz einfach aussieht.

Sieben Punkte hat Michael Weichert auf die Rückseite seiner Postkarte drucken lassen. Manche davon erfordern tatsächlich ein Umdenken. Etwa der, dass man Bildung eben nicht nur als Kostenfaktor betrachten darf, sondern als wichtige wirtschaftliche Investition denken muss. Energiewende und Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe steht natürlich genauso da wie gesündere Schulverpflegung, ein “Ende der Qualtierhaltung” und – als Mahnung – ein Bewahren des Erbes der ’89er Bürgerbewegung, aus der er kommt. Er war 1989 dabei, als das Neue Forum gegründet wurde und 1990 beim Bündnis `90, aus dem 1991 Bündnis 90/Die Grünen wurde.

Wenn man nur einem der Punkte zustimmen könnte, so Weichert, dann könne man auch beide Kreuze bei Grün machen.

Aber sein Mutmachen denkt er größer. “Wichtig ist, dass möglichst viele Menschen am 31. August wählen gehen.” Denn bei niedriger Wahlbeteiligung sind die Chancen für extremistische Parteien, doch wieder in den Landtag zu kommen, höher. Es ist also auch eine kleine Ermutigung für alle Demokraten: Wählen gehen.

www.michael-weichert.de

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