Da hat Robert Clemen, Vorsitzender der Leipziger CDU und Landtagskandidat, aber was gesagt, als er die aktuellen Verkehrsprobleme in der Pfaffendorfer Straße ansprach. "Eigentlich mache ich mir wirklich Sorgen, dass der ÖPNV in Leipzig auf der Strecke bleibt", sagt er im Gespräch mit der L-IZ. "Es geht nicht gegen die Radfahrer."
Aber irgendwie können sich Politiker so Manches denken – was die Leipziger Volkszeitung (LVZ) dann draus macht, ist in der Regel noch etwas ganz anderes. “Der organisierte Kollaps”, titelte diese am 9. August. Und wer gedacht hätte, das würde nun eine lustvolle Geschichte über die Sommerbaustellen im Leipziger Straßennetz werden, der wurde eines Besseren belehrt. “Wie Stadtplaner den Raum für den fließenden Verkehr verknappen, den öffentlichen Nahverkehr ausbremsen und Staus erzeugen”, lautete der Untertitel. Der wie so oft nicht wirklich zum Text des LVZ-Redakteurs, der drunter stand, passte. Es scheint da einen Blattmacher im Haus am Peterssteinweg zu geben, dem sind ausgewogene Texte und Überschriften herzlich fremd. Der setzt noch eins drauf, spitzt zu und glaubt wahrscheinlich, er tut seinem Blatt was Gutes, wenn er die Leute in Weißglut bringt nach dem Motto: Diese schrecklichen Verkehrsplaner! Diese Lobbypolitik …
Das Wort kommt im Text vor. Einen “wachsenden Einfluss der Rad-Lobby” will Hans-Georg Anders, Fachberater beim ADAC-Sachsen, in Leipzig ausgemacht haben. Oder hat nur der Redakteur falsch hingehört? Selbst Sachsens Verkehrsminister Sven Morlok, eigentlich für seine große Sympathie für den motorisierten Verkehr bekannt, hat offiziell festgestellt: “Der Anteil des Radverkehrs nimmt stetig zu und wir wollen diese positive Entwicklung gemeinsam mit Partnern in den Kommunen und Landkreisen weiter vorantreiben.” So geäußert hat er das am 15. April. Und das trifft eben nicht nur auf Leipzig zu, sondern auch auf Dresden, Chemnitz, Torgau, Plauen – die Sachsen steigen vermehrt aufs Rad. Und das braucht befahrbare Strukturen für Radfahrer. Auch in Leipzig.
Dass die Radwege in der Pfaffendorfer Straße nicht das Problem sind, gibt auch Robert Clemen gern zu. Aber dass die Straßenbahnen in Leipzig immer öfter im Stau stehen und hinter Autokolonnen nur ruckweise voran kommen, ärgert ihn. Woran aber liegt es?
In der Pfaffendorfer Straße aktuell an einer ganz konkreten Baustelle: der in der Eutritzscher / Berliner Straße. Damit ist der wichtigste Zubringer zum Ring über die Gerberstraße dicht. Was sich in der Pfaffendorfer Straße staut, zeigt, welch eine elementare Funktion die Eutritzscher / Gerberstraße im Leipziger Innenstadtverkehr hat. Das weiß man auch im Verkehrs- und Tiefbauamt und hat die Sanierung der Fahrbahn extra in die Sommerferien verlegt.
Genauso wie die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) ihre Baustellen weitgehend in die Sommerferien gelegt haben. In allen Himmelsrichtungen wird gebaut. Teilweise wird ein Sanierungsstau abgearbeitet, der schon seit über 10, 20 Jahren bestand. Darüber kann man schreiben. Da wird dann eine Geschichte draus.Aber mit der Aufmachergeschichte im Lokalteil hat die LVZ am 9. August wieder Ressentiments geschürt und eine Diskussion entfacht, die so unsinnig ist wie das Wort von der Rad-Lobby. Das geht bis in die Formulierung hinein. “Bis 2020 will Leipzig den Anteil des Radverkehrs auf über 20 Prozent steigern, vor ein paar Jahren lag er noch bei 14 Prozent.” Der Satz ist schlichtweg Blödsinn, auch wenn Leipzigs Verwaltung gern so tut, als wäre sie selbst die treibende Kraft dieser Entwicklung. Das ist falsch. Es sind die Leipziger selbst, die immer öfter aufs Rad steigen. Der Druck auf die Verkehrspolitik kommt von der Straße, nicht aus dem Rathaus. Da sitzen die Entscheider lieber stundenlang an einem Tisch und feilschen darüber, ob es bis 2020 nur 18 oder doch 20 Prozent sein werden.
Die Prophezeiung können wir eigentlich jetzt schon hinschreiben: Es werden mindestens 20 Prozent sein. Auch weil der ÖPNV für immer mehr Leipziger keine sinnvolle Alternative (mehr) ist. Nicht nur, weil Bahnen im Stau stecken und ihre Fahrpläne nicht mehr einhalten. Für viele Leipziger sind die Fahrpreise längst zu hoch. Und 2013 haben weder Verwaltung noch Stadtratsmehrheit begriffen, dass der Bogen überspannt ist, als sie den Tariferhöhungen im MDV für August 2014 zustimmten. Das wurde in der Bürgerbefragung deutlich, die Finanzbürgermeister Torsten Bonew im Frühjahr 2014 zur Finanzpolitik der Stadt in Auftrag gegeben hatte. 93 Prozent der Befragten äußerten sich gegen weiter steigende Tarife für Bus und Bahn.
Aber die Geschichte, die die LVZ da am 9. August hingepflastert hat, zieht noch ganz andere Kreise. Und Robert Clemen wird sich ganz bestimmt nicht mehr wundern, dass ein Mann wie Jörg Kühne, bis Anfang 2014 Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU Leipzig, nicht mehr in der CDU ist, sondern versucht, sich über die AfD zu profilieren. Im Februar sagte Clemen zu dieser Personalie ein wahres Wort: “Die CDU ist eine Volkspartei, die sowohl christliche, konservative, liberale und patriotische Facetten in sich vereinigt, wer von der Union eine einseitige Verengung auf national-konservative Werte erwartet, wird bei uns perspektivisch keine Heimat finden können.”
Es ist, als schriebe die LVZ einige Überschriften extra für die vergräzten Herren von der AfD, die alles andere ist als eine moderne Partei, auch wenn sie gern so tut. Sie fällt auch in ihren Verkehrsansichten weit, weit hinter die Positionen der CDU zurück. Und in der Pfaffendorfer Straße möchte sie die Radfahrstreifen am liebsten ausradieren.
“Der Radstreifen zwischen der Kreuzung Emil-Fuchs-Str. und dem Naturkundemuseum/Kreuzung Goerdelerring sollte in der Tat überdacht und bald entfernt werden”, meldet sich die AFD Leipzig nun in Sachen Pfaffendorfer Straße zu Wort. “Fast jeden Nachmittag kann man sich abseits vom – ‘ich wünsch mir die Welt wie sie mir gefällt’ – den Stau begutachten. Der Geruch nach Treibstoff von den Autos in der Luft die sich hinter der Linie 12 stauen ist beeindruckend unangenehm, so der langjährige Stadtbezirksbeirat Mitte Jörg Kühne, der jeden Werktag mit seinem Fahrrad (!) diese Straße auf der Höhe Humboldtstraße nachmittags quert. Der Zustand ist einfach untragbar dort vor Ort. Der Radstreifen sollte beidseits der Straße entfernt werden. Und dies der Umwelt wegen möglichst schnell, so Kühne weiter. Ob dies aber mit einigen Protagonisten der Leipziger Grünen, die derzeit das Sagen in dieser, na sagen wir mal ganz vorsichtig nicht ganz ideologiefreien Umweltpartei und dessen Führungspersonal umsetzbar ist, darf auch ohne gleich ein böser Populist aus der AfD-Blackbox geschimpft zu werden, zart angezweifelt werden.”
Ab Montag: Straßenbau in Eutritzscher Straße
Ab Montag, 21. Juli …
Ab Montag: Straßenbau in Eutritzscher Straße
Ab Montag, 21. Juli …
Leipzigs Finanzpolitik aus Bürgersicht: Schuldenabbau ja – aber keine weiteren Kürzungen
Am Donnerstag, 7. August …
Wir haben mal nichts korrigiert an der Grammatik dieser offiziellen Pressemitteilung der AfD.
“Der Bürgerschaft, die diese Straße in diesem Teil jeden Tag mit dem Rad, dem Auto, der Straßenbahn oder zu Fuß nutzt, bringt es freie Fahrt, pünktliche Straßenbahnen und etwas bessere Luft in der Pfaffendorfer Straße. Aber die schnelle Umsetzung ist wohl nicht zu erwarten, da müsste man ja total ideologiefreie Kommunalpolitik im Dienste der Bürger gestalten, was zwar ganz unspektakulär ohne großes sinnleeres Tamtam, aber in Leipzig wohl auf absehbare Zeit nicht machbar, konstatiert Kühne abschließend etwas resigniert.”
Auch diesen Passus haben wir nicht korrigiert.
Demnächst wird die AfD ja den Leipziger Stadtrat mit vier Abgeordneten besetzen. Selbst bei der CDU wird man sich freuen, dass es dann aus dieser Fraktion derart rustikale Vorschläge zu allen möglichen Themen geben wird – völlig frei von Ressentiments und Vorurteilen.
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